Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Stabil instabil

‚Wir möchten auf den Ebertplatz‘ – so lautet die schlichte Forderung des Teams der European Kunsthalle. Dahinter stecken eine differenzierte Analyse und ein ausgeklügeltes Konzep…

Im Sommer 2008 möchte sich das Team der European Kunsthalle temporär auf dem Ebertplatz „einnisten“, um ein sichtbares Zeichen für die Öffentlichkeit zu setzen. Dies ist ein erster Schritt zur Verstetigung der European Kunsthalle, die momentan nur als virtuelles Projekt mit gelegentlichen „fassbaren“ Ausstellungen existiert. Der Wunsch, ein künstlerisches Projekt auf dem Ebertplatz durchzuführen, ist auch Ergebnis der Studie „Spaces of Production“, in dem sich das Team intensiv mit möglichen Zukunftsmodellen für eine Kölner Kunsthalle mit Europaanbindung beschäftigt. Untersucht wurden drei unterschiedliche räumliche Strategien: Die instabile Konfiguration, eine stabile Strategie und schließlich ein Modell, das die Vorteile beider Varianten zusammenführt.

Instabiles Modell

Seit Herbst 2005 werden dem Gründungsteam der European Kunsthalle zwei Büroräume im Kulturdezernat der Stadt Köln kostenlos zur Verfügung gestellt. Sie bilden die Kernzelle zur Konzeption und Organisation der Projekte. Eigene Ausstellungs- oder Veranstaltungsräume hat die European Kunsthalle bis heute nicht – sie nutzte wechselnde Räume, so etwa bei der Diskussionsreihe „Under Construction“ oder den Ausstellungen „KölnShow2“ und „Modelle für Morgen: Köln“.

Dieses instabile Modell hat enorme Vorteile für Kulturinstitutionen: Hohe Gebäudekosten werden reduziert, die Architektur bestimmt nicht die Kunst, sondern kann jeweils zur Kunst passend ausgewählt werden. Und bei der Auswahl von öffentlichen, stark frequentierten, Orten besteht die Chance, auch ein zufälliges Publikum zu erreichen. Ein solches Konzept kann zudem leicht auf die internationale Ebene transportiert werden – wie es der Name European Kunsthalle sagt. Von einer Zentrale aus, können Ausstellungen in unterschiedlichen Ländern organisiert werden – dort kann die European Kunsthalle dann an existierende Institutionen andocken und Gastausstellungen und Kooperationen organisieren.

Doch das Modell hat auch Nachteile: Zunächst ist die Organisation von Ausstellungen an verschiedenen Orten ungleich aufwändiger als in den „eigenen vier Wänden“. Es müssen Absprachen getroffen werden mit einer Vielzahl, zumeist unerfahrener, Partner. Und ob die Präsentation von Kunst an den ausgewählten Orten überhaupt funktioniert, findet man erst im Laufe des Projektes heraus. Während diese Herausforderungen für das Team noch experimentellen Charakter haben, sind sie für das Publikum schon fast eine Zumutung: Ein Kunstinteressierter muss den unbedingten Willen haben, die Schau zu sehen um dann auch die wechselnden, teils schwer erreichbaren Orte mit unterschiedlichen Öffnungszeiten aufzusuchen. Und das angestrebte Zufallspublikum kann sich gegebenenfalls durch eine Kunstpräsentation in der gewohnten Umgebung eher gestört fühlen.

Stabiles Modell

Als Gegenpol zum instabilen Modell ist das stabile Modell zu sehen – die klassische Kunsthalle mit einem festen Gebäude in dem die Kunst präsentiert wird. Dieses Modell konnte die European Kunsthalle – mangels Gebäude – noch nicht selbst testen. Aber „Spaces of Production“ hat nationale wie internationale Vorbilder analysiert.

Hervorstechendster Vorteil des stabilen Modells ist das eigene Gebäude selbst: Ein markantes Bauwerk – bestenfalls von einem berühmten Architekten – auf einem guten Bauplatz innerhalb der Stadt. Das ausdifferenzierte Raumprogramm erlaubt es, ohne großen organisatorischen Aufwand, kontinuierlich den Ausstellungsbetrieb aufrecht zu erhalten, aber auch eigene Räume mit einer anderen Nutzung zu füllen. Immer größere Flächen von Ausstellungsgebäuden werden nicht für die Ausstellung im klassischen Sinn genutzt: Neben Buchhandlungen und Cafés entfällt ein großer Anteil der Arbeit einer Kunsthalle auf Kunstvermittlung, Vorträge, Filme oder Performances – mit einem eigenen Gebäude könnte die European Kunsthalle so eigene Schwerpunkte ihrer Arbeit setzen.

