Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Stadtgeschichte

Zur geplanten Erweiterung des Kölnischen Stadtmuseums

Wie es um die Zukunft einer Stadt bestellt ist, zeigt ihre Geschichte. In ihr spiegeln sich bauliche Strukturen, kulturelles Selbstverständnis und gesellschaftliche Zusammenhänge. Da in diesem Verständnis der Blick nach vorne also immer auch mit dem Blick nach hinten zusammenhängt, soll im Folgenden der Versuch einer kritischen Prospektion auf die derzeitige Diskussion um die Erweiterung des Kölnischen Stadtmuseums aus einer vielleicht nicht mehr allzu fernen Zukunft unternommen werden:

Kultur der städtischen Erinnerung

Köln ist eine Stadt, in der die Zeugnisse der Geschichte allgegenwärtig sind: Vom Dom, der in seiner Vertikalität die Silhouette der Stadt beherrscht und gleichsam Abbild gotischer Baukunst wie romantischer, von nationalem Eifer getriebener Bautätigkeit am Ende des 19. Jahrhunderts ist, gelange ich, dem Verlauf der römischen Stadtmauer aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert folgend, zum Kölnischen Stadtmuseum. Der dreiteilige Gebäudekomplex besteht aus Zeughaus – der ehemaligen Rüstkammer der Reichsstadt Köln –, Alter Wache – dem letzten noch erhaltenen preußischen Wachhaus der Innenstadt – und dem westlich anschließenden Erweiterungsbau. Verbunden sind die Gebäudeteile, die zugleich Abbild der Bautätigkeit aus fünf Jahrhunderten sind, durch gläserne Riegel.

Teil und Ganzes

Ich nähere mich dem Museum über Komödien- und Zeughausstraße von Osten her und passiere dabei das Haus Wefers zur Linken sowie das „Dominium“ mit seiner integrierten Altbaufassade zur Rechten, mit dem Hans Kollhoff eine gewachsene Struktur vorzutäuschen sucht. Beide Straßen wurden in diesem Bereich verkehrsberuhigt angelegt, um das Kölnische Stadtmuseum aus seiner zweiseitigen Einschnürung zu befreien. Die ehemals als Einbahnstraße ausgelegte Burgmauer, deren Name noch immer an die nördliche Befestigung und damit Begrenzung der Stadt bis zu den Erweiterungen des Mauerringes im 12. Jahrhundert erinnert, nimmt nun den Verkehr beider Fahrtrichtungen auf.

Zuerst einmal möchte ich mir einen Kaffee gönnen, den ich an einem der Tische bestelle, die im nunmehr von durchfahrenden Autos bereinigten Platz vor dem Museum Aufstellung gefunden haben. Dabei betrachte ich die gläsernen Verbindungen der drei Gebäude, denen der Architekt des Neubaus aufgrund ihrer Transparenz eine „optische Überlagerung des Museums-Innenbereichs mit dem städtischen Außenraum“ zusprach. „Nun ja“, denke ich, „im Erläuterungsbericht liest sich diese etwas abgeschmackte Architektenfloskel noch ganz schön.“ Aber die Realität spiegelnden Glases verwehrt mir meistenteils den Austausch mit den über die Stege im ersten Obergeschoss huschenden Museumsbesuchern.

Wenn ich nun schon bei der Betrachtung des Materials angekommen bin, vergleiche ich die drei Teile des Museums und rufe mir in Erinnerung, dass sie Ausdruck verschiedener baulicher und damit kultureller Epochen sind: Zum ersten das Zeughaus in seiner niederländisch inspirierten Ziegelbauweise, zum zweiten die Alte Wache als eleganter Putzbau von preußischer Klarheit – und zum dritten der klinkerbekleidete Neubau in Betonrahmenkonstruktion. So ganz konnte sich der Architekt wohl nicht zwischen der Formensprache von Zeughaus und Alter Wache entscheiden, denn er oszilliert mit seinem von Fensterelementen unterschiedlichen Formats durchbrochenen Riegel zwischen der Einfachheit des einen und der Eleganz des anderen, ohne beides zu erreichen. Vielleicht, so könnte man meinen, war die Strategie ja die der zurückhaltenden Ergänzung – doch dazu stehen die neuen Bauteile zu aufgeregt neben den alten. Vielleicht ging es ja dann um ein konsequentes, aber selbstbewusstes Fortschreiben der Architektur? Doch dazu ist der Entwurf schlichtweg zu gewöhnlich. Das von einem großen Elektronikkonzern entlehnte Entwurfscredo „sense and simplicity“, das ich dem Erläuterungsbericht entnehme, erklärt zumindest beides nicht.

Gestiftete Identität?

