Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

„Wir sind keine Schreibtischtäter“

Der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz wird 100 Jahre alt. Ein Gespräch mit Geschäftsführer Dr. Thomas Otten über Anfänge und Ziele des Vereins.

Heimat ist da, wo man sich wohl fühlt – eine Definition, der wohl viele Menschen zustimmen würden. Doch wer seine Heimat schätzt, der muss sie auch erhalten, das wusste auch Paul Clemen (1866-1947), als er am 20. Oktober 1906 im Gürzenich dazu aufrief, einen Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz zu gründen.

Als Provinzialkonservator der Rheinlande hatte sich der Kunsthistoriker den Erhalt von Denkmälern, von Natur und Landschaft auf die Fahnen geschrieben. 100 Jahre später sind seine Ziele aktueller denn je, der Rheinische Verein begutachtet und berät, informiert und gestaltet Projekte rund um das Thema Denkmalpflege und Naturschutz. Auch der Begriff Heimat ist längst nicht aus der Mode gekommen. Er wird die Menschen weiterhin beschäftigen, das jedenfalls prophezeit Geschäftsführer Dr. Thomas Otten.

130 Aktionen im Jubiläumsjahr

„Erhalten und Gestalten“, die Ziele des promovierten Archäologen sind schnell formuliert. Seit sechs Jahren führt Otten die Amtsgeschäfte des Vereins, koordiniert 5200 Einzelmitglieder in elf Kreis- und Regionalverbänden. Sie sind der Kern des Vereins, sie organisieren ehrenamtlich Aktionen, Vorträge und Exkursionen rund um das Thema Denkmalpflege.

Im Jubiläumsjahr soll es 130 Veranstaltungen geben, Exkursionen und Vortragsabende, Museumsbesuche und Podiumsdiskussionen. „Finissage“ der Feierlichkeiten wird die Ausstellung „Von den Göttern zu Gott. Frühes Christentum im Rheinland“ werden, ein Projekt mit dem Rheinischen LandesMuseum Bonn, das Otten mitkuratiert hat. „Einige Exponate sind wirklich außergewöhnlich“, zählt der Archäologe Besonderheiten auf, die ab dem 13. Dezember in Bonn zu sehen sind: Neben dem so genannten Leboinus-Kelch aus dem 8. Jahrhundert, der aus Utrecht ins Rheinland kommt, wird ein römischer Militärhelm aus Maastricht gezeigt. Das Besondere: Die Arbeit aus dem 4. Jahrhundert trägt ein Kreuz auf der Stirnseite.

Denkmalpflege im Sinne von Paul Clemen

„Unsere Mitglieder sind keine Schreibtischtäter“, sagt der Geschäftsführer. Ganz im Sinne des Vereingründers legen die Vereinsmitglieder tatsächlich selbst Hand an, wenn es um den Erhalt von Kulturlandschaften geht, werden Fundamente freigelegt oder Parkanlagen neu geordnet wie beim jüngsten Projekt des Kölner Ortsvereins, der sich im Klettenbergpark engagiert. Clemen selbst muss ein Mann der Tat gewesen sein: Zu Fuß, mit dem Zug oder Fahrrad sei der Vereinsgründer einst mit Skizzenblock und Fotoapparat seiner Tätigkeit als Denkmalpfleger nachgegangen, wie Otten erzählt. Um die Jahrhundertwende legte Clemen die „Kunstdenkmäler der Rheinprovinz“ vor, ein Mammutwerk, das der heutigen Denkmalpflege als wichtiges Dokument dient.

Arbeit über die Grenzen von Bundesländern hinaus

Auch der außergewöhnlich große Zuständigkeitsbereich des Rheinischen Vereins ist auf Clemen zurück zu führen. Als Provinzkonservator war er Bundesland übergreifend für das Gebiet der Preußischen Rheinprovinz zuständig. Auch heute noch ist der Rheinische Verein in einem Gebiet zwischen Nordrhein bis nach Rheinland-Pfalz, im Saarland und im Rheingau tätig. Drei Burgen gehören zum Vereinsbesitz, die der Verein erhält und unterhält: Die Burg Stahleck in Bacharach am Mittelrhein, zudem die Ruinen Stahlberg in Bacharach-Steeg und die Virneburg bei Mayen.

„Zur Not sind wir auch unbequem“

„Wir verstehen uns als Vermittler zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit“, sagt Otten, der die Bürgernähe seines Vereins betont: Clemen hatte eine Institution für und mit den Bürgern gründen wollen, die parallel zum amtlichen Denkmalschutz das Besondere in Kultur, Geschichte und Landschaft des Rheinlands erhalten wollte. Die Zeugnisse vergangener Zeiten erhalten – dieses Ziel will Otten auch in Zukunft verfolgen, „wenn es sein muss, dann werden wir auch unbequem“.

Der Verein berät Bürger ebenso wie Institutionen und Fachämter, will aufmerksam machen, wenn etwa politische Entscheidungen oder städteplanerische Entwicklungen Kultur und Umwelt bedrohen. Welche Projekte liegen Otten zurzeit besonders am Herzen? „Die geplante Entkernung des Gerling-Gebäudes macht mir große Sorgen“, sagt der Geschäftsführer, der verhindern will, dass hier nur noch Denkmalpflege der Außenfassade betrieben wird. Er will Gestaltung zulassen, aber in erster Linie erhalten – ganz im Sinne von Paul Clemen.

Das Festprogramm zum 100. Jubiläums des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz ist im Internet abrufbar.

Paul Clemen (1866-1947), gründete 1906 den Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz.

Der Vorstand des Rheinischen Vereins mit Geschäftsführer Dr. Thomas Otten (2. von rechts).