Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

„Jammern verboten, Pragmatismus erwünscht!“

Werkstattbericht über den Jahreskongress Realität[Bauen] der Initiative StadtBauKultur NRW, der im September 2005 in Wuppertal stattfand.

Nicht selten steht „Das Schöne“, „Das Vorbildliche“ oder „Das Außergewöhnliche“ im Mittelpunkt der Diskussion, wenn von Baukultur die Rede ist. Aber wie sieht es mit dem baukulturellen Alltag aus – also den „Normalfällen“ des Planes und Bauens, die in der Summe doch das größte Bauvolumen ausmachen?

„Die Realität ist nicht einheitlich,“ so Frauke Burgdorff, „Sie setzt sich – wenn man es so formulieren will – aus unterschiedlichen Wirklichkeiten zusammen. Obwohl die jeweilige Wirklichkeit aus mess- und fassbaren Dingen besteht, wird sie wahlweise von unterschiedlichen Parteien anders wahrgenommen oder Teile von ihr werden bewusst ausgeblendet und nicht beachtet.“

„Realität [Bauen]“, der Jahreskongress der Initiative StadtBauKultur NRW, hat sich diesen komplexen Zusammenhang zum Thema gemacht. In Arbeitskreisen, Diskussionen und Vortragsreihen wurden die Qualitätsspielräume des Alltags analysiert und Wirklichkeiten der Baukultur miteinander konfrontiert.

Was prägt den baukulturellen Alltag?

Das Kongresskonzept wurde von Frauke Burgdorff, Yasemin Utku und Leonhard Lagos entwickelt und im Diskurs mit aktiv bauenden Architekten komplettiert. Zum Kongress eingeladen waren Entwerfer, Stadtplaner und Forscher, Bauträger und Immobilienentwickler. In der Gegenüberstellung der unterschiedlichen Interpretationen der Realität des baukulturellen Alltages suchten die Organisatoren „den geschärften Blick auf das Realisierbare innerhalb der scheinbar engen Grenzen der jeweils eigenen Wirklichkeit“.

Für den Einstieg in die „Realität [Bauen]“ wurden eine Phänomenologin (Susanne Hauser), einen Projektentwickler und Bauträger (Burkhard Drescher) und einen Architekten (Jean-Philippe Vassal) eingeladen. Sie stellten ihre jeweilige Position der Alltagswahrnehmung und -praxis dar.

Aus unterschiedlichen Blickwinkeln und in vier Arbeitsgruppen beschäftigten sich die Kongressteilnehmer mit Themen die meist am Rande der aktuellen Baukulturdebatten zu finden sind: Sperrige Themen, wie Einfallstrassen, Einfamilienhäuser, Gewerbegebiete und Quartiersentwicklungen standen auf der Tagesordnung.

Denn „gerade diese Bau- und Planungsanlässe, die scheinbar nebensächlichen urbanen oder disurbanen Bauereignisse machen das Gros der Entwicklung aus. Sie prägen unsere Räume nachhaltig – im Guten wie im Schlechten“. Eine der vier Arbeitsgruppen, mit dem Titel „Initiative“, setzte sich z.B. mit der Frage auseinander, wer die treibende Kraft für eine Verbesserung der baukulturellen Qualität bei der Entwicklung von Nachbarschaften und Quartieren sein kann und sollte.

Kommunikation, aber wie?

Ein Fazit, das sich in allen Arbeitsgruppen herauskristallisierte: Bau- und Planungsfachleute müssen sowohl untereinander, als auch gegenüber den Bewohnern einer Stadt ihre Kommunikationsfähigkeit zurückgewinnen. Denn in den hoch spezialisierten Handlungsfeldern der Planungslandschaft „scheint es zunehmend schwieriger, Qualität als Basis für eine stabile ökonomische Entwicklung darzustellen. Und daran ist weniger die schlechte Wirtschaftslage als die interne und externe Kommunikation schuld.“ Mit dem Kongress wurde eine Auseinadersetzung begonnen, die auch in Zukunft die Initiative Stadtbaukultur beschäftigen wird, „Denn es ist deutlich geworden, dass die konstruierten Feindschaften zwischen baukulturell Gutmeinenden und Missetätern so nicht haltbar sind. Der Dialog zwischen den Positionen, das vorbehaltlose „Kennenlernen“ der Arbeits- und Wirkmechanismen des jeweilig anderen ist essentiell, um in Zukunft das heimliche Motto des Kongresses Wirklichkeit werden zu lassen: Jammern verboten, Pragmatismus erwünscht!“

Der Werkstattbericht #3 und die Zusammenfassung des Kongresses, wurde von Yasemin Utku zusammengestellt und soll den Lesern Diskussionsstoff und Anregungen bieten sich mit Positionen und Themen zu Baukulturdebatten beschäftigen, die bisher wenig Zugang hatten.

Die lesenswerte Kongresszusammenfassung steht ab sofort zum Download als PDF-File bereit. Die gedruckte Ausgabe kann im Europäischen Haus der Stadtkultur begrenzt kostenfrei bestellt werden.

Barbara Schlei
Redaktion

realität bauen (Image/Foto)