Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

höher als breit

Hochhäuser sind komplexe Maschinen, hybride Gebäude – mit meist überraschend wenig Nutzfläche. Unter den Aspekten des Ressourceneinsatzes, der Brandschutzauflagen, der Fassadenkonstruktion und der enorm großen vertikalen Erschließungsflächen muss der Bau von Hochhäusern als irrational bezeichnet werden. Ebenso irrational ist jedoch auch die Hoffnung die Hochhäuser und deren ästhetische Wirkung erzeugen. Seit dem legendären Turmbau zu Babel hat die suggestive Kraft der Verbindung von Ästhetik und Technik die Phantasie und den konstruktiven Eifer der Architekten nicht mehr verlassen. Der babylonische Vorsatz, je höher desto besser, demonstriert die Wirtschaftskraft des jeweiligen Bauherren und pflegt das Image der Kommunen mit Weltstadtflair.

Die Erfindung des Aufzugs und die Entwicklung des Stahlbaus waren die grundlegenden Voraussetzungen für die Ende des 19. Jahrhunderts einsetzenden Hochhausbau. In den USA entstanden in den Stadtzentren dichtgedrängte Hochhauskulissen.

In den meisten europäischen Städten hingegen wurde nur vereinzelt und dispers außerhalb der historischen Stadtzentren gebaut.Erst in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts setzte eine verstärkte Bautätigkeit ein. Städte wie München, Zürich, Mailand, Hamburg und Rom erließen Gestaltungsrichtlinien, die der Erhaltung der historischen Stadtkrone dienen und dezentrale Haushausstandorte entwickelten. Ähnlich den Ringkonzepten der mittelalterlichen Wehrtürme werden weit über die Dachlandschaft der Stadt hinausragende Solitäre entlang stadtbildprägenden Verkehrsachsen aufgereiht.

Doch auch Interpretationen des amerikanischen Weges, die Konzentration von Hochhausensembles in bestimmten Arealen, lassen sich in Europa beobachten: in Paris und in Frankfurt am Main etwa. In der französischen Metropole hat man die Hochhäuser ins Getto verbannt. La Défense heißt die monofunktionale Bürostadt in der langen Achse des Arc de Triomphe. In Frankfurt, der deutschen Stadt in der sich eine Hochhausentwicklung am deutlichsten durchgesetzt hat, wurden auf Drängen finanzstarker Bauherren die europäischen Grundlagen des Städtebaus verlassen. Dicht an dicht wachsen in unmittelbarer Nähe zum Stadtkern Bürobauten bis zu 265 Meter in den Himmel. Der Turm der Commerzbank von Norman Foster ist das derzeit höchste Bürogebäude Europas.

Der Blick zurück

Köln hat sich besonders lange Zeit gelassen, die Türme zu bauen, über die heute jede Großstadt glaubt verfügen zu müssen. Erst seit kurzem sprießt es auch hier vereinzelt in die Höhe: das Ringkarree am Friesenplatz, der KölnTurm im Mediapark – Hochhäuser für den Rheinauhafen und den Rudolfplatz befinden sich sogar erst im Entwurfsstadium. Dabei war die Stadt früher schon einmal von Hochhauseuphorie erfasst. Konrad Adenauer holte 1920 eigens den Hamburger Stadtbaumeister Fritz Schumacher für drei Jahre nach Köln, um das Gefüge und Bild der Stadt durch Hochhäuser zu verändern. Durch dessen maßgebliches Engagement entstanden 1924 das damals höchst Bürohaus Europas, das 18-geschossige Saturn Hochhaus von Jakob Koerfer und der 1926 von Adolf Abel entworfene Messeturm.

Der Kölner Oberbaudirektor Werner Baecker ließ in den siebziger und frühen achtziger Jahren an wichtigen Verkehrsachsen vereinzelt Solitäre bauen. Ein Kranz von Hochhäusern sollte sich um die historische Kernstadt legen. Diese durchaus konzeptionelle Anordnung der Hochhäuser entlang der Ringe und Radialen ist im realen Stadtkontext indes schwer zu erkennen. Zu vereinzelt stehen das Colonia-Haus, das Uni-Center, das Arbeitsamt und das Justizcenter, das Hochhaus an der Herkulesstrasse und das der Deutschen Krankenversicherung.

Der Blick zur anderen Seite

Das größte Potenzial für den Hochhausbau liegt ohnehin im rechtsrheinischen. Auf der Schäl Sick bieten die großen aufgelassenen Industriebrachen in Deutz, Kalk und Mühlheim und die beiden Häfen viel Platz für eine großflächige Erweiterung der City. Stadtentwicklungsdezernent K. O. Fruhner sieht durch den neuen ICE Bahnhof eine Aufwertung des Wirtschaftsstandorts Messe und durch die Erweiterung des Innenstadtbereiches über den Rhein bis nach Mühlheim einen Strukturwandel, der Köln im nationalen und internationalen Vergleich nach vorne bringt. Steuerungsprozesse für das gesamte Entwicklungsgebiet sind indes noch nicht in Sicht.

