Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Schule und Realität

Vier Arbeitsgruppen diskutierten an zwei Tagen über die künftige Entwicklung des Ehrenfelder Heliosgeländes. Die Ergebnisse wurden am 4. Februar der Öffentlichkeit präsentiert.

Mit etwa 130 Personen ist die Aula des Berufskollegs Ehrenfeld nur locker besetzt als die ersten Ergebnisse der Arbeitswerkstätten zum Heliosgelände präsentiert werden. Zwei Tage haben die 100 Mitglieder der vier Arbeitsgruppen darüber diskutiert, was sich auf dem Gelände zwischen Venloer und Vogelsanger Straße in Zukunft entwickeln könnte.

Handel, Kultur und Bildung

Die erste Arbeitsgruppe hat dabei ihren Schwerpunkt auf den Handel gelegt – und kam zu dem Ergebnis, dass die bestehende Fläche von 8.000 Quadratmetern genau richtig für das Gelände ist. Somit wäre das ursprünglich vom Eigentümer des Geländes, Paul Bauwens-Adenauer, vorgesehene Einkaufszentrum dort ausgeschlossen. Zu diesem Ergebnis kommt auch die – erst nach der Auftaktveranstaltung im Dezember beschlossene – Arbeitsgruppe „Zentralität“, die ihren Blick vornehmlich auf die Umgebung gerichtet hat, sie schließt grundsätzlich eine monofunktionale Nutzung an diesem Standort aus und möchte Synergien und Nutzungsüberlagerungen schaffen.

In der Arbeitsgruppe „Bildung“ hatten sich viele Befürworter der von der Universität als Ausbildungseinrichtung geplanten Inklusiven Schule – also einer Schule für alle Kinder, in der Geschlecht, Herkunft oder Behinderung keine Rolle spielen – versammelt. Sie betonen den Schub, den die Schule dem Viertel auch wirtschaftlich geben könnte. Den Widerspruch zwischen der notwendigen Grundstücksfläche von mindestens 15.500 Quadratmetern und den auf dem Gelände vorgesehenen verschiedenen Nutzungen versuchen sie durch eine Nutzungsverflechtung des Schulgeländes aufzulösen – so könnte zum Beispiel der Schulhof gleichzeitig öffentliche Fläche sein. Auch eine Untergruppe der Arbeitsgruppe „Wohnen, Kultur und Kreativwirtschaft“ hat die Schule eingeplant. Dann stellte sich für sie aber die Frage, wie viel Platz dann noch für Wohnungen bleibt.

Im Ergebnis: Gemeinsamkeiten

Nach Abschluss der Präsentationen hebt Moderator Burkard Dewey vom Stadtplanungsbüro Dewey Muller die Gemeinsamkeiten der erarbeiteten Ansätze hervor: Es soll keine großflächige Nutzung, also auch kein Einkaufszentrum, geben, die Heliosstraße wird von allen Gruppen als Kulturmeile gesehen und es soll eine qualitätvolle Durchwegung mit Aufenthaltsflächen entstehen. „So kann das Heliosgelände ein zentraler Ort ganz eigener Prägung werden, der die Vielfalt Ehrenfelds widerspiegelt und ergänzt.“

„Wir sind zufrieden mit der Vielfalt der Ergebnisse und damit, dass sich ein paar wesentliche gemeinsame Interessen herauslesen lassen“, erklärt Dewey auch im anschließenden Gespräch, „das bietet Ansätze, die jetzt genauer abzuklopfen sind, insbesondere auf Machbarkeiten. Das muss der nächste Schritt sein, sonst ist die Enttäuschung groß.“ Besonders groß könnte die Enttäuschung bei den Schulbefürwortern werden, denn eine gemischte Nutzung von Schulflächen ist auch oder gerade innerstädtisch so leicht nicht realisierbar. Zudem wäre der Bau einer Schule nicht die Entscheidung des jetzigen Eigentümers Paul Bauwens-Adenauer. „Es ist nun viel städtisches Engagement gefordert. Von Seiten der Stadt muss Tempo in das Verfahren und sie muss sich bekennen“, fordert dieser dann auch.

Kontroverse Diskussion

Bauwens-Adenauer hatte der Diskussion der Arbeitsgruppe Handel beigewohnt und zeigt sich beeindruckt: „Es ist interessant, wie sich die Arbeitsgruppen in die komplexen Themen vertiefen. Man kann dort eine Menge lernen, es wird hauteng diskutiert, und es ist Vieles positiv.“ Doch sieht er auch die Gefahren eines solchen Bürgerbeteiligungsverfahrens: „Allerdings ist sind die Arbeitsgruppen interessengruppenhaltig und man muss aufpassen, dass nicht nur die Sprachmächtigen zu Wort kommen. Das Verfahren als solches ist also nicht unbedingt repräsentativ und die Ergebnisse müssen hart geprüft werden.“ Ähnlich beschreibt es auch Burkard Dewey: „Die Arbeitsatmosphäre war von Anfang an gespannt, im Sinne von neugierig, auch in der Hinsicht, dass man sich von Anfang an positionieren wollte. In jedem Fall wurde erst mal sehr kontrovers diskutiert.“

