Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Nikolaus August Otto …….

….und der Strukturwandel.
Eine historische Betrachtung der Industriedenkmäler im Rechtsrheinischen.

Der schon seit Jahrzehnten sich abzeichnende Strukturwandel im rechtsrheinischen Köln erfasst in diesen Jahren auch mit großer Intensität das Gebiet zwischen Deutz und Mülheim. An der Verbindungsstraße zwischen diesen alten rechtsrheinischen Städten entwickelte sich seit etwa 1840 ein Industriegebiet besonderer Güte und – aus heutiger Sicht betrachtet – von beträchtlichem historischen Wert. Die im Stadtentwicklungsamt der Stadt Köln bereits fortgeschrittene Rahmenplanung für dieses Gebiet und der beachtenswerte Workshop „Rechtsrheinisches Köln“ macht es sinnvoll ja geradezu notwendig, sich noch einmal die geschichtliche Entwicklung und die erhaltenen Industriedenkmäler vor Augen zu führen. Die Recherchen führten dabei zu geradezu spektakulären Neuentdeckungen: die Möhring-Halle von 1902 auf dem Gelände der Gasmotorenfabrik Deutz und die Reste der Schwebebahn-Teststrecke von 1893 gehören zu den Inkunabeln der Industriegeschichte Kölns.

Die 1864 in Köln an der Servasstraße hinter dem Hauptbahnhof gegründete und 1867 an die Deutz-Mülheimer Straße verlegte Gasmotorenfabrik Deutz von Nikolaus August Otto und Eugen Langen war die erste Motorenfabrik der Welt. Otto hatte mit seinen Erfindungen – u. a. des Viertaktverfahrens – eine Entwicklung eingeleitet, die viele Technikhistoriker mit der Erfindung der Dampfmaschine von James Watt gleichsetzen. Ein Jahrzehnt lang arbeiteten auch Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach, später auch Ettore Bugatti in der Deutzer Fabrik. Dieser Ort von hochrangiger technikgeschichtlicher Bedeutung wird durch eine ganze Anzahl denkmalwerter Bauten geprägt. Unter diesen Bauten ragt die Möhring-Halle heraus.

Bruno Möhring war als einer der großen Berliner Architekten der Zeit um 1900 an einer Neuformulierung der Architektur- und Stadtbauformen beteiligt. Möhring hat im Rheinland die Bonner Rheinbrücke und den Schwebebahnhof Döppersberg in Wuppertal entworfen und war an dem preisgekrönten Entwurf für den Generalbebauungsplan für Groß-Berlin beteiligt. Aus seiner Mitwirkung an der Düsseldorfer Kunst- und Gewerbe-Ausstellung 1902 ging die berühmte Maschinenhalle der Zeche Zollern 2/4 in Dortmund-Bövinghausen hervor. Der Ausstellungsbau aus Düsseldorf galt als verschollen. Ein Teil der großen Stahlfachwerkhalle für die Gutehoffnunghütte tauchte als Universitätsgebäude in Mexico-City wieder auf. Ein anderer Teil der Halle wurde nun auf dem Gelände der Gasmotorenfabrik Deutz entdeckt. Man hatte die Halle nach Ende der Ausstellung 1902 in Düsseldorf demontiert und im rechtsrheinischen Köln wiederaufgebaut.

Darüber hinaus ist das Werksgelände der Gasmotorenfabrik Deutz durch eine große Zahl denkmalwerter Backsteinbauten geprägt. Sie wurden exakt inventarisiert und sind teilweise bereits in die Denkmalliste eingetragen. Eine Fortschreibung der Denkmalliste mit allen denkmalwerten Industriebauten auf dem Gelände der heutigen Deutz AG steht aber noch aus. Wenn überhaupt eine Industrieanlage in Köln den Einsatz der Denkmalpflege lohnt, dann ist es dieses Gebiet, das zusammen mit der einzigartigen Motorensammlung der Deutz AG in Porz Geschichte und Bedeutung des Motorenbaus in Köln demonstriert.

Die Industriegeschichte des Areals zwischen Deutz und Mülheim begann jedoch schon etwas früher. Die früheste Werksgründung erfolgte durch den geradezu legendären Chemiefabrikanten Dr. Christian Wöllner. Schon dessen Vater hatte in Dünnwald eine Chemische Fabrik gegründet. Eine bemerkenswert frühe Arbeitersiedlung von 1825 in Fachwerkbauweise zeugt noch von dieser frühen Chemiefabrik. Der promovierte Sohn gründete Fabriken in Riehl und 1834 in Mülheim. In Mülheim entstand die erste Mennigefabrik Deutschlands. Sie wurde 1851 von Carl Anton Lindgens übernommen und kräftig weiterentwickelt. Backsteinbauten aus der Zeit um 1900 mit lebhaftem Farbspiel aus gelben und roten Ziegeln und eine Druckfarbenfabrik von 1951/56 prägen den Bereich.

