Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Viel Pragmatismus wenig Visionen

Der neue Dezernent für Stadtentwicklung stellte sich im BDA Montagsgespräch zur Diskussion.

Stimmen Sie über den neuen Zuschnitt des Amtes ab!

Wer ist Bernd Streitberger? Seit dem 01.01.2004 Dezernenten für Stadtentwicklung, Planung und Bauen, Fruhner-Nachfolger, Christdemokrat und für die nächsten acht Jahre vom Rat der Stadt gewählt.

Wer wissen wollte, was die Stadt und die Bürger von ihm zu erwarten haben und wie der neue Dezernent Baukultur und Stadtentwicklung gestalten will, dem bot das BDA-Gespräch am 26.12.04 eine gute Gelegenheit, sich vom ’neuen Mann‘ an der Spitze der Bauverwaltung einen ersten Eindruck zu verschaffen.

Das Gespräch begleiteten Christian Schaller, BDA, und Prof. Carl Fingerhut, Mentor des Gestaltungsbeirates der Stadt. Im Raum des bis auf den letzten Platz gefüllten Dom-Forums stellte sich der, wie er bekannte „schwer nervöse“, neue Dezernatsleiter der kritischen Architektenhörerschaft, um sich darauf Abklopfen zu lassen, ob denn mit ihm gut bauen sei. Der 54jährige Streitberger blickt auf eine erfolgreiche, über 20-jährige Berufserfahrung zurück seit er in Dortmund das Studium der Raumplanung beendet hat. Sein Weg führte ihn als Leiter der Bauressorts von Büren (Kreis Paderborn), Rüthen (Soest), Oelde, über Fulda nach Kassel und schließlich nach Köln.

„unser Mann“ für Baukultur?

Er ist der Wunschkandidat der Politiker, schenkt man den Worten von Karl-Jürgen Klipper vom 24.9.03 glauben, der ihn als „unser Mann“ bezeichnete. Was bringt er Neues mit, wie wird sich seine Berufung auf die Baukultur in Köln auswirken? Im Reisegepäck hat er viel Erfahrung mitgebracht. Die vielen losen Stränge, oder auch „freiliegenden Nervenenden“, die in Köln unverbunden ein Eigenleben führen, will er bündeln, Rechts- und Linksrheinisches stärker zu einer Stadt formieren und die einzelnen Großprojekte miteinander verknüpfen (z.B. Deutz: Messe, ICE-Terminal, Hochhäuser, Verkehrsknotenpunkte). Er will die Stadt nicht neu erfinden, sondern weiterbauen. Bei einer 2000-jährigen Geschichte einer Stadt könne das auch nicht anders sein. So spricht der neue Dezernent vom “ Respekt vor der gebauten Umwelt“ und bezieht dies auch auf die jüngere Baugeschichte und die vornehmen Aufgabe, diese zu erhalten. Als Beispiel nennt er die Pflasterung des Heinrich Böll Platzes, „Solches tue ihm weh“.

Für Bernd Streitberger beinhaltet das Amt auch eine Vorbildfunktion, durch das sich Achtsamkeit für die städtische Umwelt vermitteln lässt. Dem engagierten Realisten geht es also nicht nur um die Vision 2020, um prestigeträchtige Großprojekte sondern um die Details. Statt eines 6 Millionen-Etats für einen Posten, sähe er lieber 3-5 Projekte kleineren Formats realisiert. Des weiteren gilt es, zunächst die „Hausaufgaben zu machen“. Erst danach würde er sich an die großen Projekte begeben. Seine Stärken erwachsen aus der Arbeit vor Ort.

Er diagnostizierte eine zunehmende Beschleunigung der Stadtentwicklung in der Großprojekte mitunter die Lebensdauer von 25 Jahren hätten. Die bestimmende städtische Baukultur entwickle sich jedoch über einen viel längeren Zeitraum. Trotzdem müsste auch dem kurzlebigeren Zeitgeist baulich Rechnung getragen werden. Grundsätzlich sieht der neue Dezernent unsere Kultur als eine der Baukultur und möchte zum „Bauen ermuntern“.

pragmatischer Arbeitsansatz

Er sei kein „6B Stadtbaumeister“, der große Leitideen entwickelt, sondern eher ein Moderator, einer, der alle wichtigen baubeteiligten Gruppen zusammenführt. Ein Beispiel aus seiner Kasseler Zeit als Stadtbaurat, sollte dies verdeutlichen. Dort hätte es die Idee des „Leitbildes Innenstadt“ gegeben, doch ein umsetzungsfähiges Konzept wäre auch nach Jahren des Beratens und Etatverbrauchens nicht erarbeitet worden. Er suchte und fand zehn kompetente Mitarbeiter aus unterschiedlichen Ressorts der Verwaltung, die auch willens waren, sich weitergehend für ein Ergebnis zu engagieren, nahm die restlichen 20.000 DM und einen externen Moderator. Innerhalb von 3 Wochenenden konnte daraufhin ein tragfähiges Konzept erarbeitet werden. Engagement scheint ein Schlüsselbegriff für sein Arbeitsverständnis zu sein.

