Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Made in China

Zum Vortrag über die Architektur des 20. Jahrhunderts in China von Eduard Kögel

Wer an die Architektur Chinas denkt, hat wohl unwillkürlich die schnell wachsenden Megastädte vor Augen, die Verräumlichung eines Wachstums, welches unsere europäischen Vorstellungen deutlich übersteigt. Viele deutsche Büros nehmen teil an der dazugehörigen Bauexplosion und zahlreiche Großprojekte aus China werden deshalb in den letzten Jahren auch in Europa aufmerksam verfolgt. Im Vortrag von Eduard Kögel, über die Architektur des 20. Jahrhunderts in China, der die erste gemeinsame Veranstaltung des BDA mit dem Haus der Architektur darstellte, wurden diese Themen nicht oder nur sehr am Rande behandelt, obwohl ein Auftrag 1996 Kögel zur Frage nach der chinesischen Architektur geführt hat.

Was ist eigentlich chinesische Architektur?

Es ist eher eine Stilgeschichte, die Kögel beschreibt. Und diese entwickelte sich sehr plastisch entlang den politischen Umwälzungen, die China im letzten Jahrhundert erfahren hat. Der Zuhörer braucht zunächst eine Weile, um sich die architektonische Formensprache vorzustellen, die in China zu Beginn des letzten Jahrhunderts noch flächendeckend das Bild der chinesischen Architektur bestimmte. Die traditionelle Formensprache mit ihren klassischen Holzverbindungen geht auf ein Handbuch aus dem 11.Jahrhundert zurück: Erst im Zuge der sogenannten chinesischen Renaissance in den 1930er Jahren konnte dieses Buch wiederentdeckt und wissenschaftlich aufgearbeitet werden: Die „Society for Research Chinese Architecture“ hat sich nach ihrer Gründung 1931 damit beschäftigt, die Systematiken des Formenkanons zu ermitteln und wieder aufzunehmen, wenn sie auch nun in Beton ausgeführt werden.

Über Jahrhunderte hinweg wurden diese Gebäudetypologien und Konstruktionen weitergereicht, ohne dass sich aus dem Bauen ein eigener Berufsstand entwickelt hat. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis Kögels, daß die Anfänge einer geschichtlichen Betrachtung von chinesischer Architektur zunächst eher von ausländischen Instituten ausging und auch in China bis heute ein nicht wirklich erforschtes Gebiet darstellt.

Die Entwicklung von Stilen

Im Spannungsfeld zwischen Tradition und neuem internationalen Einfluß standen zunächst diejenigen europäischen Architekten, die in den ersten hier gezeigten Projekten ihre Architekturauffassung und Formensprache auf neue chinesischen Bauaufgaben (zum Beispiel Curt Rothkegel, Parlamentsgebäude in Peking, 1911) übertrugen, was zu einer Überblendung verschiedener Stilrichtungen führte. Übrig blieb als Versatzstück der traditionellen Bauweise, nur das berühmte, weit ausladende chinesische Dach. Auch in der darauffolgenden Zeit der chinesischen Renaissance (1930-1949) versuchten nun junge chinesische Architekten, diese Kluft zu überbrücken, in dem sie sich eher auf die traditionelle Formensprache zurückbesinnten. Erst mit dem Nationalstil der fünfziger Jahre in der Volksrepublik China gelang der chinesischen Architektur allmählich der Anschluß an die internationalen Entwicklungen und die Überwindung einer Art Deco Haltung, die jene Suche nach einer zeitgemäßen chinesischen Architektur begleitet hatte.

Made in China !

Kögel zeichnet in seiner Arbeit über 100 Jahre Architekturgeschichte eher die Ausnahmen, eine elitäre oder künstlerisch geprägte Entwicklung von Architekten und Bauaufgaben, nach. Wurde dabei mit dem Beginn einer Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts in China der internationale Einfluß vor allem durch die Ausbildung der chinesischen Architektengenerationen in Amerika oder Europa betont, so ist laut Kögel in den aktuellen Tendenzen durchaus eine Emanzipation zu einer eigenständigen Entwicklung und Architektursprache zu beobachten, die er ausführlicher in seinem jüngst erschienenen Buch thematisiert.

Architektengruppen wie MADA oder standardarchitecture versuchen, einerseits auf die spezifischen urbanen Lebensbedingungen in China einzugehen und andererseits alternative Konzepte zur sozialistischen Gleichförmigkeit der letzten Jahrzehnte zu entwickeln. Hier könnte eine Hoffnung für die nächsten Jahre liegen, neben all den eher quantitativ und rein wirtschaftlich orientierten Bauten auch Architekturimpulse made in China zu finden.

Eduard Kögel wurde 1960 geboren. Nach dem Studium von Stadtplanung und Städtebau an der Gesamthochschule Kassel war er von 1999-2004 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet “Planen und Bauen in außereuropäischen Region“ an der TU Darmstadt tätig. Seit 1999 ist er Vorstandsmitglied bei stadtkultur international ev., seit 2001 Chefredakteur für das deutsch-chinesische online-Magazin IDAS

Ragnhild Klußmann

china dong dayou 1934

Rathaus Greater Shanghai. Renaissancestil. Dong Dayou-1934.

Bild: Eduard Kögel

china culture hall of nations 1959

Kulturpalast der Nationalitäten in Peking. 1959

Bild: Eduard Kögel

china feng jizhong, 1980

Teepalast in Songjiang. Feng Jizhong-1980

Bild: Eduard Kögel

china ai weiwei 2000

Wohnhaus für den Künstler Ai Weiwei in Peking. Ai Weiwei- 2000 Bild: Eduard Kögel

china mada ningbo tian yi 2003

Tian Yi Platz in Ningbo. MADA s.p.a.m.- 2003

Bild: Eduard Kögel

china cover made in china

Buchcover : Made in China. Von Caroline Klein /Eduard Kögel, dva München 2005