Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Alles unter einem Dach

Das neue Kulturzentrum am Neumarkt

Der AIV veranstaltete am 05.06.2009 unter der Leitung von Prof. Dr. Schneider als Direktor des Rautenstrauch-Joest-Museums (RJM), Hr. Ostermeyer als Architekten und Hr. Kreuz, Projekt- und Bauleiter Technische Gebäudeausrüstung, eine Vorbesichtigung des Kulturzentrums am Neumarkt, das im ersten Quartal 2010 eröffnet werden soll.

Die Bauhistorie im Schnelldurchlauf: Die Braunschweiger Architekten Schneider + Sendelbach gewannen 1996 den Wettbewerb zu einem Neubau des RJM mit fünf weiteren Nutzern am Neumarkt – dem Kunstverein, der Kunsthalle, dem Schnütgen Museum, dem Museumsdienst und der Volkshochschule. Die Verwaltung wurde 2001 mit dem Neubau beauftragt. Im Winter 2002 entstand durch den Abriss von Kunsthalle, Kunstverein und VHS-Foren das „Kölner Loch.“ Baubeginn des Kulturzentrums war erst 2006. Der Kunstverein hat mittlerweile im ehemaligen britischen Kulturinstitut „Die Brücke“ ein neues Domizil gefunden. Die VHS hat sich aus Kostengründen weitgehend aus dem Projekt zurückgezogen und betreibt nur noch einen Saal im Erdgeschoss.

Kulturparcours der Ethnologie

Der massive, durch Lichtfugen unterteilte Baukörper besteht aus einem östlichen, 3700 qm großen Verwaltungstrakt, der im Januar dieses Jahres bezogen wurde, und einen zur VHS hin gelegenen Ausstellungstrakt. Im Erdgeschoss links liegen Museumsshop und Cafeteria und der Zugang zum Erweiterungsbau des Schnütgen Museums, ein Kubus mit Verbindungsgang von insgesamt 330 qm Fläche, der den unter Denkmalschutz gestellten Museumsanbau des Architekten Karl Band aus den 50er Jahren ersetzt. Rechts vom Eingang beginnt der insgesamt 3600 qm große Themenparcours des RJM. Das 21 m hohe Foyer wird dominiert vom größten Exponat des Museums, einem Reisspeicher von der Insel Sulawesi. Dahinter öffnet sich eine 1350 qm große Fläche, die als Kunsthalle und für Sonderausstellungen genutzt werden soll.

Im ersten OG gibt es zusätzlich zum RJM-Rundgang einen Saal für das Junior Museum des Museumsdienstes, im zweiten OG eine von beiden Museen gemeinsam genutzte Bibliothek. Auch die Depots im Keller und die Werkstätten im dritten OG teilen sich die Museen. Die Magazinräume genügen internationalen Höchstansprüchen. Die Räume kommen ohne Klimaanlage aus, Wasser führende Leitungen in diesem Bereich mussten vermieden werden. In der Anlage der Firma Magista werden die Exponate durch Elektromotoren erschütterungsfrei bewegt. Problematisch waren die Anschlüsse und Schnittstellen mit der zweistöckigen Tiefgarage, die als eigenes Bauvorhaben betrieben wird.

Das neue Völkerkundemuseum

Im Herbst 2002 gewann das Stuttgarter „atelierbrückner – labor für architekturen und szenografie“ den Wettbewerb für die gestalterische Neukonzeption des RJM. Die für Völkerkundemuseen klassische Ausstellungsweise nach geographischen Großräumen wird zugunsten des Themenstrangs „Der Mensch in seinen Welten“ aufgegeben. Geplant sind ein permanenter Wechsel der Ausstellung, etwa alle fünf Jahre eine komplette thematische Umgestaltung und auch in diesem Rhythmus stattfindende Sonderausstellungen.

