Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Domino statt Puzzle

Das BDA-Montagsgespräch am 21. April nahm das Entwicklungskonzept für das rechtsrheinische Köln in Augenschein

Unter der Moderation der Kölner BDA-Architektin Christel Drey fanden sich Werner Stüttem vom Amt für Stadtentwicklung und Statistik, Anne Luise Müller, Leiterin des Stadtplanungsamts, die Aachener Architektin Christa Reicher sowie das Mitglied des Kölner Gestaltungsbeirat Carl Fingerhuth auf dem Podium im Domforum ein.

Die Einleitung von Christel Drey stellte im weitläufigen rechtsrheinischen Entwicklungsgebiet zwei aneinander angrenzende Areale in den Fokus des Abends: Das so genannte „Euroforum Nord“ und das ehemalige KHD-Gießereigelände. Beide liegen nördlich der Zoobrücke und werden im Westen vom Auenweg, im Osten von der Deutz-Mülheimer-Straße begrenzte – durchschnitten wird das Gelände von der ICE-Neubautrasse zum Deutzer Bahnhof.

„Gebäude 9“ und „Kunstwerk“ als Chance für die Zukunft

Werner Stüttem stellte im Folgenden die ersten strukturellen Planungen und Bestandsaufnahmen vor. Erst seit dem 10. April befindet sich der Vorschlag für das Gebiet in der politischen Diskussion der einzelnen Gremien. Bislang, so Stüttem, seien die Reaktionen von Seiten der politischen Entscheidungsträger ausschließlich positiv ausgefallen. Das Gebiet weise vor allem durch seine ehemalige industrielle Nutzung große Chancen und Potentiale auf: An diesem Ort produzierte die Deutz-AG Motoren und auch die Wuppertaler Schwebebahn wurde ehedem hier entwickelt. Die alten Maschinenhallen sind noch vorhanden und teilweise in gutem Zustand. So stehen etwa der so genannte „Eckige Rundbau“, die „Möhringhalle“ und selbige Schwebebahnhallen unter Denkmalschutz. Neben diesem baulichen Potential sieht die Stadt aber auch in den schon heute ansässigen Nutzern eine Chance für die Entwicklung des Areals. Neben dem etablierten Musikclub „Gebäude 9“ hat sich im benachbarten „Kunstwerk“ eine weit gefächerte Künstlerszene angesiedelt. Beide sollen am Ort gehalten werden und als Attraktoren für den Zuzug weiterer „Kreativer“ dienen, so Stüttem. Deshalb strebt die Stadt auf dem Areal eine durchgrünte Mischnutzung aus Wohnen und Arbeiten an.

Anne Luise Müller bestätigte die von Stüttem vorgetragenen Thesen durch ihren Vortrag, der jedoch deutlich machte, dass es für eine abschließende Beurteilung schlicht zu früh ist. Der derzeitige Planungszustand beruht auf der Machbarkeitsstudie. Auf dieser Basis entstanden im Auftrag des Gründstückeigentümers mehrere Bebauungskonzepte durch das Kölner Büro schultearchitekten. Auf diesen Szenarien fußte der Vortrag Müllers. Sie betonte dabei jedoch zwei Dinge: Zum einen sind diese Szenarien in keiner Weise bindend, sondern reine Anschauungsmodelle, zum anderen werde der Grundstückseigentümer angehalten, jeden Baustein, der in Zukunft aus dem Industrieareal ein „städtisches und urbanes“ Quartier machen soll, mit einem Realisierungswettbewerb auszuschreiben.

Fehlender Zwischenschritt

Sowohl Christa Reicher, als im Verlauf der Veranstaltung auch Teilnehmer aus dem Auditorium, kritisierten am momentanen Stand der Planung, dass der entscheidende Schritt zwischen der Bauleitplanung und den avisierten Hochbauwettbewerben in Form einer städtebaulichen Planung derzeit fehle. Carl Fingerhuth brachte es treffend auf dem Punkt, als er konstatierte, dass Stadt schließlich mehr sei, als nur „die Summe der vom Himmel gefallenen Gebäude“. Öffentliche Räume, Achsen und Wegebeziehungen, so die Kritik sind zu diesem frühen Zeitpunkt noch kein Bestandteil der Planung.

In der Tat sollen aber gerade diese Elemente eine entscheidende Rolle in der Entwicklung des Gebietes spielen. So ist das Ufer am Mülheimer Hafen und somit der angrenzende Auenweg teil des „Rhein-Boulevards“. Zwischen dem Ufer und der Deutz-Mülheimer-Straße sollen drei neue Wegebeziehungen hergestellt werden: Je ein Grünzug im Norden und im Süden – dazu eine Autostraße etwa in der Mitte des Areals. Wie diese öffentlichen Räume jedoch ausformuliert werden, dazu macht der derzeitige Planungsstand keine Aussage. Frau Müller stellte jedoch klar, dass an dieser Stelle weder ein Park erwünscht, noch geplant sei. Die Grünzüge sollen demnach reine Wegeverbindungen darstellen, die unter anderem die Stegerwaldsiedlung an den Rhein-Boulevard anbinden könnten.

Mehr Restriktionen, bitte!

Wiederum der Gestaltungsbeirat Carl Fingerhuth fasste die positive Entwicklung Kölner Stadtentwicklung mit einem passenden Bild trefflich zusammen: Früher habe man Puzzle gespielt. Ein großes Bild angestrebt und auf diesem Wege Stück für Stück zusammengefügt. Das Ziel wurde dabei aber in der Regel nicht erreicht. Heute jedoch, so Fingerhuth, spiele man Domino: Man baut dem Ort entsprechend Stein für Stein zusammen, die Spielregeln können definiert werden und am Fortschreiten des positiven Prozesses änderten auch wechselnde Teilnehmer nichts. So bleibt festzuhalten, dass noch viele Parameter abzustecken sind. Für diese Parameter wünscht sich etwa Christa Reicher deutliche Restriktionen. Zum einen, um den Geist des Ortes zu erhalten, zum anderen, um die positiven Ideen des Wandels, die von Seiten der Stadt für diesen Standort angedacht wurden, auch zu einem Guten weiterentwickelt werden können.

David Kasparek

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Altes soll sich mit Neuem verbinden

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Was muss weg, was darf bleiben? Offengelassene Industriebauten auf dem Areal des ‚Euroforums Nord‘

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