Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Was für ein Theater

Die Debatte um die Kölner Bühnen im Opernquartier bietet Dramatik pur. Vorläufiger Höhepunkt: Der Stadtrat stimmt für den Neubau des Schauspiels und die Sanierung der Oper.

Streitende Protagonisten, emotionale Konflikte, überraschende Wendepunkte – die Debatte ums Opernquartier bietet alles, was ein Bühnendrama ausmacht. Der vorläufige Höhepunkt: In der Nacht vom 17. zum 18. Dezember 2009 stimmt der Rat der Stadt Köln mit knapper Mehrheit für den Neubau des Schauspiels und die Sanierung der Oper mit einem Kostendeckel von 295 Millionen Euro. SPD und FDP votieren für das Projekt, die Grünen enthalten sich.

Zur Erinnerung: Im Sommer 2009 sorgt eine Explosion der Kosten für Aufregung. Statt mit 230 Millionen Euro soll das Großvorhaben nun mit 364 Millionen Euro zu Buche schlagen. Kritiker bemängeln eklatante Planungs- und Berechnungsfehler der Verwaltung. Der damalige Oberbürgermeister Schramma verfügt einen Planungsstopp. Im November 2009 plädiert Schauspiel-Intendantin Karin Beier – die bis dahin einem Neubau zugestimmt hatte –für den Verzicht auf ein neues Schauspielhaus. Denn es sei verkehrt, den Kulturetat massiv zu kürzen und dafür das „Gehäuse aufzublasen“. Die Initiativen „Köln kann auch anders“ und „Kölner Komment“ sehen es genauso. Sie treten dafür ein, das bestehende Schauspielhaus anspruchsvoll zu sanieren. Die „architektonische Sprache Wilhelm Riphahns“ müsse als „schützenswertes Erbe“ begriffen werden. Darüber hinaus gibt es auch Stimmen, die wieder einen Neubau der Bühnen an einem anderen Ort – etwa am Deutzer Ufer – ins Spiel bringen.

Roters betritt die Bühne

Der neue Oberbürgermeister Jürgen Roters, seit Oktober 2009 im Amt, lässt alle Lösungsansätze und Varianten mit Vor- und Nachteilen durchrechnen. Ergebnis: Er will an den bisherigen Planungen festhalten – allerdings mit deutlichen Abstrichen. Danach soll die Neugestaltung des Opernquartiers nicht mehr als 295 Millionen Euro kosten. Um dies zu erreichen, sind verschiedene Sparmaßnahmen vorgesehen, etwa der Verzicht auf das Produktionszentrum und eine Probebühne vor Ort. Auch die Proberäume für Ballett und Orchester sowie die Gastronomie im Schauspielhaus stehen auf der Streichliste. Darüber hinaus sollen zwei Untergeschosse entfallen, die nur aufwändig zu realisieren wären. Die Kritiker fordern angesichts dieser „abgespeckten Neubauversion“ einen Richtungswechsel – und erhalten prominente Unterstützer aus der Kulturszene. Andere – wie Baudezernent Streitberger, Kulturdezernent Quander und Opernintendant Laufenberg – halten den bisherigen Planungsentwurf weiterhin für eine hervorragende Grundlage.

