Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Architektenstreit

Eine Ausstellung widmet sich dem Wiederaufbau Düsseldorfs nach dem Krieg.

„Neuordnungsvorschlag in letzter Minute“ oder „Wie soll die Innenstadt aussehen?“ sind Schlagzeilen, wie sie auch im heutigen Köln geschrieben werden könnten. Sie stammen aber aus dem Düsseldorf der Nachkriegszeit, als – wie in fast allen Städten Deutschlands – über den Wiederaufbau gestritten wurde. Diesem „Architektenstreit“ widmet sich das Stadtmuseum Düsseldorf in einer Ausstellung, die noch bis zum 31. August läuft.

Planung für den Verkehr

Noch während des Krieges zählte Düsseldorf zu den ausgewählten Städten, für die der „Arbeitsstab Wiederaufbauplanung zerstörter Städte“ unter der Leitung Albert Speers Pläne entwickelte. Im Zentrum dieser Wiederaufbauplanung standen mächtige Straßenschneisen, um „die Städte nach dem Krieg verkehrsmäßig wieder lebendig zu machen“. Und so wurden selbst feindliche Bombenangriffe zu willkommenen Eingriffen in die bestehende Stadtstruktur, bemerkte doch Baurat Kurt Groote 1943 zu seiner Planung für einen Nord-Süd-Straßenzug in Düsseldorf: „Die inzwischen über der Niederschrift dieser Arbeit durch die Terrorangriffe eingetretenen Zerstörungen begünstigen im Wesentlichen die Durchführung der dargestellten Vorschläge.“

Wiederaufbau mit Nazi-Architekten

Auch nach dem Krieg geht es hauptsächlich darum, einen reibungslosen Verkehrsfluss zu ermöglichen. Das sieht die Neuordnung des Stadtgefüges vor, die Friedrich Tamms – der einst zu Speers Mitarbeitern gehörte – ab 1948 entwickelt. Hieran entzündet sich der Architektenstreit. Josef Lehmbrock und Bernhard Pfau initiieren den „Architektenring“, der die brutalen Einschnitte in das Stadtgefüge vehement kritisiert und für ein Anknüpfen an die moderne Architektur der Weimarer Zeit streitet. Außerdem protestiert der „Architektenring“ gegen die Dominanz von Architekten und Stadtplanern aus der Zeit des Nationalsozialismus in Düsseldorf.

Der Streit eskaliert

Der Streit eskaliert als Julius Schulte-Frohlinde, der frühere Leiter der Bauabteilung der „Deutschen Arbeitsfront“ 1952 zum Leiter des Hochbauamtes ernannt wird. Schulte-Frohlinde war seinen konservativen Bauvorstellungen treu geblieben und hatte schon den Wiederaufbau Bremens mit seinen traditionalistischen Bauten geprägt. Der „Architektenring“ veröffentlicht eine Stellungnahme gegen die Ernennung und führt zugleich eine Unterschriftenaktion durch, an der sich viele bekannte Architekten – unter anderem Gottfried Böhm, Rudolf Schwarz und Hans Scharoun – beteiligen.

Vorzeigeort der Nachkriegsmoderne

Doch der Streit bleibt nicht innerhalb einer Fachöffentlichkeit, auch die Bürger wehren sich gegen die überdimensionierte Verkehrsplanung und die historisierenden Gebäude, wie vor allem die vielen Zeitungsausschnitte der Ausstellung beweisen. Letztendlich bleibt jedoch jeglicher Protest wirkungslos, Tamms städtebauliche Planung setzt sich in den wesentlichen Punkten durch und Julius Schulte-Frohlinde bleibt im Amt. Dennoch markiert der Architektenstreit einen Wendepunkt im Wiederaufbau Düsseldorfs, das zu einem Vorzeigeort der Nachkriegsmoderne wird.

Zündstoff auf Papier

Fleißig haben die Mitarbeiter des Stadtmuseums in Archiven gegraben, um die vielen Pläne, Fotos, Filme und Dokumente für diese Ausstellung zusammenzustellen. Besonders die Entwurfsskizzen machen deutlich, wie sehr die Nachkriegsarchitektur Düsseldorf geprägt hat – selbst der Nicht-Düsseldorfer erkennt bestimmte Gebäude sofort wieder. Bei den Plänen ist das schon schwieriger, hier wäre eine Verortung auf heutigen Stadtplänen sinnvoll. Insgesamt wirkt die Schau etwas steif und unsinnlich, besonders da aus der Nachkriegszeit kaum noch Modelle existieren. Wer jedoch ein wenig Zeit mitbringt und sich in die vielen Schriftstücke und Zeichnungen vertieft, kann hier viel Sprengstoff entdecken, der damals die Gemüter entzündet hat.

Architektenstreit – Wiederaufbau zwischen Kontinuität und Neubeginn

bis 31. August 2008

Dienstag – Sonntag 11 – 18 Uhr, Eintritt 3 Euro

Stadtmuseum Düsseldorf

Berger Allee 2

40213 Düsseldorf

Vera Lisakowski

Entwurf des neuen Düsseldorf von Friedrich Tamms, 1953

Entwurf des neuen Düsseldorf von Friedrich Tamms, 1953

Vorschlag einer Ringstraße um die Innenstadt, Architektenring

Skizze des Architektenrings, Vorschlag einer Ringstraße um die Innenstadt, 1949/50; Rechte: Nachlass Josef Lehmbrock, Architekturmuseum an der Technischen Universität München

Dreischeibenhaus, Tausendfüßler,

Dreischeibenhaus, Tausendfüßler, ‚Tucht-Insel‘ (1966); Foto: Bleckmann, Stadtarchiv Düsseldorf

Blick in die Ausstellung

Blick in die Ausstellung; Foto: Vera Lisakowski