Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Leermeinungen

Die Diskussion um die Bebauung des „Rathausplatzes“ ist längst keine architektonische mehr

Ob in der Tagespresse, dem Radio oder dem Fernsehen: allerorten ist von der Diskussion um die Bebauung des „Rathausplatzes“ zu lesen, zu hören und zu sehen. Dabei werden argumentative Pirouetten geschlagen, und nicht selten wird eine gestern noch gültige Meinung von ihrem Vertreter heute nicht mehr anerkannt.

Amnesie

So ist etwa der Oberbürgermeister der Stadt, Fritz Schramma, der sich nach Vergabe des ersten Preises für „Archäologische Zone und Jüdisches Museum“ an das Büro Wandel Hoefer Lorch + Hirsch im Juni noch „dankbar und froh“ ob des prämierten Entwurfs zeigte, heute weit zurückhaltender in seiner Begeisterung. Nun treten Bedenken in den Vordergrund, die ihm – schwer vorstellbar – erst kurz nach der Entscheidung der Wettbewerbsjury gekommen seien: Der Entwurf sei zu groß, zu massiv, und überhaupt müsse über einen alternativen Standort für ein Haus und Museum der jüdischen Kultur nachgedacht werden.

Kommt dies nicht ein wenig spät? Man sollte annehmen, dass solche Bedenken vor, und nicht nach einem architektonischen Wettbewerb geäußert werden. Man sollte annehmen, dass ein Auslobungstext und mit ihm eine Bebauung des Platzes erst dann verabschiedet wird, wenn alle Bedenken formuliert und zur Diskussion gestellt wurden. Und man sollte annehmen, dass alle Mitglieder des Preisgerichts einen Blick auf die eingereichten Pläne und Modelle geworfen haben. Dass der Oberbürgermeister, der nun eine Bürgerbeteiligung fordert und sowohl Herausgeber der Auslobung als auch Mitglied der Jury war, nun grundlegende Bedenken an der architektonischen Lösung hegt, die er selber gefordert und noch im Juni für gut befunden hatte, ist wenig verständlich.

Die jüngere Vergangenheit

Die Planungsgeschichte des fraglichen Grundstücks ist die Geschichte städtebaulicher Unentschiedenheit. Diese betrifft aber weniger die Fachleute – die Architekten – als vielmehr die Vertreter der Politik: Bereits 1946 forderte Rudolf Schwarz, Generalplaner des Wiederaufbaus, die Rekonstruktion der historischen Stadtstruktur und damit die Bebauung des im Mittelalter von der jüdischen Gemeinde besiedelten Ortes.

In den siebziger Jahren wurden zwei entsprechende Wettbewerbe ausgelobt, die Joachim Schürmann für sich entscheiden konnte. In einer zweiten Stufe des späteren Wettbewerbs aus dem Jahr 1979 jedoch wurde auf Empfehlung eines Bürgergutachtens, der „Planungszelle“, vom Rat der Stadt die Freihaltung des Platzes gefordert, so dass die Mehrzahl der zuvor prämierten Entwürfe hinfällig und ein neuer erster Preis vergeben wurde. 1995 folgte in einem Workshop eine Standortuntersuchung für das Wallraf-Richartz-Museum, bei dem erneut die Planungen Schürmanns als Grundlage des später von Oswald Mathias Ungers errichteten Gebäudes dienten – auch hier bezog der Kölner Architekt eine mögliche Bebauung des Rathausplatzes in seine Planungen ein.

History repeating?

Derzeit sind alle 36 zum aktuellen Wettbewerb eingereichten Arbeiten im Spanischen Bau zu sehen. Die Ausstellung soll es Interessierten ermöglichen, sich ein Bild der verschiedenen Lösungsansätze zu machen und ihre Meinung auf einem bereitliegenden Fragebogen niederzuschreiben. Die Anrede der „Bürgerinnen und Bürger“ legt den Fokus auf das Projekt der als „unterirdisch“ klassifizierten Archäologischen Zone – man könnte den Eindruck gewinnen, dass eine Bebauung des Platzes, die in der Bürger- und damit Wählerschaft für einigen Unmut sorgte, erneut generell in Frage gestellt ist. Dem sei nicht so – seltsam nur, dass Schramma bereits laut über ein alternatives Grundstück abseits des Platzes und dessen unterirdische Anbindung an die Mikwe nachdenkt.

Sachliche Informationen zur Gestaltung des gekoppelten Wettbewerbes zu „Archäologischer Zone und Jüdischem Museum“, zu dessen Ablauf oder gar zu der dort explizit geforderten und vom Rat der Stadt bereits 2006 verabschiedeten Bebauung des „Rathausplatzes“ finden sich auf dem Fragebogen nicht. Stattdessen wird der Anschein direkter Demokratie gewahrt und der Wähler zur Abgabe seiner Stimme aufgefordert.

