Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Die schönste Lücke in NRW

Architektenkammer zeichnet vorbildliche Nutzung von innerstädtischen Brachflächen aus

Warum muss eine Baulücke immer einfach nur zugebaut werden? Warum nicht einfach mit einem Garten, einer Spielfläche oder Kunst die Lücke schließen!

1000 Baulücken in NRW

Seit drei Jahren rückt die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen mit Nachdruck die Problematik der ungenutzten Baulücken in unseren Städten in den Fokus der (Fach)-Öffentlichkeit mit dem Ziel, die Diskussion zu initiieren und vor allem die Eigentümer zum Nachdenken anzuregen. Zum Abschluss des Aktionsprogramms (Foto-Dokumentation von über 1000 Baulücken, öffentliche Ideenwettbewerbe – koelnarchitektur berichtete – Veranstaltungen) präsentiert die Architektenkammer bis zum 01. August im Haus der Architekten die rund 30 eingereichten Arbeiten. Alle Projekte wurden zwischen 2000 und 2005 gebaut und befindet sich natürlich in Nordrhein-Westfalen. Erwähnenswert ist allerdings, dass rund die Hälfte der Arbeiten aus Köln stammt und dass die ersten drei Preise an Kölner Büros verliehen wurden!

Die Jury

Eine unabhängige Jury, der Sigurd Trommer, Stadtbaurat Bonn (Vors.), Hans-Dieter Collinet (MBV NRW), Jörg Ebers (Architekt, Berlin), Klaus Harnischmacher (Vorstandsvorsitzender der Neusser Bauverein), Hartmut Miksch (Präs. AKNW) und Wolfgang Nagel (Chefredakteur HÄUSER) angehörten, urteilte nach den folgenden Kriterien: städtebauliche Einbindung, Nutzung und Gestaltung sowie Ökonomie und Ökologie.

Warum gibt es Lücken? Und vor allem warum passiert meist nichts damit?

Meist handelt es sich um Überbleibsel aus dem Krieg, für die sich niemand verantwortlich fühlt. Oft fehlen die Erben oder es ist einfach zu viel Aufwand für den Besitzer. Aber auch stillgelegte Produktionshallen werden zu Baulücken im Stadtgefüge. Hinzu kommen die Abstandsflächenproblematik oder baurechtliche Restriktionen, welche die potenziellen Bauherren abschrecken.

Dass und vor allem wie es funktionieren kann, zeigen die ausgewählten Projekte.

Von der Baracke zum Stadthaus, von der ungenutzten Produktionshalle zu zeitgemäßen Wohnungen, von der Hinterhofwerkstatt zum innerstädtischen Wohnen, vom Schandfleck zum Schmuckstück, von der banalen Lückenbebauung zur sinnvollen Nachverdichtung – durch die meist optimale Lage der Baulücke liegt die neue Nutzung auf der Hand: innerstädtisches Wohnen!

Viele Arbeiten schließen einfach die Lücke bündig ab – sei es homogen im Stil der Randbebauung oder kontrastreich durch Materialmix. Dass es anders geht, zeigen Döring Dahmen Jaeressen Architekten aus Düsseldorf: „Von Grau in Grau zum Wohnen in grünen Gärten“ nennt sich die neue Wohnbebauung in Köln-Nippes. Während die Außenkante die Lücke bündig schließt, besticht die aufgelockerte Bebauung im Blockinneren. Grüne Gärten, Terrassen, Freiräume entstehen – mitten in der Stadt.

Die Preisträger

Unten der Anerkennungen und Preisen treffen wir auf altbekannte Namen: „legal-illegal“ – der rote, vielwinklige Baukörper von Manuel Herz aus Köln, dessen Form sich aus den baurechtlichen Bestimmungen herleitet, erhält eine Anerkennung.

Dass man aus einem fast unmöglich bebaubaren Grundstück noch ein Schmuckstück zaubern kann, beweist das Atelier Prof. Fritschi, Stähl + Baum aus Düsseldorf. Aus dem Preisgericht: „Auf einem innerörtlichen Restgrundstück, das u. a. wegen einer zu erhaltenden Eiche und den Resten einer historischen Stadtbefestigung als nahezu unbebaubar galt, entstanden zwei Einfamilienhäuser in moderner Architektursprache. Konsequent unter Berücksichtigung der bestehenden Restriktionen entworfen, weisen die Bauten sowohl eine unverwechselbare äußere Gestaltung als auch großzügige, qualitätsvolle Innenräume auf, die vielfältige Bezüge zu dem stadträumlich bedeutenden Außenraum eingehen.“

Gerade das Nicht-Bebauen war hier die Lösung für den Lückenschluss!