Zwar wurden, um die erfolgreiche Urbanisierung zu sichern, mehrere Wettbewerbe ausgelobt und entschieden. Allesamt hatten sie aber scheinbar Testcharakter, denn die meisten der Pläne verschwanden wieder in den Schubladen oder die beteiligten Stadtplaner und Architekten wurden aus den Verfahren ausgeschlossen. So geschehen beim geplanten ICE Terminal in Köln Deutz. Der im Wettbewerb siegreiche Entwurf der Kölner Architekten Jaspert & Steffens zeichnete sich durch ein urban verdichtetes Konzept, das vermietbare Flächen mit öffentlichen Räumen verband, aus: eine zentrale Wegeführung vom Haupteingang am historischen Bahnhofsgebäude über einen großzügigen belichteten Platz unter den Gleistrassen bis hin zu einem neuen Hauptfoyer der Messe mit vorgelagerter Freifläche. Ebenfalls vorgesehen sind drei Hochhäuser, eins davon für die Messe AG. Nach mehrfacher Überarbeitung des ersten Preises, bei der vor allem die Interessen der Hochbauinvestoren und der Messe AG zum tragen kamen, sind vor ursprünglichen Entwurf nur noch Rudimente erhalten. Korrespondierten im Wettbewerb die drei 80 bis 120 Meter schlanken Türme noch miteinander und mit den beiden in Deutz bereits bestehenden Bauten, so wurden sie in der Überarbeitung auf Investorenwunsch zu 140 Meter hohen Scheiben und mit der Breitseite parallel zum Fluss gestellt, um möglichst viel vermietbare Fläche mit Domblick anbieten zu können. Nicht nur die räumliche Beziehung untereinander wurde aufgeben, auch führt die Breitseitenstellung zu einer Scheibenwirkung und zur Addition der Flächen, so dass der Blick auf Dom und Altstadt aus vielen Sichtachsen verstellt würde.

Vor diesem Hintergrund ist die derzeit geführte Diskussion um einen vierten Hochhausneubau für die Rheinische Zusatzversorgungskasse, zwischen Hermann-Pünder-Strasse und der Rampe zur Hohenzollernbrücke, um so unverständlicher. Der aus einem Wettbewerb Anfang der neunziger Jahre stammende Entwurf des Kölner Büros Gatermann + Schossig sah einen 106 Meter hohen Turm mit Reuleaux-Grundriss, eine Art abgerundetes Dreieck, benannt nach dem Mathemathiker Franz Reuleaux vor, dessen ausgewogene Proportion überzeugten. Nach jahrelangem Dissens soll der Turm jetzt gebaut werden, jedoch um entscheidende 16 Meter gekürzt, weil, so die offizielle Begründung, der Turm sich zwar auf der anderen Rheinseite, jedoch direkt vis-á-vis des Dom befindet – genau wie der geplante 120 Meter hohe Turm der Messe AG.

Der Blick in die Amtsstuben

Die spektakulären Großbauvorhaben im Bereich des ICE Terminals und die damit verbundene Vision einer neuen Deutzer Skyline, haben erneut eine lebhafte Debatte um die Zukunft der Kölner Stadtsilhouette und vor allem den erneuten Wunsch nach einem richtungsweisenden und verpflichtenden Kölner Hochhauskonzept ausgelöst. Dabei hatte das Stadtplanungsamt, um Wildwuchs zu verhindern, bereits 1994 Richtlinien, die mögliche Hochhausstandorte festlegen, erarbeitet und in den darauffolgenden Jahren mehrfach ergänzt.

Als Kriterien für das Kölner Hochhauskonzept wurde ein Netz von Blickbeziehungen auf den Dom, und zu den wichtigsten Baudenkmälern und deren Wirkungskreisen entwickelt. Diese Sichtachsen sollen von Hochhausbebauung frei gehalten werden, um das prägnante Stadtpanorama – die niedrige Stadt mit dem Kranz der romanische Kirchtürme, die sich um den Dom gruppieren – zu erhalten. Neben der Silhouettenentwicklung und der Untersuchung vorhandener Stadtstrukturen wurden auch ökologische Merkmale wie Ventilationsschneisen, Grünzüge und die Anbindung an den ÖPNV für die Standortwahl berücksichtigt. Mit Blick auf besonders sensible Bereiche verbannen die aus der städtebaulichen Analyse resultierenden Empfehlungen weitere Hochhausexperimente hinter die Ringe und weisen neue Areale für einen Maßstabssprung in Deutz und Mühlheim aus.

