Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Poesievolle Sachlichkeit

Ausstellung „ein werk blick“ zur Architektur Margot und Joachim Schürmanns in Groß St. Martin

In der Kirche Groß St. Martin eröffnete am 9. August eine Ausstellung zum Werk der Architekten Margot und Joachim Schürmann. Bis zum Tod Margot Schürmanns arbeiteten die beiden ehemaligen Kommilitonen, die ihr Diplom kurz nach Kriegsende an der Technischen Hochschule in Darmstadt machten, gemeinsam an allen wichtigen Projekten des 1956 gegründeten Büros. Seit Beginn der neunziger Jahre firmiert dieses unter dem Namen Joachim Schürmann & Partner. Die Ausstellung sei, so betonte der heute Achtzigjährige am Eröffnungsabend, keine Ausstellung eines „Lebenswerkes“ – denn das ein oder andere Projekt wolle er schon noch in Angriff nehmen.

Anfang und Haltfindung

Die „Schürmanns“ kamen als junge, gerade diplomierte Architekten nach Köln und fanden eine Stadt vor, die sich in den Trümmern kaum mehr als solche zu erkennen gab – der gerade beendete Krieg war noch immer übermächtig präsent. Joachim Schürmann beschrieb die für ihn prägenden Nachkriegsjahre in seiner Eröffnungsrede, in der er nicht zuletzt auf die Wichtigkeit der denkmalpflegerischen und restaurativen Tätigkeit in dieser und in der Folgezeit hinwies.

Neben dem Architekten ließ der Architekturkritiker Manfred Sack wichtige Stationen im Schaffen des Paares Revue passieren: Eine erste Begegnung mit dem Schürmannschen Werk stellte für ihn das Wohnhaus Werner Schürmanns in der Nähe von Dublin (1964) dar, das als introvertiertes Atriumhaus mit klarer kubischer Form in die hügelige Landschaft gestellt ist. Sein Überblick über Vor- und Leitbilder Margot und Joachim Schürmanns stellte deren Werk, das Sack als „moralisch fundierte, das Soziale auch im Ästhetischen suchende Architektur“ bezeichnete, in die Moderne des 20. Jahrhunderts, die ihre Erfüllung in mathematischer Genauigkeit und geometrischer Klarheit fand. Es überzeuge „mit der Selbstverständlichkeit eines Eies“.

Ein Werkblick

Die Besucher, die durch das Westportal die Ausstellung betreten, werden von einem in der Mittelachse aufgestellten Modell der Dreikonchenanlage und des Vierungsturms Groß St. Martins empfangen. In Richtung des Taufsteins zur Linken beginnt die Werkschau in chronologischer Folge – hier sind unter anderem das Haus Werner Schürmanns, frühe Kirchenbauten und mehrere Kölner Wohnhäuser zu sehen. Hölzerne Tafeln, an denen die Projekte präsentiert werden, führen im Uhrzeigersinn bis zur seitlichen Konche und von dort auf der gegenüberliegenden Seite zurück zum Ausgangspunkt an der Kirchenpforte.

Ein Bauwerk fand am Eröffnungsabend oft Erwähnung und darf auch in der gezeigten Projektauswahl nicht fehlen: Das Haus der Deutschen Welle in Bonn (1989-2002). Das ursprünglich als Abgeordnetenhaus für den Deutschen Bundestag geplante Gebäude ging als „Schürmann-Bau“ unrühmlich in die Geschichte ein – dass die Architekten und unfreiwilligen Namensgeber keine Schuld am Aufschwimmen des Rohbaus während des Rheinhochwassers von 1993 traf, wurde in der Berichterstattung gerne übergangen. Dieser Bau jedenfalls, so Manfred Sack, kennzeichne „eines der wenigen herausragenden Beispiele, die sich die Demokratie als Bauherr geleistet hat“. Er würdigte es als einen Höhepunkt im Schürmannschen Werk.

Das Gezeigte greifbar gemacht

Groß St. Martin schafft als Ort der Ausstellung eine wohltuende Verbindung von bildlicher Darstellung und räumlicher Greifbarkeit: Anders als in üblichen Architekturausstellungen, in denen das Gebaute nur abgebildet werden kann und als eigentlich Erfahrbares fehlt, findet der Werkblick in einem Bauwerk statt, das einen bedeutenden Platz im Schürmannschen Œuvre einnimmt.

Der Wiederaufbau der Kirche kann – zusammen mit der Planung des umliegenden Quartiers – als wohl umfangreichste Planung der Architekten bezeichnet werden. 1961 begannen die Arbeiten an dem im Zweiten Weltkrieg stark beschädigten, romanischen Bau aus dem 12. Jahrhundert, die erst im Jahr 1985 abgeschlossen werden konnten. Dessen „reinigende“ Rekonstruktion brachte einen Kirchenraum von bestechender räumlicher Klarheit hervor. Im Zuge dieser Arbeiten traten bei Grabungen zahlreiche archäologische Funde zu Tage, woraufhin die Architekten beschlossen, die im ottonischen Vorgängerbau nachweisbare Krypta zu „reaktivieren“. Dort ist heute eine fest installierte Ausstellung zu den einzelnen, in römischer Zeit beginnenden Bebauungsphasen des Grundstücks zu sehen. Die aktuelle Werkschau wird so durch einen Blick in die Vergangenheit erweitert, der erst durch den Eingriff von Margot und Joachim Schürmann möglich wurde.

Rainer Schützeichel

Ausstellung „ein werk blick“, Groß St. Martin,

9. August bis 4. Oktober 2007,

Öffnungszeiten Di., Mi. und Fr. 10:00 bis 12:00 und 15:00 bis 17:00 Uhr, Do. 10:00 bis 12:00 Uhr, Sa. 10:00 bis 12:00 und 13:30 bis 17:00 Uhr, So. 14:00 bis 16:00 Uhr.

Zur Ausstellung ist ein Katalog im Vertrieb der Buchhandlung Walther König zum Preis von 24,- Euro erschienen.

schürmann_st martin_ausstellung

Ausstellung zum Werk von Margot und Joachim Schürmann in Groß St. Martin

schürmann_st martin_joachim schürmann

Joachim Schürmann eröffnete die Ausstellung ‚ein werk blick‘ mit einem persönlichen Einblick in die Arbeit seines Büros

schürmann_st martin_manfred sack

Manfred Sack bescheinigte der Schürmannschen ‚Architektur für Menschen‘ eine grundlegend soziale Zielsetzung

schürmann_st martin_krypta

Die von Margot und Joachim Schürmann ‚freigelegte‘ Krypta Groß St. Martins macht das Gezeigte greifbar