Er möchte die Diskursen über Baukultur kultivieren und wünscht sich „diverse Lobbies für Bauliches“, um trotz leerer Kassen Gebautes erhalten und weiterentwickeln zu können. Die Mitarbeit von Bürgerinitiativen und den Leuten vor Ort sieht er für ein Gelingen unabdingbar, „Niemand kennt die Verhältnisse vor der Haustür besser als die, die dort wohnen“.

Wege der Umsetzung

Seine Aufgaben und Möglichkeiten sieht er auch in der Herleitung und Formulierung „spezifische Regeln“ Diese Regeln sind durch Diskurse in verschiedenen Gremien zu erreichen und als „stimmiges Gerüst aus dem Ort herzuleiten“. Wichtig sind dabei die Empfehlungen des Gestaltungsbeirates der Stadt und eine funktionierende Verwaltung. Ihm sei bewusst, dass Bauherren ein natürliches Interesse daran haben, sich selber mit dem Bau zu verwirklichen. Auch deshalb müssen diese Grundsätze eindeutig sein, ohne bestehende „Baufreiheit“ einzuschränken. Mit der Einbindung der Nutzer in die Planung sieht er die Möglichkeit, eine höhere „Nutzerbelastung“ zu erzielen, also Mieter längerfristig an ein Objekt zu binden. Auf diese Art ließe sich die schnelle Stadtveränderung verlangsamen.

Aber auch Grenzen der Machbarkeit zeigte der Stadtbauchef auf. Angesprochen auf die Entwicklung des „Museumsloches“ erwidert er, er „werde ganz hellhörig, wenn einige anfingen, von kleiner Philharmonie zu sprechen“, anstatt von einem Kammermusiksaal.

Ein weiteres Mal verdeutlichter er am Beispiel „Offenbach Platz“ seine Prioritäten: Die Tieflegung der Nord-Süd Fahrt wäre vom Standpunkt der Baukultur erste Wahl. Bevor die Situation jedoch jahrelang in der Schwebe hinge, würde er es bevorzugen eine schnelle Entscheidung herbei zu führen und den Platz mit geringeren finanziellen Mittel sanieren.

Ebenfalls Pluspunkte brachte ihm die beabsichtigte Weiterentwicklung des Standortes Deutz ein, das auch Streitberger als Kölner Schlüsselprojekt für die Zukunft zählt. Dazu vergleicht er den Aufschwung des Standortes Kassel-Wilhelmshöhe für die nationale Wirtschaft mit der zukünftigen Bedeutung von Deutz für Europa. Rheinisch-liberal scheint er das Thema Hochhäuser zu beurteilen: „Er fände Hochhäuser schön“ und auf Köln bezogen: „Köln muss keine haben, könnte sie aber auch haben“. Auch auf die wünschenswerte Schubwirkung einer Kulturhauptstadtnominierung für das kulturelle Leben wies er hin, mit der Botschaft, „wenn man mitmacht, dann um zu gewinnen“!

Im Handgepäck, so wurde an diesem Abend deutlich, bringt der neue Dezernent Humor, Offenheit, Durchsetzungskraft, klare Ansichten und Vorstellungen mit. Echtes Unbehagen, so scheint es, macht ihm vor allem die finanzielle Situation der Stadt: Er sei „gelinde gesagt erstaunt“. An der Umsetzung seiner „Ideen der Stadtentwicklung“ auch in Zeiten leerer Kassen wird er sich messen lassen müssen. „Denn am Ende“, so Streitberger „werden sie mich an meinen Taten beurteilen“.

Jan-Henik Baur

Wie beurteilen Sie die Neubesetzung des Dezernates für Stadtentwicklung, Planung und Bauen.

streitberger

Bernd Streitberger, seit Anfang Januar Dezernenten für Stadtentwicklung, Planung und Bauen.

