Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Zwanziger Jahre

Architekturfotografie an Rhein und Ruhr

Fotos von Ulrich Deimel und Petra Wittmar im Museum für Angewandte Kunst

Mit den 20er Jahren werden immer noch Vorstellungen verbunden, die mit der historischen Realität wenig zu tun haben. Als die „wilden“ oder „goldenen“ Zwanziger wird häufig genug eine Epoche verklärt, die ganz anderen Wahrnehmungsformen verpflichtet war. Dies gilt auch und insbesondere für die Architektur jener Zeit, die zu unrecht fast ausschließlich mit dem Bauhaus assoziiert wird.

Zweifellos hat das Bauhaus als prägende Stilform Maßstäbe gesetzt, darüber hinaus hat jene Zeit aber auch an Rhein und Ruhr ein ungemein vielfältiges Spektrum an qualitätvoller Architektur hervorgebracht, wie das Fotoprojekt von Petra Wittmar und Ulrich Deimel eindrucksvoll belegt.

In jahrelanger Arbeit, von 1996 bis 2002, haben die Fotografen nahezu alle maßgeblichen, zwischen 1918 und 1930 im Rhein-Ruhr-Gebiet entstandenen Gebäude recherchiert und ca. 90 charakteristische Projekte ins Bild gesetzt, wobei manche Gebäude lediglich mit einer Aufnahme, andere mit einer ganzen Fotosequenz erfasst wurden.

Eine lückenlose, dokumentarische Sammlung war von vornherein nicht vorgesehen, eher ein fotografisches Essay, das die Besonderheiten dieser Bauten erfasst und die ganze Vielfalt und Widersprüchlichkeit einer Epoche sinnlich erlebbar macht, der bislang viel zu wenig Beachtung zuteil wurde.

In der Gesamtheit belegen diese Aufnahmen, dass die Architektur der Weimarer Republik überwiegend einem gemäßigt modernen oder konservativen Geist verpflichtet war. Dass dies nicht im Widerspruch zu der Qualität des Geschaffenen steht, mag erstaunen, wird aber durch die zahlreichen Fotodokumente im Detail untermauert.

Allein die Auflistung der in der Dokumentation vertretenen Baumeister wie Dominikus Böhm, Fritz Schupp, Peter Behrens oder Bruno Paul macht deutlich, dass durchaus namhafte Architekten ihre unübersehbaren Spuren hinterlassen haben. Daneben ist eine sehr beachtliche Anzahl von Bauten zu entdecken, die als „unbekannte Meisterwerke“ bezeichnet werden können. Es handelt es sich dabei um Bauwerke, die nur einem kleinen Kreis von Fachleuten bekannt sein dürften und die es – häufig genug – in der Nachbarschaft zu entdecken gilt.

Die Fotografen begnügen sich nicht mit der Erfassung eines Gesamteindruckes – im Gegenteil: Petra Wittmar und Ulrich Deimel widmen sich gerne und ausgiebig dem Detail und dem unvermuteten Blickwinkel. Auf diese Weise gewinnen sie den Bauten Aspekte ab, die selbst das scheinbar Bekannte in ein neues Licht rücken.

Mit solch höchst originellen Annäherungsformen gehen die beiden Fotografen weit über das Genre der Dokumentation hinaus. Zu recht postulieren die Bildautoren, dass ihre Fotografie „einen eigenen qualitativen Anspruch als schöpferisches Bildmedium“ erhebt.

Für die Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst wurden rund 50 Beispiele ausgewählt.

Zur Ausstellung erscheint ein Fotoband: Hatje Cantz Verlag, 152 Seiten, 78 Abbildungen in Farbe, 25 x 28 cm, Deutsch/Englisch gebunden, mit Essays von Wolfgang Pehnt, Hubertus von Ameluxen und Architekturbeschreibungen von Ulrich Bücholdt.(ISBN:3 – 7757 – 1295 – X), Preis: 39,80 €

Die Ausstellung ist noch bis zum 1. August im Museum für Angewandte Kunst zu sehen.

Öffnungszeiten:

Dienstag-Sonntag 11–17 Uhr, Mittwoch 11–20 Uhr, Montag geschlossen

Museum für Angewandte Kunst

20 bastei

Café-Restaurant Bastei, Köln (1924)

Architekt: Wilhelm Riphahn (1989-1963)

© Deimel+Wittmar

20 Disch-Haus

Büro- und Geschäftshaus Disch-Haus, Köln (1928-1930)

Architekt: Bruno Paul (1874-1968) und Franz Weber (1884-1935)

© Deimel+Wittmar

20 kirche st fronleichnam

Katholische Kirche St. Fronleichnam, Aachen (1929-1930)

Architekt: Rudolf Schwarz (1897-1961)

© Deimel+Wittmar

20 zollverein XII

Zeche Zollverein XII, Essen (1927-1932)

Architekt: Fritz Schupp (1896-1974) und Martin Kremmer (1895-1945)

© Deimel+Wittmar

1 Kommentar

zweifelsohne eine zeit in der architektur in einer qualitaet erschafen wurde wie sie bis heute ihres gleichen sucht.