Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

„Design bestimmt das Sein“

Eine Nachlese zum Passagenprogramm 2004

Wenn durch Kölns Straßen sowohl Narren als auch schwarzgewandete Menschen pilgern, dann findet wieder das Off-Programm der Passagen statt. Jener Ausstellungsparcour der bereits zum 15 mal, rund ums Thema Möbel, Köln für eine Woche zum Designmekka werden lässt.

In friedlicher Koexistenz mit der Messe findet die, von Sabine Voggenreiter organisierte Stadtrallye im Zeichen des Stils statt. Nicht nur als Produktshow, sondern auch als Plattform für Entwürfe fern der Massenproduktion, ist das Off-Programm zur Kölner Möbelmesse angelegt. So bewegt sich das Spektrum der Designerriege zwischen arrivierten Firmen: Living Divani, Kartell, Boffi oder B&BItalia und Low Budgetprojekten. Junge Netzwerke, die Creme de la Crème des Internationalen Designs und die Hochschulen residieren für eine Woche Tür an Tür.

So vielfältig wie die Trends, und die Köpfe der Designer voll mit Ideen, sind auch die Ausstellungsorte; Veranstalter und Gastgeber sind Kölner Showrooms, klassische Einrichtungshäuser, leer stehenden Fabrikhallen Büroetagen und viele kleine und größere Galerien.

Neue Orte

Nach dem Verlust des Rheinauhafen als Ausstellungsort, waren in diesem Jahr die Spichernhöfe das neue Epizentrum der Passagen und kräfteschonend konnten hier auf wenig Fläche sowohl Möbel als auch im Entstehen begriffene Architektur bestaunt werden. Hier bauen erfreulich engagierte Investoren ein halbes Dutzend Häuser auf hohem Niveau um und aus. Während der Passagen konnten hier arrivierte Designfirmen ihr Quartier beziehen und Besucher schon mal probewohnen. Edelste italienische Sofas und belgische Küchen präsentierten sich vor ‚wilden‘ Rohbauwänden. In Zukunft sollen in dieser besten Innenstadtlage die Spichernhöfe eine attraktive Adresse für Wohnung, Arbeiten, Show-Rooms und Gastronomie werden.

Noch ist der Plural ‚Höfe‘ ein wenig zu hoch gegriffen, doch wenn die Kölner Hackeschen Höfe im ‚light Format‘ erst einmal fertig sind, darf allemal eine reizvolle neue Lokation erwartet werden. Um sich vom Trubel der Spichernhöfe zu erholen bot der Raum der Christuskirche genau das Richtige. Zu Orgelmusik konnte man sich ‚Kokoninggleich‘ in großen besitzbaren Raumskulpturen hin- und herschwingen.

Dem Trend auf der Spur

Wirklich neue Möbel fanden sich im aktuellen Passagengeschehen nur wenige. Viele Neuheiten erinnerten auch in diesem Jahr an den nostalgischen Rückgriff in die zukunftsgläubigen 60er. Vergangenem Einrichtungsglück wird retrosüchtig in amöboiden Plastikschalen gehuldigt. Besonders in den vielen kleinen Galerien im Belgischen Viertel.

Highlight hier die Singletapete, wer dem Trend folgt und alleine lebt, tapeziert sich einfach sein gegenüber an die Wand, nie schlecht gelaunt und unrasiert. Nach schwelgen im Designfieber stellte Casa Cane, mittlerweile schon traditionell die Bodenhaftung wieder her. Im Cleanicum zeigte die Gruppe in diesem Jahr, „Möbel, die keiner braucht“, z.B. die Schrammatte, ein Fußabtreter der besonderen Art.

Erschwert wird die Blickrichtung nach dem Trend durch das schier unerschöpfliche Repertoire an Formen, Farben und Materialien. Klassisch geradlinige Formen konkurrieren mit runden, blasigen und amorphen Objekten. Hochwertige Hölzer mit gewölbtem Kunststoff. Seriöses Schwarz und Filzgrau kontrastiert mit Rot/Orange- und Grüntönen. Wenn bei allem Wildwuchs überhaupt ein Trend auszumachen ist, dann ist dies allenfalls die Installation bühnenreifer Raumszenarien.

Wesendlich glamouröser, aber nicht minder Marketing orientiert verlief die Show im zweiten neuen Zentrum der Passagen. Im ehemaligen Gebäude der Bundesbahndirektion konnte bewiesen werden, dass Design und Barock kein Widerspruch in sich sind. Stylpark, Veranstalter der schwülstig schönen Schau, gilt als die größte Datenbank für Produktgestaltung, eine Promotionbörse im Internet und so kann auch die Veranstaltung in der ehemaligen Bundesbahndirektion gewertet werden: Reizvoller Rahmen, pompöse Ausstellung, die durchaus Spaß am Experiment und Aufbruch statt Depression signalisierte. Im Passagenprogramm ungewöhnlich und ärgerlich, das gerade hier, wo eine Ausstellung im besonderen Maße als Produktschau angelegt war, am Wochenende 5 Euro Eintritt verlangt wurden. Trotzdem gab es noch immer genügend Gründe für einen Passagen-Rundgang. Zum Beispiel im Eigelstein.

Identifiziert – das Beste dieses Jahr

Eines der ästhetischsten Projekte und völlig ab der Trendsuche zeigte die Agentur rendel & spitz im Eigelstein, ’nicht identifiziert-unidentified‘. Den Probanten erwartete ein langer schulterbreiter gelber Kunststoffschlauch an dessen Ende, Nordseequallen schwammen. Kontemplativ, schön, medienwirksam und geheim, denn in diesem Jahr wurde der Designer nicht genannt. Der Fokus lag auf dem „Was“ und dem „Warum“ nicht auf „Wer“ und „Wie“. Wer trotzdem neugierig ist muss zwischen den Zeilen lesen.

Der einwöchige, über die Stadt verteilte Veranstaltungsreigen, richtet sich nicht nur an Einrichtungswillige und sportliche Cocktailtrinker. Hier wird der Nachwuchs gefördert, Prototypen vorgestellt und die Hochschulen üben den lockeren Umgang mit Design und dessen Vermarktung. International beachtet – kulturell und wirtschaftlich, denn die Szene ist jung und aufstrebend. Auch Produzenten halten Ausschau und sind auf der Suche nach neuen Labels. Ein Designparcours, wie der der Passsagen kann nicht die Aufgabe haben ein breites Verständnis für Gestaltung zu wecken, doch werden möglicherweise die Augen geschult, die Sinne geschärft und die Besucher fit gemacht für das tägliche Leben in „Designdschungel“.

Barbara Schlei
Redaktion

passagen 2004

Die Membran zeichnet außen jede Bewegung ab um kurz danach wieder völlig unberührt zu sein.

rendel & spitz

passagen 2004

Am Ende warten durch’s Wasser wabernde Quallen.

rendel & spitz

passagen st.pg

Die Single-Tapete:

Kleb‘ Dir eine

passagen 2004 5

Austellung in der ehemaligen Bundesbahndirektion.

passagen 2004 1

Eingangshalle der ehemaligen Bundesbahndirektion.