Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Zu Gast im eigenen Haus

Es ist ein neues Konzept für ein Völkerkundemuseum: Ein Themenparcours als Erlebnisraum. Aber funktioniert das in dem sachlichen Gebäude, das nun die Hülle für das neue Rautenstrau…

Wenn man früher in der Schule von einer Note enttäuscht war, haben einem die Eltern oft gesagt: „Hauptsache, du hast dein Bestes gegeben.“ So ähnlich ist es beim neuen Kulturquartier am Neumarkt: Alle haben sich sehr bemüht, aber es ist doch nur eine Drei geworden. Dafür möchte man allerdings weder die Architekten, noch die Ausstellungsplaner verantwortlich machen.

Das Braunschweiger Architekturbüro Schneider + Sendelbach hat die Ausschreibungsanforderungen nach einer möglichst flexiblen Gebäudehülle erfüllt. Die einzigen beiden auf die Sammlung zugeschnittenen Räume sind der Platz für den indonesischen Reisspeicher im großen Foyer und die zur Cäcilienstraße aufgerissene Fassade hinter der von Anfang an der Yamsspeicher platziert werden sollte. Aber selbst diese beiden Orte sind auch anders zu bespielen. Die übrigen Räume sind vollends neutral, mit ihrem tiefdunklen Parkett, ihren glatten grauen Wänden und den eng gesetzten Lichtgräben in den grauen Decken. Auch Raumgrößen und vor allem die Erschließung über drei Treppen in der gläsernen Gebäudefuge zwischen den beiden Ausstellungsbaukörpern machen das Gebäude flexibel.

„Der Mensch in seinen Welten“

Genau darüber freut sich die stellvertretende Direktorin des Rautenstrauch-Joest-Museums, Jutta Engelhard: „So kann man ganze Bereiche auch mal wechseln und so nach und nach den ganzen Bestand zeigen.“ Das ermöglicht auch der Parcours durch die völkerkundlichen Ausstellungsstücke, der sich – das ist neu – nicht an den Herkunfts-Kontinenten orientiert, sondern übergeordneten Themen folgt. Global mit „Der Mensch in seinen Welten“ überschrieben behandelt er Musik, Religion und Tod, aber auch Türen, Wohnformen und Kleidung. Die Stücke werden gekonnt inszeniert, im Bereich „Kunst“ zum Beispiel in Vitrinen, in denen zunächst das Objekt alleine zu sehen ist. Auf Knopfdruck werden auf der Vitrinen-Rückwand zusätzliche Informationen oder Fotos eingeblendet. „Information on Demand – das haben wir erstmals hier gemacht“, erklärt Uwe R. Brückner, der für die Ausstellungsgestaltung verantwortlich zeichnet.

Masken rundherum

Seit acht Jahren arbeitet das Atelier Brückner an dem Projekt. „Es war ein freches, ungewöhnliches Konzept. Es hat mir von Anfang an gefallen, ohne dass es mir eingeleuchtet hat“, sagt Brückner über die Idee, einen thematischen Parcours zu schaffen. Als Erlebnisraum funktioniert das gut, in Teilen sogar sehr gut: Der runde Raum, der Masken aus aller Welt zeigt, verdeutlicht Unterschiede und Gemeinsamkeiten, weist aber gleichzeitig auch auf die Zufälligkeit des Sammelns hin: Die weitaus meisten Masken stammen aus ehemaligen deutschen Kolonialgebieten. Er funktioniert aber auch als Raum, dunkel, mit mystischer Beleuchtung – und komplett vom umgebenden Gebäude abgeschlossen. Die Ausstellungsarchitektur im Bereich Religion harmoniert sogar mit der von den Architekten geschaffenen schlichten, dunklen Hülle. Und mehr als das: Der Blick nach draußen auf die Fahnen am Haus gegenüber lässt kurz den Gedanken aufkommen, die Perspektive könnte Absicht sein, wirken sie von Ferne doch wie tibetische Gebetsfahnen.

