Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

plan05: Alles Anders

Ein Film von Lola Meyer und Kai Dolata über zwei „wilde Siedlungen“ in Köln. Zwei Mal wohnen ohne bzw. fast ohne Bauauflagen.

Es hätte eine städtebauliche Versuchsanordnung sein können: Der Videofilm kontrastiert zwei Siedlungen, in denen die Bewohner baulich machen können, was sie wollen. Eine für die Upper-Class (Egelspfad) und eine für die sogenannten sozial Schwachen (Heckpfad). Es ist, als hätte das Planungsamt einmal loslassen können, um durch einen Feldversuch zu erfahren, was ohne ihre Auflagen an den sozialen Polen der Gesellschaft an Bauaktivitäten freigesetzt wird.

Jenseits der Bauvorschrift

Tatsächlich lockerte die Stadt Köln in der Siedlung Egelspfad die Bauvorschriften, um auch jene solvente Bauherrenschaft im Stadtgebiet zu halten, die sich eine selbstbestimmte Architektur verwirklichen möchte. Hier sind die Grundstücke bis zu 1.500 qm groß, die Grundstückspreise liegen bei 500 Euro je Quadratmeter.

Die Siedlung am Heckpfad ist eine der letzten „wilden“ Siedlungen Kölns. Hier wohnen ca. 400 Menschen in ca. 100 Häusern auf 100 bis 300 qm großen Grundstücken zu einer Quadratmeterpacht von 50 Cent je Quadratmeter. Alle Häuser wurden ohne Baugenehmigung auf einem Grund errichtet, der offiziell als Gartenland gepachtet ist. Ihre Existenz verdankt die Siedlung der Wohnungsnot im weitgehend zerstörten Nachkriegsköln, als hier provisorische Baracken errichtet wurden. Solche „Indianersiedlungen“ wurden mit dem Wiederaufbau meist abgerissen. Doch der Heckpfad ist bis heute geduldet.

Das Ergebnis

Und? Was zeigt der Feldversuch? Auf beiden Pfaden einige überraschende Gemeinsamkeiten über die sozialen Grenzen hinweg. Die Wohnzufriedenheit ist ebenso überdurchschnittlich wie die Identifikation mit dem Wohnort. Die Fassaden ähneln sich: hier wie dort vorkonfektioniertes Fassadenmaterial, Kleinplastiken in den Gärten, Fische in den Teichen, Garagen mit neuen – wenn auch unterschiedlich teuren – Autos, viele Zäune, viele Alarmanlagen. Und verweisen die Bewohner des Heckpfades auf eine funktionierende soziale Kontrolle, die jeden Fremden auf dem Territorium sichtet, so fällt auf dem Egelspfad jedes fremde Automobil ins Auge.

Schickte man einen Architekturkritiker durch die Siedlungen, man könnte ihm zu dem schönsten Lustschmerz verhelfen. Vor allem am Egelspfad würde er sich mit Hingabe abarbeiten und man könnte bei ihm zweifellos rigide Verordnungsfantasien beobachten. Denn was hier an stilistischem Nebeneinander existiert, das muss man erst mal am Kopf aushalten. Aus jedem geschichtlichen Zusammenhang gerissen, sieht man Stilklischees auf einer Perlenschnur aufgereiht. Und das ist ein Unterschied zum Heckpfad: Dieser ist ein historisches Zeugnis des Wiederaufbaus, wogegen am Egelspfad die gelebte Postmoderne herrscht. Pflegt man hier im stilistischen Patchworkbau überquellender Mittel den Rückzug in eine selbstgewählte soziale Isolation, existiert in dem Patchworkbau aus mangelnden finanziellen Mitteln ein vielbeschworenes soziales Miteinander mit großen Freiheiten.

Fazit

Wie schlimm das alles ist? Vermutlich weniger, als Planungsfetischisten vermuten. Einer Gesellschaft wird ein wenig kreative Grauzone an ihren Rändern kaum schaden. Zumal sie dann beobachten kann, was im nicht regulierten Fall passiert. Das mag ihre Ordnungsfantasien dämpfen, denn verglichen mit manch einer, nach allen Planungsstandards gebauten Eigenheimsiedlung, ist der Schaden eher harmlos.

Axel Joerss

Ort:

Park am Landeshaus des Landschaftsverbandes Rheinland

Züblin Baucontaineranlage

Zugang Hermann-Pünder-Straße

50679 Köln

Öffnungszeiten:

noch bis 29.09.2005, 15–20 Uhr und

30.09.2005, 15–18 Uhr

Egelspfad