Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Vorsichtig verdichten

Vor einer nahezu unlösbaren Aufgabe standen die Architekturbüros, die sich am Wettbewerb um das Gerling-Quartier beteiligen durften.

Ein innerstädtisches Gelände, markant, aber ziemlich tot, mit neuem Leben füllen; die Forderung, zusätzliche Flächen zu schaffen, ohne die Höhenvorgaben der Stadt Köln zu überschreiten; neue Akzente setzen, ohne die alten Gebäude zu beeinträchtigen; ein großer Anteil denkmalgeschützter Gebäude, die in moderne Wohnungen, Büros, Geschäfte oder Hotels umzuwandeln sind und zu allem Überfluss auch ein paar schützenswerte Platanen: Wer sich am Gutachterverfahren zum Gerling-Areal beteiligen wollte, musste schon ein hohes Maß an Leidensfähigkeit mitbringen.

Der Auslober – die Frankonia Eurobau AG – hat sich für ein zweistufiges, wettbewerbsähnliches Gutachterverfahren mit 12 eingeladenen Architekturbüros entschieden. In zwei Workshops wurden zunächst die Grundlagen geklärt, dann machten sich die Architekten an die schwierige Aufgabe, die kaum eigene Entfaltungsmöglichkeiten ließ. Mag sein, dass sich das Büro des Stararchitekten Sir Norman Foster aus genau diesem Grund schon nach dem Auftaktkolloquium aus dem Wettbewerb zurückzog. Drei der elf verbliebenen Büros durften die zweite Phase bearbeiten und machten somit die ersten Plätze unter sich aus – mit kleinen Nuancen, die auch eine spätere Mehrfachbeauftragung zulassen. Zusätzlich ist noch ein eigener Wettbewerb für die Gestaltung des Gereonshofes geplant.

Erster Preis: kister scheithauer gross

Die Planung des Kölner Büros kister scheithauer gross sieht den Erhalt aller für den Bestand bedeutsamen Gebäude vor, um den Charakter des Ensembles zu erhalten. Auch mit Aufstockungen sind die Architekten vorsichtig, es soll jedoch einen dritten markanten Punkt neben dem zu Wohnungen umgenutzten Turmbau und dem als Konferenz- und Bürogebäude genutzten Rundbau geben: Die in der Nacht leuchtende Skybar an der südwestlichen Ecke des Gereonshofes.

Die Straße, die den Gereonshof im Zentrum des Plangebietes durchquert wird aufgegeben, der Gereonshof zu einem „echten“ – innerstädtischen – Platz umgestaltet. Hierzu sollen die Blumenbeete vor den Gebäuden entfernt werden, damit eine steinerne Fläche mit Brunnen entsteht. Bäume sind maximal in mobilen Containern vorgesehen. Am westlichen Ende schließt das als transparentes Torhaus geplante „Gerling-Forum“ den Platz ab. Es soll als öffentlich nutzbare Stadtloggia mit Ausstellungs- und Veranstaltungsräumen zur Belebung des Platzes beitragen.

Auch der Hildeboldplatz soll belebt werden: Unter einem Baumdach entstehen zwei Außengastronomiekioske, die sich in ihrer Nutzung gut mit dem Hotel im Hufeisengebäude vereinbaren lassen.

Im nördlichen Teil des Plangebietes wird stärker eingegriffen, die Nutzung sieht in diesem Bereich hauptsächlich Wohnen und Büros, aber auch wenige Gewerbeflächen vor. Nicht unter Denkmalschutz stehende Gebäude werden abgerissen und so die Stadträume vorsichtig umgestaltet. Das historische Stadtarchiv und die Kapelle werden freigestellt und statt der direkt daran anschließenden Bebauung ein Riegel von Wohnhäusern eingefügt.

Insgesamt gelingt kister scheithauer gross mit diesen doch sehr behutsamen Eingriffen eine Verdichtung um 19.700 qm, was sogar über den geforderten 18.000 qm liegt.

Zweiter Preis: Steidle Architekten

Auch Steidle Architekten aus München erhalten große Teile des historischen Gebäudeensembles, sind aber auch im südlichen Plangebiet mutiger mit Aufstockungen. So werden am Gereonshof die das Wohn-Hochhaus umschließenden Flügelbauten auf die Höhe der angrenzenden Gebäude aufgestockt. Auch hier wird die Straße im Gereonshof aufgegeben um den Platz als solchen zu stärken. Mit Hilfe des markanten neuen Gebäudes an der westlichen Platzkante entsteht sogar noch stärker der Eindruck eines geschlossenen Platzes, der im Erdgeschossbereich Gewerbeflächen erhält.

Auch die Planung von Steidle sieht für den am Hildeboldplatz liegenden Hufeisenbau eine Hotelnutzung vor, in die im Erdgeschoss eine Konferenznutzung integriert ist. Der Rundbau wird für Büros genutzt, wie auch die umschließenden Gebäude des gesamten nördlichen Bereiches – Wohnungen sind größtenteils im inneren Bereich des Plangebietes angeordnet.

