Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Könnte Köln sein?

‚Mittelschwere Lektüre‘, steht auf dem Bestellformular von Amazon über den Roman von Andreas Neumeister.

Beim Aufschlagen des Buches dann ein kurzer Schreck: Was ist das? Oder besser: Wo ist der Text?

Erfrischend ermüdend

Aber je länger man liest, desto mehr bildet sich aus dem Meer von Bruchstücken ein Bild. Und je länger man liest, desto mehr Freude hat man am Bild, das sich langsam zusammensetzt. Die ersten 10, 20 Seiten auf jeden Fall. Dann wird es anstrengend, ermüdend.

Denn der „Roman“ bietet keinerlei Handlung oder Ereignisse und er verzichtet konsequenterweise auf Romanfiguren. Stattdessen gleicht er eher einem Reisenotizbuch mit Fragmenten, Gedanken, Gesprächen, Abbildungen (ohne dass diese zu sehen sind). So prasselt ein Bruchstück nach dem anderen auf den Leser ein, häufig lose, meist gar nicht mit den vorangehenden und nachfolgenden verbunden, nur noch zusammengehalten in der losen Hülle des Namens einer Großstadt: könnte München sein, könnte New York sein, könnte Köln sein.

Das Buch ist gewissermaßen aus der „Google-Earth-Perspektive“ geschrieben. Es zoomt sich die Welt heran, berichtet über Städte wie Rom, Paris, New York, Berlin, Frankfurt und irgendwann auch über Köln. Dieser Reise zu folgen ist mühsam.

Um nur ein kleines Beispiel zu nennen:

„Mobilien. Immobilien

Dativ: Wem gehört die Stadt? Wem gefällt die Stadt? Wem gefällt welches Stadtviertel und warum? Akkusativ: Wen vereinnahmt die Stadt? Und wen spuckt sie wieder aus?

(…)

Mobilien/Immobilien: der BMW als Religion des Opel. Das Loire-Schlösschen als Religion der Doppelhaushälfte. Die Doppelhaushälfte als Religion der Wohnung im Rückgebäude. Das Häuschen im Grünen als Religion des Häuschens im Grauen. Frische Luft, was nun“

Neumeister fügt ausschweifend und verdichtend zugleich Text-Bausteine zusammen, zerbricht sie dann oder lässt sie ganz abbrechen. Es bleiben allein Fragmente. Ein lyrischer Zettelkasten, kein Roman wie vom Verlag verlautbart. Die Form entspricht – so schlau wie sperrig – dem vielschichtigen Inhalt:

„Schichten. Stadtschichten. Trümmerschichten. Geschichte kommt womöglich von schichten, von aufeinander geschichteten historischen Schichten.“

Hier und da ein paar Seiten zu überspringen, fällt nicht weiter schwer. Dann aber wieder fesselt ein bestimmtes Thema. Ist ja vielleicht auch nicht weiter schlimm und nicht erwünscht. Aber mit Spaß am Lesen hat das nichts zu tun.

»Könnte Köln sein« von Andreas Neumeister, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2008, 250 S., € 16,80

Natalie Bräuninger

»Könnte Köln sein« von Andreas Neumeister, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2008, 250 S., € 16,80

2 Kommentare

naja, auch Architekten lesen doch mal auch was anderes als Architektur-Zeitschriften … und dieses Buch ist Architektur pur: Baugeschichte, Architekturphilosophie und Reiseführer in einem. Über die sprachliche Vermittlungsweise lässt sich streiten.