Starker Beifall und skeptische Stimmen

Der Entwurf der Büros JSWD Architekten (Köln) und Chaix & Morel et associées (Paris) hat bereits im Juni 2008 den ersten Preis des Realisierungswettbewerbs „Bühnen Köln am Offenbachplatz“ gewonnen. Die Jury lobt damals vor allem das pragmatische städtebauliche Konzept des Entwurfs. Der Neubau des Schauspielhauses als kubischer Solitär überzeugt die Experten, weil er die Oper komplett freistellt und zwei Stadträume mit hoher Qualität schafft: den Offenbachplatz und einen neuen „Operngarten“ an Krebsgasse und Brüderstraße. Architektonisch dagegen werden die Erwartungen der Jury nicht erfüllt. Als „unentschlossen“ und „beliebig“ kritisiert sie etwa die Gebäudehülle des Schauspielhauses. Im Zuge dieser Einwände und der Kostendiskussion legen die Architekten überarbeitete Entwürfe vor. Demnach ist für die Fassade ein filigraner Lamellen-„Vorhang“ vorgesehen, der den Baukörper leichter wirken lassen soll. Außerdem wurde auch die Lage des Gebäudes optimiert und das Bauvolumen reduziert. So fällt etwa die Auskragung des Schauspielhauses über der Nord-Süd-Fahrt deutlich geringer aus als zunächst geplant. In der Höhe orientiert sich das Theatergebäude an den Bühnentürmen der Oper und überragt diese leicht.

Der Vorhang zu – und viele Fragen offen

Auf die weiteren Planungsschritte darf man gespannt sein – eine Reihe von Fragen bleibt auch nach der Ratsentscheidung vom 17./18. Dezember 2009 offen, auch in punkto Baukultur. So ist etwa geplant, über Einsparmöglichkeiten bei der Fassadengestaltung des neuen Schauspielhauses nachzudenken. Drohen hier Einbußen bei der architektonischen Qualität? Unbeantwortet ist bislang auch die Frage, wie der neue Operngarten gestaltet und das trostlose Umfeld an dieser Stelle aufgewertet werden soll. Nicht zuletzt wäre zu klären, was eigentlich aus dem Projekt „Opernfenster“ geworden ist, also der Idee, über die Nord-Süd-Fahrt hinweg eine Blickbeziehung zwischen Schildergasse und Offenbachplatz zu schaffen. Wird dieser gute Vorschlag aus dem Masterplan von Albert Speer auf die lange Bank geschoben – oder droht er gar vollständig zu versanden? Noch ist keineswegs sicher, ob das Bühnenstück am Offenbachplatz ein Happyend bietet.

Jens Karbe

Lesen Sie auch zum Thema:

>>Kölner Dreigestirn 29.10.2009

Ein Kommentar zu den Planungen um Archäologische Zone, Stadtmuseum und Schauspielhaus

>>Generalprobe 15.07.2009

Planungen mit rotem Stift am Offenbachplatz

Weiterführende Links:

>>JSWD Architekten Köln

>>Realisierungswettbewerb Bühnen Köln am Offenbachplatz

>>Köln kann auch anders

Das städtebauliche Konzept des Entwurfs im Lageplan. Der Neubau des Schauspielhauses stellt die Oper von Wilhelm Riphahn frei und schafft zwei Stadträume mit hoher Qualität: den Offenbachplatz und einen neuen „Operngarten“ an Krebsgasse und Brüderstraße.

Grafik: JSWD Architekten (Köln) und Chaix & Morel et associées (Paris)

Modell des Schauspielhaus-Neubaus als kubischer Solitär in seiner seit dem Wettbewerb überarbeiteten Version.

Grafik: JSWD Architekten (Köln) und Chaix & Morel et associées (Paris)

Nordansicht: Im überarbeiteten Entwurf sehen die Architekten für die Fassade einen filigranen Lamellen-„Vorhang“ vor, der den Baukörper leichter wirken lassen soll. Grafik: JSWD Architekten (Köln) und Chaix & Morel et associées (Paris)

Westansicht

Grafik: JSWD Architekten (Köln) und Chaix & Morel et associées (Paris)

Das Bauvolumen wurde reduziert. In der Höhe orientiert sich das Theatergebäude an den Bühnentürmen der Oper und überragt diese leicht. Grafik: JSWD Architekten (Köln) und Chaix & Morel et associées (Paris)

2 Kommentare

Architektonisch respektabel, an dieser Stelle jedoch nur ein weiters Versatzstück im Innerstädtischen Durcheinander und städtebaulich höchst fragwürdig; das Problem am Offenbachplatz sind nicht die Riphahnbauten, sondern das desolate Umfeld – aber da traut sich ja keiner ran !