Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Die Kunst ist eine Baustelle

Der Kölnische Kunstverein hat in der ‚Brücke‘ sein neues Quartier gefunden.

Mit einem Provisorium bringt der Kölnische Kunstverein neuen, wenn auch befristeten Glanz in die vielgeschmähte Verkehrsmisere Hahnenstrasse. Denn vorübergehend soll das neue Domizil des Kunstvereins sein, das er 2002 in ?der Brücke? bezog. Bei der derzeitigen finanzpolitische Situation bleibt jedoch fraglich ob ein Umzug in das geplante Kulturzentrum am Neumarkt überhaupt stattfindet. So könnte der provisorische Auftakt des KKV von Dauer sein, doch so wie sich ?die Brücke? in der Zwischenzeit gemausert hat bleibt es weiterhin fraglich wer darüber traurig ist.

Der in den 50er Jahren von Wilhelm Riphahn im städtebaulichen Rahmenplan der Hahnenstrasse entwickelte und mittlerweile denkmalgeschützte Bau, war langjähriges Quartier des ?British Council?. Nachdem die Briten 2001 ihre Kultur-Repräsentanz nach Berlin verlegten, zog nach kurzer Zwischennutzung des Vereins koelndesign, der Kölnische Kunstverein in die Brücke.

Der Wiener Architekt Adolf Krischanitz, seit 2002 mit den Umbaumaßnahmen betraut, verstand sich ein weiteres Mal in der Behandlung von historischer Bausubstanz. Ein im Innern mehrfach umgemodeltes Gebäude, das sich unzweckmäßig, eng und ein wenig muffig präsentierte, erscheint bereits nach wenigen geschickten Eingriffen hell und licht, ganz im Sinne von Riphahns ursprünglichen Vorgaben. Krischanitz, ein Bekannter der Direktorin Kathrin Rhomberg aus gemeinsamen Wiener Zeiten, versteht sich nicht zufällig auf das Thema der vorsichtigen Rekonstruktion, auch beim Umbau der Wiener Secession von J.M. Olbrich kombinierte er findig die Wahrung des ursprüngliche Zustand mit Anforderungen an zeitgemäße Ausstellungsarchitektur.

Ansatz für die Renovierungsmaßnahmen ist das was Krischanitz ?den umgekehrten Entwurfprozess? nennt: Vorgefundenes erforschen und freilegen, Verbautes entsorgen und vorsichtig ergänzen um das Haus wieder auf die Intensionen von Riphahn zurückzuführen und damit die architektonische Qualität des Gebäudes ?das der Moderne verpflichtet ist und dennoch von regionalem Kontext zeugt?, wieder sichtbar zu machen.

Krischanitz hat sich bei seiner Konzeption der Renovierungsarbeiten von jeder Vorläufigkeit verabschiedet und die vormals als Bibliothek und Lesesaal genutzte, von Riphahn bereits als Ausstellungsraum mitgedachte, ebenerdige Halle bis auf die Grundstruktur freigelegt. Zum Vorschein kam ein Raum in eigenwilliger Bauweise mit fast durchgängigen Hohlrahmen und den dazu quer gespannten Rippendecken mit einem integrierten Heizungs- und Lüftungssystem. Hier wird die Wirkungsmöglichkeit des diskreten Charmes der 50er, der die Präsenz der jungen Kunst- und Kulturszene signalisiert, besonders deutlich.

Hinsichtlich den Vorgaben Riphahns, der in der Nachkriegszeit auch einen symbolischen Ort der Begegnung im kriegszerstörten Köln schaffen wollte, wird im Zuge der Umbaumaßnahmen auch die Begegnungsstätte reaktiviert. Das Haus soll jungen Künstlern als kreativer Ort dienen. Dafür werden demnächst zehn Arbeitseinheiten im Obergeschoss zur Verfügung stehen.

Ganz bewusst vermeidet die Ausstellungsarchitektur den „white cube, die zurückhaltende Hülle, die der Kunst Priorität gibt, sie aber auch abdichtet gegen die Außenwelt. Durch die radikale Freilegung des einstigen Lesesaals erhält der Raum seine Rhythmik zurück, es gibt ein Ende und einen Anfang. Unprätentiös wird der Außenraum mit einbezogen und Zweiseitigkeit hergestellt, auf der einen Seite der noch leere Garten, auf der anderen die belebte Hahnenstrasse.

Der Prozess des Erforschens, Freilegens, Ergänzens und schließlich Festlegens im Sinn einer architektonischen Setzung ist bereits Teil des ersten Ausstellungskonzepts. Deshalb heißt es auch im Programmheft: ?wir müssen heute noch an Ihr Vorstellungsvermögen appellieren um im Namen der Kunst vor-und rücksichtslos den Raum zu behaupten…?

An der Schnittstelle von realen und imaginären Räumen arbeiten 15 Künstler, dazu gehören unter anderem: Kamal Aljafari, Cezary Bodzianowski, Thomas Kilpper, Julius Koller, Hans Schabus und Heimo Zobernig. Werner Wüterich entwarf den um ein Drittel verkleinerten Ausstellungsraum, der wie der kleine Bruder in die ehemalige Bibliothek der Brücke leicht erhöht eingebaut ist. In und um die Haus im Haus-Skulptur, platziert auf rotem Teppich, finden sich die meisten Arbeiten der aktuellen Ausstellung.

Vor dem Hintergrund des Umzuges in die Brücke thematisiert die Ausstellung die Frage wie viel Raum der Kunst zugewiesen wird in Zeiten in denen ?wirkliche? Probleme und deren dringende Bewältigung anstehen. Und welchen Raum die Kunst in der Gesellschaft beansprucht und besetzen sollte.

Als 1994 Kathrin Rhombergs Vorgänger Udo Kittelmann seine erste Ausstellung noch in den Räumen an der Cäcilienstrasse zeigte, bat er die Künstler, einen artifiziellen Baustellencharakter zu schaffen, um damit in satten Zeiten ?den Stand der Dinge? zu markieren. Jahre später entsteht die Ausstellung in der Baustelle aus der Not heraus, denn unzureichende finanzielle städtische Mittel zwingen dazu. Damit ist die Ausstellung auch Metapher für die aktuelle kulturpolische Situation in Köln. Wie sich die Zeiten ändern.

Der Kölnische Kunstverein in der „Brücke“, Hahnenstraße 6, ist dienstags bis sonntags von 13 bis 19 Uhr geöffnet. Bis zum 22. Juli ist dort die Ausstellung zu sehen. „Wir müssen heute noch an Ihr Vorstellungsvermögen appellieren, um im Namen der Kunst vor- und rücksichtslos den Raum zu behaupten, in den Sie oder wir uns gedrängt haben. Mit welchem Recht, fragen Sie jetzt sicherlich.“

Eine Filmreihe von Josef Dabernig und Deimantas Narkevicius ergänzt die Ausstellung – ab 19 Uhr am Samstag und Sonntag, 10. und 11. Mai, dann mittwochs (14., 21. 28. 5. und 11. 6.).

Barbara Schlei
Redaktion