Hochrangig ist die industriegeschichtliche Bedeutung der Maschinen- und Waggonfabrik Van der Zypen&Charlier. 1845 gegründet wurde auf dem Werksgelände seit 1893 die von Eugen Langen erfundene Schwebebahn getestet. Es muss als eine denkmalpflegerische Sensation gewertet werden, dass Teile der Teststrecke erhalten sind. Museumsplaner aus Wuppertal sschlagen eine Translozierung der Fragmente vor. Historisch sinnvoll ist jedoch die Erhaltung an Ort und Stelle, dort wo auch seit 1898 die ersten Schwebebahnwagen für Wuppertal produziert werden. Die mit der Schwebebahnteststrecke verbundenen Waggonhallen zeigen nicht nur eine imposante Backsteinarchitektur. Noch beeindruckender sind die Halleninnenkonstruktionen mit hohen Gusseisensäulen und mächtigen Holztragwerken unter den großen Satteldächern.

Auch die 1843 am Eigelstein gegründete und 1864 an die Deutz-Mülheimer Straße verlegte Kölnische Gummifäden-Fabrik vorm. Ferd. Kohlstadt und Co. zeigt beeindruckende Backsteinarchitektur. Sie ist entstanden in mehreren Bauabschnitten nach 1908 und stellt mit den großflächigen Werkstattfenstern eine Beispiel für die Anfänge der Raster- und Pfeilerarchitektur dar. Es ist ein vorgriff auf Tendenzen in der Industriearchitektur der 1920er Jahre.

Über die Werksbauten hinaus wird der Charakter des Industriegebiets zwischen Deutz und Mülheim durch Verkehrsanlagen geprägt: die Becken des Mülheimer Hafens mit dem Vollportalkran von 1963, die Viadukte der Bergisch-Märkischen Eisenbahn und deren Brücke über die Deutz-Mülheimer-Straße wie auch diese Straße selbst. Landesweit – auch nicht im Ruhrgebiet – ist eine derartige Fabrikstraße der Zeit um 1900 wie im Bereich des Auenweges mit den dominant flankierenden Backsteinbauten erhalten. Es bleibt zu hoffen, dass die Neustrukturierung diese architektonischen, städtebaulichen und historischen Werte gebührend berücksichtigt.

Walter Buschmann

Erstveröffentlichung einer ausführlichen Version zur Thematik in:

„Denkmalpflege im Rheinland“, 20. Jahrgang, Nr. 4, 2003

zum Autor:

Dr.-Ing. Walter Buschmann ist Architekt und Denkmalpfleger und seit 1980 beim Rheinischen Amt für Denkmalpflege tätig. Seit 1990 leitet er das Referat „Technik- und Industriedenkmale“. Schwerpunkte seiner Tätigkeit war und ist die Schwerindustrie im Ruhrgebiet, im Aachener Revier und im Rheinischen Braunkohlengebiet. Seit einer Bearbeitung der Kölner Rheinbrücken auch stärker mit industriehistorischen Themen dieser Stadt befasst. Als Bürger der Stadt Köln beteiligt er sich an Bürgergruppen im Kölner Westen und am Leitbildprozess.

Gasmotorenfabrik Deutz

Gasmotorenfabrik Deutz, Großmotorenbau

Quelle: Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv.

Gasmotorenfabrik 1Deutz,

Gasmotorenfabrik Deutz, um 1910

Quelle: Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv.

Gasmotorenfabrik 2Deutz

Gasmotorenfabrik Deutz, Rheinfront mit Möhring-Halle, um 1900.

Quelle: Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv.

Van der Zypen&Charlier

Van der Zypen&Charlier, Werkseingang mit blick auf eine der erhaltenen Waggonhallen, um 1900

Quelle: Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv.

2 Kommentare

„Es bleibt zu hoffen, dass die Neustrukturierung diese architektonischen, städtebaulichen und historischen Werte gebührend berücksichtigt.“

dem kann man sich nur hoffnungsvoll anschliessen, denn mit der zeit sind leider zu viele erhaltenswerte gebaeude der abrissbirne um opfer gefallen!
den stadtoberen scheint nicht klar zu sein was da auf dem spiel steht und ich hege nur wenig hoffnung, dass sich daran etwas aendern wird.
viel zu vergeben gibt es in koeln nichtmehr.
siehe sidol, khd, cfk, huppertz, etc.
auch der hafenkran wird bald nichtmehr vorhanden sein!

Heute, 30.11.04, ist es soweit: Der Hafenkran im Mülheimer Hafen wird schmuck- und kommentarlos abgebaut. Die Arbeiten haben bereits begonnen und werden in zwei bis drei Wochen abgeschlossen sein. Eine ostdeutsche Firma hat ihn zum Schrottpreis von rund 20 000 Euro erworben.