Wie kam es überhaupt zu diesem Neubau? Ich erinnere mich an eine Meldung im Kölner Stadt-Anzeiger, die ich im April 2008 las: „Stifter wollen Museumsbau finanzieren“. Die Meldung bezog sich auf eine Ankündigung während des damaligen „Herrenessens“ des Vereins der Freunde des Kölnischen Stadtmuseums. Welch generöse Haltung seitens eines zu dieser Zeit noch anonymen Stifterkreises – könnte man meinen. Doch die Zusage der Stiftung war gekoppelt an eine Forderung: Nur der vom Architekten Hanspeter Kottmaier erarbeitete Entwurf werde unterstützt. Sollte sich die Stadt oder aber das Museum dazu entschließen, einen Wettbewerb ausloben zu wollen – was bei einem derart öffentlichen Projekt nicht ganz abwegig erschien –, so werde kein Geld zur Verfügung gestellt.

Nicht nur „empfindliche Politiker“ wurden da hellhörig. Schließlich waren bereits öffentliche Gelder für die Sanierung von Zeughaus und Alter Wache in Höhe von insgesamt 4,5 Millionen Euro zur Verfügung beziehungsweise in Aussicht gestellt worden. Und im Zuge eben dieser Sanierungen erfolgte auch eine Neukonzeption des musealen Rundgangs, der nun im Zeughaus beginnt und über das Obergeschoss der Alten Wache in den Erweiterungsbau führt.

Geschenkte Großzügigkeit?

Der damalige Museumsdirektor Dr. Werner Schäfke sagte mir in einem Telefonat, das ich lange vor der Fertigstellung des Neubaus mit ihm führte, er habe vor der Entscheidung gestanden, ein großzügiges Geschenk anzunehmen oder aber einen Wettbewerb zu verlangen, bei dem weder die Finanzierung seiner Durchführung noch die der anschließenden Baudurchführung gesichert seien. Und, so Schäfke weiter, er habe von Seiten des Architekten einen Entwurf vorgelegt bekommen, der ihn durchaus überzeugte. Die Entscheidung fiel also nicht schwer, die Forderung der Stifter zu erfüllen – eine Alternative dazu gab es in Anbetracht leerer städtischer Kassen gerade für kulturelle Projekte ohnehin kaum. Das Museum jedenfalls hätte einen Wettbewerb unabhängig von einer Stiftung nicht finanzieren können, und so nahm man das „großzügige Geschenk“ an.

Auch die lokalen Entscheidungsträger sprachen sich, von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen, für den vorgeschlagenen Entwurf aus. So sprach etwa Oberbürgermeister Fritz Schramma, dessen architektonische Urteile als unumstößlich gelten dürften, von einer „tollen Bereicherung für das Quartier“. Letzte vergaberechtliche Bedenken konnten durch einen Kunstgriff abgewendet werden: Das unbebaute Grundstück im Westen der Alten Wache wurde für die Zeit der Baumaßnahme im Rahmen eines Überlassungsvertrages an die Stiftung überschrieben, die in der Folge als private Bauherrin auftrat und das Grundstück danach – mitsamt Gebäude – an die Stadt zurückgab. Damit handelte es sich nicht länger um ein öffentliches, sondern um ein privates Projekt – und ein privater Bauherr kann schließlich beauftragen, wen er will.

Stadtgesellschaftliche Verantwortung

Auf meinem Rückweg in Richtung Dom kommen mir Zweifel, ob mit der Erweiterung des Zeughauses tatsächlich das bestmögliche Ergebnis für diesen prominenten Standort erreicht wurde. Sicher, Kritik wird es bei jedem Neubau geben, da das Bauen des Neuen immer auch das Zerstören, zumindest aber das Verändern des Alten bedeutet. Auch der Einsatz privater Geldmittel zur Fertigstellung eines öffentlichen Bauvorhabens ist erst einmal nicht verwerflich – der Dom bietet dafür wohl das beste Beispiel. Doch sobald wie auch immer geartete unternehmerische Interessen ins Spiel kommen, die eben nicht dem Wohl der Gemeinschaft einer Stadt, sondern dem Einzelner dienen, wird es heikel. Eine stärkere öffentliche Debatte hätte hier vielleicht andere Lösungsansätze aufzeigen können, damals, im Sommer 2008.

Rainer Schützeichel

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Stellungnahme des BDA Köln zur aktuellen Situation

28.04.2008

Erweiterung des Kölnischen Stadtmuseums

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Geschichteter Weg: Vom Dom entlang der römischen Stadtmauer zu Zeughaus und Alter Wache

Bild: Kottmaier/Kölnisches Stadtmuseum

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Blick von der Zeughausstraße auf den Erweiterungsbau des Architekten Hanspeter Kottmaier

Bild: Kottmaier/Kölnisches Stadtmuseum

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Zur Burgmauer hin kragt der Neubau über die erhaltene Stadtmauer aus

Bild: Kottmaier/Kölnisches Stadtmuseum

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Der Weg nach oben: Sympathisches Treppenhaus oder Kaufhauscharme?

Bild: Kottmaier/Kölnisches Stadtmuseum

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Blickfang Dom: Die Fensteröffnungen sollen der ‚inneren Dramaturgie des Museumsrundgangs‘ folgen

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