9 Kommentare

„Mit der Einbindung der Nutzer in die Planung sieht er die Möglichkeit, eine höhere „Nutzerbelastung“ zu erzielen, also Mieter längerfristig an ein Objekt zu binden. Auf diese Art ließe sich die schnelle Stadtveränderung verlangsamen.“
Angesichts von Globalisierungstendennzen und einer entwurzelten Mobilitätsgesellschaft, die gezwungen ist, den Arbeitsplätzen hinterherzuziehen, ist das mehr Vision als Pragmatismus, oder?

Auf die die Mitarbeit von Bürgerinitiativen legt Herr Streitberger keinen Wert. Die Verhältnisse von denen, die hier wohnen interessieren Ihn über haupt nicht. Bestes Beispiel Köln-Mülheim
„Projekt wohnen im strom“
Alles nur hohle Sprüche !!!
Hauptsache die Kasse stimmet, schön Investorenerecht.
Die Visitenkarte Mülheims
wird unwiderruflich landschafsverschandelt.
Diese überdimmensionale Billig-Geschoß-Bebauung im Überschwemmungsgebiet ist
d a s Negativ- Beispiel einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Aus der
Gesamtplanung (KHD-Gelände bis Messe) herausgerissen, mit einer versteckten Rheinuferprommenade, die zum Mussrandgrün mit Hindernissen verkommt.

Gratulation zu diesem Armutszeugniss.

mfG
S. Thelen
Infos
http://www.hafen-bi.de.vu
(ohne Werbung
http://www.sonnenhunger.de

Liebe Poller Mitbürger
Herrn Streitberger können wir den Ausbau des Poller Kirchweges verdanken.
Gesehen, den Kopf geschüttelt und gehandelt. Bitte machen Sie weiter so, auch mit der Entwicklung des Deutzer Hafens, welchen die HGK verkommen läßt.

Da hätte ich mal eine Frage! Die Bürger Kölns sind doch die Nutzer der Stadt? Oder? Warum wird mit den Bürgern keine Diskussion über stadtkernferne, attraktive und urbane neue Hochhausgebiete geführt? Die Bürger wollen kein Hochhausgespränkel quer über den gesamten Stadtkern – linkrheinisch sogar bis zur Nord-Süd-Fagrt – NEIN! HH-Kritiker werden von Herrn Hochhausschramma und seinen Mitstreitern mundtot gemacht, indem sie die Diskussion immer in die falsche JA-NEIN-Schiene lenken. Kölner wollen aber HH – jedoch nicht im Stadtkern. Paris sollte als positives Beispiel gelten. Wo bleibt also eine sinnvolle Diskussion mit den Nutzern der Stadt?

Einer der wesentlichen Entscheider für den Bau des Technischen Rathauses in Deutz (als Schassndfleck im Stil einer Atomaufbereitungsanlage vor einer der schönsten Veranstaltungshallen Europas) ist doch jetzt im Vorstand einer der Baufirmen – oder? Was ist denn eigentlich in dieser Richtung geplant, nachdem das Gespränkel von Hochhäusern quer über den gesamten Stadtkern (bis an die Nord-Süd-Fahrt) steht und den Kölnern hinterlassen wurde?

Ja ich stimme zu! Die Bürger dieser Metropole sollten ebenfalls angesprochen werden und Mitsprachrecht haben. Mir würden die Hochhäuser a 120 in Deutz sehr gut gefallen,denn dann würde mal das 21. Jahrhunder zur Geltung kommen.Ich bin ja schon froh, dass es den LVR Turm gibt.Die Kölnarena, seit langem schon sehr beliebt; Köln-Messe wird umgebaut…auch sehr schön. Das Hayet Hotel…ebenfalls eine renomierte Hotellerie.Lufthansagebäude, Messeturm und das TÜV Hochhaus in Mülheim sind auch OK! Das wars dann auch schon…der Rest ist ja einfach nur potthässlich….HALLO?!?!?!?! Die Zeiten mit den Mietskasernen ist vorbei…..

es ist unvorstellbar, dass der Herr Streitberger noch im Amte ist: Nord-Süd, Stadtarchiv und den Klingelpützpark will er nun auch platt machen. Es sind keine guten Zeiten für Köln…

Das Interview gestern in der Sendung „Lokalzeit“ , 4.11.2010, zeigte,daß der mündige Bürger für ihn wohl nicht existiert. Heimlich plant die Stadt Projekte, die dann einfach durchgezogen werden sollen. Nur durch Zufall erfahren die Bürger davon, beschweren sich massiv, werden aber nicht wahrgenommen und sollen sich mit seinen Plänen abfinden.

Es wird Zeit, daß Herr Streitberger endlich in Pension geht. Wir werden ihn kaum vermissen.