Im nördlichen Plangebiet sollen die nicht denkmalgeschützten Gebäude abgerissen werden, um das historische Stadtarchiv und die Kapelle freizustellen. Ebenso wie bei kister scheithauer gross wird auch von Steidle Architekten ein Wohngebäude hinter das Stadtarchiv gestellt; dieses ist allerdings L-förmig, strukturiert so den großen Innenhof hinter dem Palais Langen stärker und bietet einen Zugang in den Hof.

In der Fassadengestaltung für das gesamte Gerling-Quartier orientieren sich Steidle Architekten an den bereits vorhandenen Materialien: Stein und Glas. Jedoch sollen die Fenster nicht tiefliegend sondern flächenbündig eingesetzt werden, um einen transparenteren Charakter zu erhalten und die neuen Elemente vom Bestand abzusetzen.

Dritter Preis: Petzinka Pink Architekten

Dem Düsseldorfer Architekturbüro Petzinka Pink gelingt eine Verdichtung des Geländes um etwa 16.000 qm – aufgrund stadtplanerischer Sensibilität bleiben sie unter den geforderten 18.000 qm.

Auch sie stocken die Flügelbauten am Wohn-Hochhaus um zwei – zurückgesetzte – Geschosse auf. Der Gereonshof wird wie bei den beiden anderen Büros in einen Platz umgestaltet, der im Westen von einem neuen, transparenten Gebäude abgeschlossen wird. Im nördlichen Platzbereich sind Gewerbeflächen und Gastronomie angeordnet, der zurückgesetzte südliche Riegel wird für Wohnungen genutzt, so dass der Platz aufgrund der vor den Wohnungen liegenden Fläche mit privatem Charakter zweigeteilt erscheint.

Insgesamt sind die Nutzungen bei Petzinka Pink deutlich stärker durchmischt als gerade beim stark zonierten Entwurf von Steidle Architekten. Wahrscheinlich schätzt ihr wesentlich geringerer Anteil an Gewerbeflächen die Entwicklungsmöglichkeiten des Gebietes aber realistischer ein.

Der Hufeisenbau wird von Petzinka Pink ebenfalls als Hotel genutzt, mit einer großzügigen Restaurantfläche am Hildeboldplatz und einem Wellnessbereich am Klapperhof im Erdgeschoss. Für die Nutzung des Rundbaus sind Büros vorgesehen.

Auch das nördliche Plangebiet ist stark durchmischt, Wohnungen und Büros wechseln sich ab. Auch vom drittplatzierten werden das historische Stadtarchiv und die Kapelle freigestellt und ein Wohnriegel hinter dem Stadtarchiv eingefügt. Dieser schließt den Hof hinter dem Palais Langen stark ab und macht ihn so eher zu einer privaten Fläche. Auch der schmale Platz vor dem Wohnriegel hat einen sehr privaten Charakter, so dass im nördlichen Bereich nur der Platz um die Kapelle als öffentlicher Bereich zur Verfügung steht.

Die Fassadengestaltung von Petzinka Pink Architekten setzt die neuen Gebäudeelemente deutlich vom Bestand ab: Ein „weißer Faden“ – aus weißen Rahmen mit gläsernem Innenleben – soll sich durch das Gerling-Quartier ziehen und so auch als verbindendes Element dienen.

Vera Lisakowski

Am 28. Januar 2008, 19.30 Uhr werden die Siegerentwürfe beim Montagsgespräch des BDA im Domforum vorgestellt.

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Bestandslageplan des Gerling-Quartiers.

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Der Lageplan des Siegerentwurfes von kister scheithauer gross.

Rechte: kister scheithauer gross

gerling ksg erdgeschoss

Erdgeschossgrundriss von kister scheithauer gross.

Rechte: kister scheithauer gross

gerling ksg ansicht

Blick in den Gereonshof, rechts das Hotel im Hufeisenbau. Aus dem Siegerentwurf von kister scheithauer gross.

Rechte: kister scheithauer gross

gerling steidle nutzung

Die Nutzungsverteilung des Zweitplatzierten, Steidle Architekten.

Rechte: Steidle Architekten

gerling steidle erdgeschoss

Erdgeschossgrundriss von Steidle Architekten.

Rechte: Steidle Architekten

gerling steidle ansicht

Blick in den Gereonshof von Steidle Architekten.

Rechte: Steidle Architekten

gerling pp nutzung

Die Nutzungsverteilung beim Drittplatzierten Petzinka Pink.

Rechte: Petzinka Pink

gerling pp erdgeschoss

Erdgeschossgrundriss von Petzinka Pink.

Rechte: Petzinka Pink

gerling pp ansicht

Blick in den Gereonshof und auf das Hochhaus.

Rechte: Petzinka Pink