Eine demokratische Gesellschaft bedarf der öffentlichen Diskussion. Die politischen Entscheidungsträger sollten jedoch ein mehrfach öffentlich diskutiertes, bereits beschlossenes und durch Expertenanhörungen untermauertes Votum nicht für populistische Stimmenwerbung aufs Spiel setzen. Ansonsten steht zu befürchten, dass an dieser städtebaulich und historisch prominenten Stelle erneut ein Kompromiss geschlossen wird, der im besten Falle zu einem gereicht: zum Manifest eines kölschen Sonderweges, der – wäre er nicht so tragisch – allenfalls zu belächeln wäre.

Rainer Schützeichel

Die Wettbewerbsbeiträge zu „Archäologischer Zone und Jüdischem Museum Köln“ können noch bis zum 15. August im Spanischen Bau des Rathauses besichtigt werden. Die Ausstellung ist montags bis freitags von 8:00 bis 20:00 Uhr, samstags von 8:00 bis 18:00 Uhr und sonntags von 11:00 bis 18:00 Uhr geöffnet.

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Ausstellung der Wettbewerbsbeiträge zu „Archäologischer Zone und Jüdischem Museum“ im Spanischen Bau

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In diese Box können die Besucher der Ausstellung ihre zu Papier gebrachten Positionen einwerfen

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Vitrinen beherbergen die Wettbewerbsmodelle – hier die des 2. Rundgangs und der Preisträger

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Das Modell des 1. Preises von Wandel Hoefer Lorch + Hirsch

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Der Entwurf des Büros Wandel Hoefer Lorch + Hirsch in der Ansicht

7 Kommentare

Gottseidank lenkt Schramma doch noch ein. Wer sollte über die Architektur einer Stadt entscheiden, wenn nicht die Bürger der Stadt selbst? Der Bau (und ob überhaupt gebaut wird) muss im Einklang stehen mit den Menschen, er muss ihre Kultur widerspiegeln. Die Menschen machen ihre Stadt und nicht die Stadt die Menschen. Der Entwurf, so wie er ist, könnte an jedem anderen beliebigen Ort auf der Welt stehen. Die Kölner sind da zum Glück noch etwas globalisierungsresistent und möchten noch ein wenig von sich behalten.

Schramma kann zwar seine Meinung kund tun (das hätte er besser mal früher gemacht!) – aber zu entscheiden hat er nichts.

Wenn ich mir die „Gestaltung“ des persönliches Umfeldes so mancher Bürger ansehe – dann möchte bitte darauf verzichten dürfen eine Stadtgestaltung nach Durchschnittsbürger Geschmack zu erhalten.

Hierfür gibt es Fachleute, mehrere von diesen haben sich einem Wettbewerb gestellt und dieser wurde entschieden. Dabei sollte es m.E. auch bleiben.

Es wäre ein Trauerspiel für Köln, wenn unsere Stadtgestaltung auf dem Opfertisch des Populismus geopfert würde.

Die Kölner sind globalisierungsresistent u.haben nun eine Stadt, mal angenommen o.Dom,die an Herne o.Bielefeld erinnert.Schramma hat mit der Messe-City Deutz schon einmal bewiesen nicht hinter genehmigten Planungen zu stehen.“Ich bin aber kein Freund von Hochhäusern“!? Daraus konnte nichts werden.

Warum sollte einer der wenigen ansehnlichen Plätze in Köln für so einen durchschnittlichen Bau geopfert werden, der sich überhaupt nicht in das architektonische Umfeld einfügt? Es gibt wirklich andere Orte, wo dieser Bau realisiert werden könnte.

Der Irrglaube ist weiterhin, dass der Rathausplatz ein Platz sei. Er ist und bleibt eine unattraktive Freifläche, nie als Platz konzipiert und seit Beginn seiner Existenz nach dem 2. Weltkrieg für eine Bebauung vorgesehen. Niemand der sich für das Ausbleiben der Bebauung ausspricht, bewegt sich auf diesem Platz. Sonst hätten all die Leserbriefschreiber des Kölner Stadtanzeigers auch mitbekommen, dass seit Monaten ein Zelt auf diesem ach so schönen Platz steht. Also das die Architekten bauen können, haben sie an der Münchener Synagoge gezeigt, die ist sehr attraktiv und ein wunderbares Ensemble mitsamt Platz. Und da das Kölner Rathaus einen kleinen Platz braucht, ist es ein idealer Entwurf. Bitte bauen. Und bitte nicht auf die geradezu demagogischen Artikel des Stadtanzeigers zuviel Wert legen.