Ein Haus als Container

In anderen Räumen hingegen funktioniert dieses Zusammenspiel nicht. So wurde für das Themengebiet „Wohnen“ ein europäischer Salon aufgebaut. Dessen helle Farben wollen so gar nicht zu der umgebenden Raumhülle passen, das Parkett wurde gar aufgedoppelt, so dass der Besucher eine Schwelle überwinden muss, um dann auf hellen Dielen zu stehen. „Wir schaffen Raumbilder, die einen gleich in das Thema eintauchen lassen“, sagt René Walkenhorst, Projektleiter für das Rautenstrauch-Joest-Museum bei Atelier Brückner. „Das Haus hier ist ganz konzentriert nach innen, als Container für die Vermittlung, die Wand- und Deckenfarbe treten zurück“, hebt er die Vorteile der flexiblen Architektur hervor. Auch Architekt Heiner Sendelbach verweist auf die geforderte flexibel zu nutzende Hülle, bei der es Schnittstellen zwischen Gebäude und Einbauten geben müsse. Allerdings wurden die Ausstellungsplaner auch erst engagiert, als die Ausführungsplanung bereits abgeschlossen und der Bauvertrag unterschrieben war. So wirkt das Museum das extra für eine eigene Sammlung gebaut wurde, wie eine Hülle für Wechselausstellungen. Trotz dieser Kompromisse sind die Architekten aber zufrieden mit dem fertigen Bauwerk, „wir haben was die Architektur anbelangt alles umsetzen können und der Gesamteindruck ist so, wie wir es uns vorgestellt haben“, sagt Sendelbach.

Der beste Raum

Wenn man im Foyer stehend auf die in Rottönen changierenden Ziegelwände mit den zurückgesetzten Fugen blickt, auf die das Sonnenlicht in schrägen Streifen durch die Glasfuge fällt, mag man dem folgen. Auch wenn man in den Raum blickt, auf den die Architekten explizit hinweisen: Die Bibliothek. Ein angemessen proportionierter Raum mit Einbauten, die die Architekten selbst entworfen haben, Bücherregale links auf und unter einer Galerie angeordnet, rechts ein wandfüllendes Zeitschriftenregal und gerade ein zentrierter Durchblick über Schreibtische hinweg nach draußen. In diesem Raum passt alles. Schade dass er nicht Teil der Ausstellung ist – dafür darf die Bibliothek aber umsonst genutzt werden.

Vera Lisakowski

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Vorberichterstattung zur Eröffnung

Alles unter einem Dach

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Eine Vorbesichtigung des Gebäudes

Der Blick von unten

Archiv zur Geschichte des „Kölner Lochs“

Homepage der Museen in Köln

Homepage Architekten Schneider + Sendelbach

Homepage des Atelier Brückner

Virtueller Rundgang durch die Museen (WDR.de)

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Der Platz für den Reisspeicher im Foyer des Rautenstrauch-Joest-Museums.

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Das neue Museumsgebäude von außen: rechts das Rautenstrauch-Joest-Museum, links der flache Anbau des Museums Schnütgen.

rjm masken

Der runde Raum mit den Masken aus aller Welt.

rjm religion

Der Bereich Religion fügt sich in die Raumhülle ein.

rjm wohnen

Der Themenbereich ‚Wohnen‘ mit aufgedoppeltem Bodenbelag.

rjm glasfuge

In der Treppenhausfuge fällt Sonnenlicht auf die Ziegelwände.

1 Kommentar

Nach dem ersten Besuch kann ich dazu nur sagen: Köln ist um eine Attraktion reicher. Beeindruckender Bau, faszinierende Präsentation, wunderbare Raumeindrücke. Gut Ding will Weile haben, auch Kolumba wurde nicht an einem Tag gebaut. Ich wünsche den Museen viele begeisterte Besucher!