Den 1. Preis geht an b&k brandlhuber & kniess mit dem Stavenhof in Köln. Trotz schmaler Parzelle und äußerst heterogener Randbebauung gelang es den Architekten, durch räumliche Staffelungen natürliche Freiräume und dadurch qualitätsvollen Wohnraum zu schaffen. „ …die komplexe räumliche Struktur beweist die Auseinandersetzung des Verfassers mit der Bauaufgabe auf einem hohen intellektuellen Niveau“, lobt das Preisgericht.

Prof. Peter Kulka + Henryk Urbanietz gewinnen den 2. Preis. Die Lücke in der Dagobertstraße in Köln ist keine normale Lücke – es handelt sich um eine unbebaute Straßenecke ohne nennenswerte rückwärtige Belichtungsmöglichkeit. Der neue Bau folgt den Straßenfluchten, verleiht der Ecke jedoch durch seine kubische Gestalt, die nicht ablesbare Geschossigkeit, die scheinbar zufällige Anordnung von Fensteröffnungen und den spektakulär in den Straßenraum auskragenden Erker eine neue, spannende Identität. Formal selbstbewusst, aber dennoch städtebaulich integriert – so die Jury. Belichtet wird das Wohn- und Praxisgebäude übrigens durch horizontale und vertikale Einschnitte.

„Von der Restparzelle zur Arztpraxis“ – luczak architekten errichteten in Köln-Deutz einen eleganten, transparenten Lückenschluss und erhalten den 3. Preis. Die äußerst typische Baulückensituation besticht durch eine harmonische Material- und Formenwahl. Das Gebäude orientiert sich in Geschossigkeit, Kubatur und Traufhöhe an der Nachbarbebauung und öffnet sich großzügig zum Garten. Verbunden mit der über Dach belichteten zentralen Treppenanlage entstehen auf diese Weise offene, helle Innenräume von hoher Qualität.

Sehr zu erwähnen ist der 4. Preis: In einer extrem schmalen Lücke (3,60 m!), die zuvor mit einer Garage bebaut war, entsteht ein eigenständiges Bürogebäude und wird zum Bindeglied der Nachbarbebauung. Das klingt widersprüchlich, doch gerade durch die kontrastreiche Materialwahl und die Höhenentwicklung schließt der Neubau nicht nur eine unansehnliche, als baurechtliche Abstandsfläche zu schmale Lücke zwischen zwei Gebäuden, sondern wird darüber hinaus zur baulichen Visitenkarte der Nutzer. Die Architekten: landheer I architekten aus Münster.

Beim Spazieren durch die ansprechend angeordnete Ausstellung fällt eines immer wieder auf: Rot ist in! 1/5 der ausgestellten Arbeiten setzt auf diese Farbe.

Aber auch den Materialmix bevorzugen die Architekten. Glas neben Backstein, Kunststoffplatten neben Putz – dies wirkt oft ebenso harmonisch wie die homogene Alternative – ohne sich unterzuordnen oder historisierend anzubiedern.

Weiter so! Es gibt noch viele Lücken zu schließen!

Natalie Gemmrig

Die Ausstellung läuft noch bis zum 01. August 2006 im Haus der Architekten in Düsseldorf. Öffnungszeiten: Mo – Fr 9 – 17 Uhr

Lesen Sie auch zum Thema:

17.1.2006

->LückenSchluss!

14.10.2004

->Mut zur Lücke …

3.11.2003

->Pro Stadt – Contra Lücke

b&k

1. Preis: b&k, Köln

Kulka

2. Preis: Prof. Peter Kulka + Henryk Urbanietz, Köln

Luczak

3. Preis: luczak architekten, Köln

Landheer

4. Preis: landheer I architekten, Münster

Döring

Döring Dahmen Jaeressen Architekten, Düsseldorf

Fritschi

Anerkennung: Atelier Prof. Fritschi, Stähl + Baum, Düsseldorf