Das eigene Gebäude ist aber auch der größte Nachteil des stabilen Modells. Häufig wird – in Erwartung eines neuerlichen Bilbao-Effekts – bei Museumsneubauten auf Gebäude gesetzt, die von sich aus ein großes Publikum anziehen. Hierfür sind jedoch die Baukosten erheblich – so dass möglicherweise der Ausstellungsbetrieb unter den Gebäudekosten leidet. Auch ist das Raumprogramm, so ausgeklügelt es auch sein mag, Veränderungen unterworfen. Jeder neue Direktor möchte andere Schwerpunkte setzen, nicht selten gibt es deshalb in Ausstellungsgebäuden Umbauten. Auch jede Schau erfordert eine andere Architektur, so dass die Räume mit Ein- und Umbauten an die jeweilige Ausstellung angepasst werden.

Kombiniertes Modell

Aus dieser Untersuchung der beiden Modelle entwickelt „Spaces of Production“ einen Denkansatz, der die Vorteile von instabilem und stabilem Modell zusammenführt: Ein architektonischer Ansatz, der sowohl Sichtbarkeit als auch Veränderbarkeit garantiert. Der permanente Umbau, dem Kunsthallen unterliegen, wird so zum Programm, nicht zum Problem. Die Idee des wachsenden Museums ist in der Architekturgeschichte nicht neu. Le Corbusier entwarf bereits 1928 das wachsende „Museum in Quadratspiralform“. Auch das Louisana Museum in Dänemark entspricht einem wachsenden Modell: Es wurde ab 1957 mit verschiedenen Gebäuden erweitert, die intuitiv auf die umgebende Landschaft eingehen.

Doch die European Kunsthalle möchte stabil und instabil anders kombinieren. Ausgehend von festen Kernzellen, die aus Büro- und Nebenräumen, sowie einem Ausstellungsraum bestehen, soll die Kunsthalle sukzessive erweitert, gegebenenfalls aber auch wieder zurückgebaut werden. Für jede Ausstellung könnte so ein eigenes Gebäude entstehen, das schon Teil der Schau ist. Die Identifikation des Publikums mit der European Kunsthalle findet über den Ort und die Kernzellen statt, attraktiver Anziehungspunkt sind die jeweiligen Ausstellungen mit den dazugehörigen Gebäuden. Ob diese neuen Gebäudeteile weitergenutzt werden, wird im Einzelfall entschieden. Sie können sogar – wie es der Londoner „Serpentine Pavillon“ vormacht – als demontierbarer Pavillon geplant und nach der Ausstellung verkauft werden.

Mit diesem stabil instabilen Modell kann auch die Finanzierung leichter gesichert werden: Laufende Gebäudekosten entstehen nur für die Kernzellen, die übrigen Gebäude werden in die Ausstellungsfinanzierung mit einbezogen. Und: Die European Kunsthalle bleibt auch in Zukunft flexibel, sie kann sich und ihr Programm mit jeder Schau neu definieren, sich entscheiden, ob sie sich in Richtung instabilem oder stabilem Modell entwickeln wird. So kann schon das Konzept für die zukünftige European Kunsthalle zu einer Art Kunstwerk werden, das stetig im Fluss ist. Bleibt nur die Suche nach einem attraktiven Bauplatz in Köln – dann können alle Architekturinteressierten auf viele spannende, immer wechselnde Entwürfe hoffen.

Vera Lisakowski

Mehr zum Thema:

“ target=“_blank“>Under construction revisited

Zur Publikation „Under Construction“

Der Blick von unten

koelnarchitektur.de-Dossier zum Kölner Loch

Homepage der European Kunsthalle

Die Publikation „European Kunsthalle 2005 2006 2007“

Mit der Studie „Spaces of Production“ (PDF, 16 MB)

eukunsthalle buero

Die Büroräume der European Kunsthalle im Kölner Kulturamt – heutige ‚Kernzelle‘ der Aktivitäten.

Rechte: Spaces of Production, European Kunsthalle

eukunsthalle instabil

Das instabile Modell der heutigen European Kunsthalle – am Beispiel der Diskussionsreihe ‚Under Construction‘.

Rechte: Spaces of Production, European Kunsthalle

eukunsthalle stabil

Raumprogramm für ein stabiles Szenario der European Kunsthalle.

Rechte: Spaces of Production, European Kunsthalle

eukunsthalle kombiniert

Entwicklungsszenario für die zukünftige European Kunsthalle: Das Büro als Kernzelle für ein wachsendes Gebäude.

Rechte: Spaces of Production, European Kunsthalle