Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Schrumpfende Städte

Vortrag von Philipp Oswalt in der Hochschule für Medien

Es ist wohl kein Zufall, dass die Auftaktveranstaltung der „European Kunsthalle Köln“ sich mit städtischen Phänomenen beschäftigt. Ist doch eine der zentralen Fragen dieser 31 aktiven Tage im März, wie sich eine neue Kunsthalle im städtischen Raum platzieren kann und wie ein neuartiges räumliches und städtisches Konzept für eine Kunsthalle angesichts der vielen aktuellen Veränderungen unserer Städte aussehen könnte.

Was ist Schrumpfung?

In seinem Vortrag stellte der Berliner Architekt und Städtebauer Philipp Oswalt ein von ihm geleitetes Forschungsprojekt über Schrumpfende Städte vor. Das über drei Jahre entwickelte Initiativprojekt der Kulturstiftung des Bundes, präsentierte seine Ergebnisse zwischen November 2005 und Februar 2006 in zwei Ausstellungen (Halle und Leipzig).

Ausgangspunkt bildet die dramatische Situation von Wohnungsleerstand, hoher Arbeitslosigkeit und Deindustrialisierung in einigen Regionen vor allem Ostdeutschlands. Diese Entwicklung fordert ein Umdenken im Hinblick auf traditionelle Vorstellungen unserer Städte. Eine ausschließliche Lösung kann nicht in der staatliche Finanzierung von Wohnungsabriss und der Aufwertung von bestimmten Wohnquartieren bestehen, zumal solche Maßnahmen weitere Probleme wie die Suburbanisierung teilweise noch unterstützen. Das Projekt hinterfragt also die städtebaulichen Perspektiven, die einen angemessenen Umgang mit diesen für uns recht neuen Problemen darstellen und sucht hierfür nach planerischen Ansätzen.

Schrumpfende Städte – globale Tendenz

Philipp Oswalts Zahlen und Statistiken sind alarmierend. Auch wird deutlich, dass das Problem der Schrumpfung weltweit besteht und deshalb Strategien und Planungen, die sich damit auseinandersetzen, länderübergreifend voneinander profitieren sollten. Abwanderungen, wie wir sie im Zusammenhang mit der jüngeren Deutschen Geschichte, vor allen Dingen in einigen Teilen Ostdeutschland beobachten, erhalten so einen neuen Kontext. Es gibt sie nämlich überall, die schrumpfenden Städte und die wachsenden Vorstädte, die rapide Zunahme an Arbeitslosigkeit und der daraus folgenden Verarmung, die auch im Stadtbild erkennbar sind und unser Verständnis für Stadt langfristig verändern werden.

Zur Veranschaulichung zeigte Oswalt Beispiele und Zahlen aus Detroit USA),Manchester/Liverpool (Großbritannien), Ivanovo (Russland) und Halle/Leipzig (Deutschland). Die traurigen Bilder von verlassenen Innenstädten, leeren Wohnvierteln, und undefinierten Stadträumen führten uns absurde urbane Situationen vor Augen. Leider beschränkte sich der ansonsten sehr spannende Vortrag nur auf die erste Phase des gesamten Projektes. Der zweite Teil, der sich mit konkreten Handlungsstrategien für Ostdeutschland beschäftigt, blieb in diesem Vortrag offen. Wer tiefer ins Thema einsteigen möchte, der sollte im gerade erschienenen zweiten Buch Schrumpfende Städte nachgelesen.

20.000 QM X 5 JAHRE

Auf einer vollkommen anderen Ebene ist das Projekt zur Zwischen- und Nachnutzung des Palastes der Republik angesiedelt. Hier entwickelte Philipp Oswalt mit seinem Entwurfsteam Urban Catalyst planerische Strategien, die zum Schluss seines Vortrages noch einen konkreten Bezug zu der aktuellen Situation in Köln herstellen sollten.

Gerade wurde endgültig der umstrittene Abriss des Palastes beschlossen und schon hatten die Autoren der sogenannten Zwischenpalastnutzung, die bereits den Rohbau des Gebäudes in den letzten zwei Jahren kulturell mit Leben füllten, eine neue Idee. Das Konzept für die Nutzung der Untergeschosse ging zunächst von dem geplanten Abriss und dem kompletten Verfüllen mit Sand aus. Statt jedoch die Restfläche zwischen Mitte März und Juni 2006 mit 205.000 Tonnen Sand zu verfüllen, schlugen Urban Catalyst vor, lediglich die statisch erforderlichen 21.600 Tonnen einzubringen. Auf diese Weise würde die ehemaligen Kellerflächen erhalten bleiben und zu gleichen finanziellen Bedingungen eine kulturelle Plattform entstehen, die mindestens über einen Zeitraum von 5 Jahren genutzt werden könnte.

Wirkt dieser letzte Nutzungsvorschlag für den verlorenen Palast der Republik auch etwas verzweifelt, so zeigt der gesamte Prozess bis zum mittlerweile begonnenen Abriss doch deutlich , dass für unwegsame Probleme durchaus einmal planerisch jenseits der bekannten Lösungswege gedacht werden sollte, um wirklich sinnvolle Strategien zu entwickeln. In diesem Sinne sind Köln und seiner „European Kunsthalle“ noch viele gute Anregungen im Laufe der nächsten Veranstaltungstage im März zu wünschen.

Ragnhild Klußmann

Weitere Infos zur der Forschungsarbeit „Schrumpfende Städte“

Im Verlag Hatje Cantz sind zwei Bücher zur Forschungsarbeit erschienen:

Schrumpfende Städte.

Band 1: Internationale Untersuchung.

Band 2: Handlungskonzepte

Das Projekt zum Palast der Republik ist im Rahmen der Gruppe

urban catalyst

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Detroit: ein Bild der Suburbanisierung

Foto: ‚Schrumpfende Städte‘

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Urbane Landwirtschaft als Überlebensstrategie (USA)

Foto: ‚Schrumpfende Städte‘

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Abriss von Wohnungen in Wolfen

Foto: ‚Schrumpfende Städte‘

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Zwischenpalastnutzung in Berlin: Performance

Foto: ‚Schrumpfende Städte‘

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Palast der Republik: Nutzungsvorschlag für die Untergeschosse nach dem Abriss

Foto: Philipp Oswalt