Bis auf den über zwei Stockwerke ragenden gläsernen „Guckkasten“ an der Nordseite verfügen die Dauerausstellungsflächen im 1. und 2. Geschoss über keine natürlichen Lichtquellen. In die großen Säle wird eine kleinteilige Ausstellungsarchitektur einziehen, die mobil ist und auf Modulen basiert. Die dunklen Wände sollen weniger präsent sein als helle Wände und ein riesiges Mobile im Glaskasten die Passanten ködern, die Ausstellung zu besuchen.

Besänftigende Ziegel?

Die Architektur des neuen Kulturzentrums besitzt die Monumentalität, die dieser Ort städtebaulich fordert. Gleichzeitig wirkt sie ruhig und zurückgenommen und zeigt ein belebendes Wechselspiel von lichtreicheren und lichtärmeren Bereichen. Das Auge ruht gerne auf den großflächigen Ziegelwänden. Die vom Architekturbüro strapazierte Anspielung an das römische Köln haben sie gar nicht nötig, zumal diese ja auch in dem Bau keine inhaltliche Entsprechung findet. Besonders im Treppenbereich sind Unebenheiten der Wände wahrzunehmen, möglicherweise Teil der Baumängel, die die ursprünglich für September 2009 geplante Eröffnung verzögern.

Die Bitterkeit über das Vorgehen der Stadt bei diesem Projekt wird bleiben. Die Kunsthalle und der Kunstverein im Josef-Haubrich-Forum des Architekten Franz Lammersen von 1967 hatten sich mit wichtigen Ausstellungen für das aktuelle Kunstgeschehen einen Namen gemacht. Ohne weitere Diskussion wurde der Komplex zum Abriss freigegeben, Proteste kamen leider sehr spät. Das Gebäude des RJM am Ubierring wurde 1906 eigens für die Sammlung gebaut und war der einzige in Köln erhaltene Museumsbau der Vorkriegszeit. Aufgrund von Hochwasserschäden hätten die Depots grunderneuert werden müssen. Nach einigen Sanierungsarbeiten am Forum hätte man die jahrzehntelang bewährte Kunst-Landschaft ohne Zweifel kostengünstiger weiterführen können als mit der geplanten Bausumme von 61 Mio. Euro, die bereits überschritten ist. Gerade der Kostenfaktor war von der Stadt immer als Pro-Argument für den Neubau angeführt worden.

„Alles unter einem Dach“ gilt für die allgemeine Nutzung des Kulturzentrums, nicht aber für den Besucher: der staunt, wie wichtig die Völkerkunde für Köln plötzlich geworden ist. Das RJM ist jetzt, bemessen an der Dauerausstellungsfläche, nach dem Museum Ludwig mit circa 7500 qm und dem Römisch Germanischen Museum mit circa 4000 qm das drittgrößte Museum Kölns. In die 3600 qm für Speere, Masken und Schüttgefäße könnten das Wallraff Richartz Museum mit seinen 2700 qm und das Schnütgen Museum mit 1072 qm fast zusammen einziehen. Aber es geht ja nicht immer nur um Größe.

Ira Scheibe

Lesen Sie auch zum Thema:

>>>Der Stand des Wettbewerbs Juli 2002

>>>Der Blick von unten, das Kölner L ch

Nördlicher Treppenaufgang im Ausstellungstrakt

Blick durch das Foyer nach Norden. Ein zusätzlicher Fußgängerüberweg über die Caecilienstraße wird eingerichtet.

Blick ins Glasdach des Foyers

Das Schnütgen Museum erhält einen Kubus als Erweiterungsfläche. Die zur Caecilienstraße hin gelegenen Öffnungen sollen farbige Kirchenfenster aufnehmen.

Blick vom 3. OG in das 21 m hohe Foyer

ie Bibliothek im zweiten OG wird oben vom Schütgen-, unten vom Völkerkunde- Museum genutzt.

Fast bis zur Sinterung gebrannte Wittmunder Torfbrand-Klinker mit zurückliegenden Fuge aus anthrazitfarbenen Mörtel

Alle Fotos: Ira Scheibe

1 Kommentar

das loch scheint gefüllt mit fugenlosen t-brandklinkern. schattenlos. das dach. wo zum teufel liegt denn nun wieder wittmund?