Aus Rücksicht auf wirtschaftliche Standortinteressen – die Nähe zur historischen Kernstadt gilt als attraktive Adresse – konnte sich der Stadtentwicklungsausschuss jedoch zu keiner Rechtsverbindlichkeit des schlüssigen und einsatzbereiten Konzepts entscheiden. Zu groß sind potentielle Verlockungen potentieller Investoren. Dabei stehen die Hochhausinvestoren in der Domstadt nicht gerade Schlange. Wohl deshalb lässt sich eine Skyline im linksrheinischen noch nicht ausmachen, auch wenn es kurz unter der respektvollen 150 Meter-Grenze dichter wird.

Der Blick nach oben

Das Hochhaus ist in Köln wieder Thema. Können Hochhäuser das Stadtbild positiv beeinflussen? Wie kann die Stadt ihr historisches Erbe bewahren, die unverwechselbare Silhouette erhalten und dennoch dem Investorenwunsch nach Repräsentationsbedürfnis entsprechen?

Mit der großflächigen Stadterneuerungsmaßnahme des früheren Güterbahnhofs Gereon, heute Mediapark, wurde noch auf die Weiterentwicklung der linksrheinischen Kernstadt mit ihrer kleinteiligen Struktur gesetzt. Städtebauliche Dominante des neuen autonomen Stadtquartiers, realisiert auf der Grundlage des 1987 von Eberhard Zeidler aus Toronto gewonnenen Wettbewerbs ist der mit 148 Metern 9 höfliche Meter niedriger als der Dom aufragende KölnTurm. Aber die Ausführung des KölnTurms lag in keiner glücklichen Hand. Die ehemals raffinierte mediale Leuchtkraft der Fassade vermag im aktuellen Zustand wenig zu überzeugen. Als Dauerspiegelbild finden sich, wie könnte es anders sein, der Dom und die Altstadt in Siebdruck-Wölkchen auf den Fassadenelementen. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde die Grundfläche des ursprünglichen Entwurfs vergrößert, was die Eleganz beeinträchtigt. Dennoch integriert sich der Turm als vertikaler Akzent in der Sichtachse des Rings ausgezeichnet ins Stadtbild.

Städtebaulich weniger signifikant, und fast unmerklich noch innerhalb der Ringe platziert ist Kölns jüngster Hochhauszuwachs, die neue Zentrale des Gerlingkonzern am Friesenplatz. Konzipiert ist das Ringkarree des britischen Stararchitekten Norman Foster als eine siebenstöckige Blockrandbebauung, die drei bis zu 64 Meter hohe Scheiben umgreift. Die Ringfassade greift die Traufhöhe der Umgebung auf, die darüber hinausragenden Türme steigen – Stufe für Stufe – darüber empor, ohne den proportionalen Bezug zur Umgebung zu verlieren. Um den Bau überhaupt genehmigen zu können musste die Abstandsflächen-Verordnung herabgesetzt werden. Doch sowohl die Bauherrn als auch die Stadt nutzten die Chance architektonische Qualität zu befördern.

Der Blick nach vorn

Um andere potentielle Hochhausstandorte dürfte demnächst noch kontrovers diskutiert werden. Die Zeichen für das Projekt Rheinauhafen stehen auf Baubeginn. Kernstück ist der Wettbewerbsentscheid von 1992, der die drei sogenannten Kranhäuser der Architekten Bothe Richter Teherani, Hamburg (BRT) und LINSTER Architekten, Trier favorisiert. Die damals noch im Rhein fußenden und nun nach mehrfacher Überarbeitung auf dem trockenen stehenden konstruktivistisch anmutenden Bügelhäuser werden, so befürchten Gegner, den Stadtmaßstab sprengen und das Rheinpanorama entscheidend verändern. Die unzweifelhafte Dominanz der drei annähernd 60 Meter hohen Gebäude und das Vermarktungsprinzip der mehrheitlich stadteigenen Projektentwickler “Gesellschaft für Stadtentwicklung mbh – modernes Köln” lässt sowohl in der öffentlichen als auch in der Gestaltungsdiskussion kaum Raum für die übrige, teils unter Denkmalschutz stehende Bebauung des Hafenareals. 2006 soll die Bauphase des Kölner Filetstücks abgeschlossen sein.

Bei den derzeit 17 Hochhäusern, die die 100 Meter Marke überschreiten, wird es nicht bleiben. Mit den Turmbauten im Rechtrheinischen werden zudem zwei unterschiedliche, aber dennoch korrespondierede Städte entstehen.

Die historische mit den sakralen Türmen im Westen und als Pendant die Kathedralen der Neuzeit auf der anderen Rheinseite. Türme und Zeichen hier wie dort. Doch in die Höhe bauen, dafür ist der Dom ein prägnantes Beispiel, kann in dieser Stadt etwas länger dauern.

Barbara Schlei

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1 Kommentar

Es ist faszinierend, wie sie damit umgehen! Ich selber hätte nicht den Mut dazu all das zu schreiben.
BRAVO,SEHR GUT!!

Vera Rade