Die kontroverse Diskussion sollte nicht nur in den Arbeitsgruppen geführt werden, sondern auch über das Internet. Gerade nach den Protesten in der sehr gut besuchten Auftaktveranstaltung im Dezember. Doch sind bis jetzt lediglich 33 Diskussionsbeiträge bei der Stadt eingegangen, die meisten auch hier von Schulbefürwortern. „Das hat mich auch überrascht“, bekennt Dewey, „es kann aber der Tatsache geschuldet sein, dass es aus technischen und Kapazitätsgründen nicht möglich ist, in Jetztzeit zu diskutieren.“ Damit beschreibt er die technische Lösung der Stadt Köln, nicht etwa ein Forum oder Blog zur Diskussion einzurichten, sondern dass die per Mail, Brief oder Fax eingehenden Beiträge zunächst geprüft und dann ein Mal wöchentlich ins Internet gestellt werden. „Dafür hat die Stadt Köln – aus guten Gründen – sehr strenge Regeln“, erklärt Dewey, lobt aber auch: „Allerdings ist diese Öffnung schon eine große Ausnahme, das wird bei anderen Verfahren gar nicht erst gemacht.“

Weiteres Verfahren

Die Ergebnisse der ersten Arbeitswerkstätten werden nun vom Moderationsbüro Dewey Muller aufbereitet und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Am 27. Februar tritt die mit Experten besetzte Lenkungsgruppe Heliosgelände erneut zur Beratung zusammen, bevor am 24. März die zweite Werkstatt stattfindet. Am 5. Juni werden die Ergebnisse des Verfahrens der Öffentlichkeit vorgestellt und dann muss entschieden werden, wie weiter vorgegangen wird, denn das Bürgerbeteiligungsverfahren muss nicht zwingen auch zu Planungen führen. So erklärte Planungsdezernent Bernd Streitberger schon bei der Auftaktveranstaltung im Dezember: „Ich werde das Ergebnis nicht unabhängig vom Inhalt vertreten. Wenn etwas herauskommt, was ich in meiner stadtplanerischen Profesionalität für Unsinn halte, werde ich nicht dafür eintreten. Das werde ich dem Rat auch so sagen, ob der meiner Empfehlung folgt, weiß ich nicht.“

Vera Lisakowski

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Weiterführende Links:

Informationen der Stadt Köln über das Verfahren

Bürgerinitiative Helios

Burkard Dewey an Pinnwänden

Moderator Burkard Dewey bei den letzten Vorbereitungen für die Informationsveranstaltung.

Planung für das Heliosgelände

Mögliche Verteilung der Nutzungen als Ergebnis einer Arbeitsgruppe.

Stichwortsammlung

Stichwortsammlung der Arbeitsgruppe ‚Wohnen, Kultur, Kreativwirtschaft‘

Blick ins Publikum

Auch Paul Bauwens-Adenauer (3. v.r.) verfolgt die Präsentation der ersten Ergebnisse.

7 Kommentare

nach meiner auffassung sollte sich dort ein modell einer strohballenhausmehrgenerationshaussiedlung ansiedeln . da solche wohnformen nun überall schule machen..

Noch besser wäre ein „Allesistmöglichgelände“. Die Stadt Köln ist unendlich reich und wird dort zum Beispiel keine Gewerbesteuer-Einnahmen erzielen wollen, sondern alle Wünsche der Bürger grosszügig alimentieren. Dort hält wieder eine kleine Gruppe von „Bildungsbürgern“ einen ganzen Stadtbezirk zum Narren.

In der Tat ist diese „Bürgerbeteiligung“ nicht repräsentativ sondern eindeutig von der BI Helios und damit von den Gegnern einer realitätsbezogenen Weiterentwicklung Ehrenfelds besetzt. Es werden intellektuelle / kulturelle Luftschlösser die nicht finanzierbar und realisierbar sind gefordert und geplant. Die Bedürfnisse der passiven und schweigenden Bevölkerungsmehrheit nach z.B. einer strukturierten Ausweitung des Handels von mittel- und langfristigen Konsumgütern ohne sich in den Massentrubel der Innenstadt begeben zu müssen wird ignoriert.

Woher kennt denn „Wir sind ehrenfeld“ die „Bedürfnisse der passiven und schweigenden Bevölkerungsmehrheit“, wo sie doch angeblich schweigend und passiv ist. Wo sind die Bürgerinitiativen FÜR ein Einkaufszentrum? Weil niemand, aber auch wirklich niemand ein EKZ auf dem Helios-Gelände möchte.

Bürgerinitiativen werden überwiegend von Minderheiten (s.Stuttgart 21) gestartet und haben in der Tat nichts mit der Mehrheit der Bevölkerung zu tun. Es ist leider so das es den meisten Bürger völlig egal ist ob hier nun ein EKZ entsteht oder ein großer Park in dem dann wieder nach herzenslust Dreck abgeladen werden darf.

eine schule wäre falsch. ich finde, eine auch architektonisch gelungene mischung aus handel, wohnen, kreativwirtschaft, kunst und somit offenem gelände, das für jedermann von vielen seiten zugänglich ist, am begrüßenswertesten – eine schule würde das gelände letztendlich doch vom rest der umgebung abschließen – oder läuft hier jemand von euch, weil es so schön, regelmäßig durch schulgebäude und schulhöfe ? man ist doch froh, wenn man das endlich hinter sich gelassen hat – warum sollte man den ort des schreckens dann freiwillig aufsuchen ?

gibt es jemanden, der definitiv weiß, ob das SCHEUSLICHE kachel-eck-haus (venloer/gürtel) mit der express-reklame eigentlich auch weg kommt? müsste ja eigentlich, weil sich ja nur an dieser stelle das gelände zu einer belebten stelle hin öffnet. die seite am gürtel ist ja wohl kaum stark frequentiert von menschen und bei der restlichen bebauung an der straßenkante der venloer kann ich mir kaum vorstellen, dass da etwas von abgerissen wird, weil neuer oder geschützt (helios-haus)…