Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Friesenviertel quo vadis?

Einst kleinteiliges Stadtquartier, dann Rotlichtviertel und Gerling-City. Das Friesenviertel wandelt sich erneut.

Nachdem die Talanx das Familienunternehmen Gerling erwarb wurden Ende 2006 dessen Bauten an die Frankonia Eurobau AG veräußert. Das Gebiet, welches Gerling noch bis Ende 2008 als Versicherungssitz dient, soll von einem monostrukturierten Quartier in eine lebendige und vielfältige Nutzung überführt werden. Ab 2009 will die Frankonia anspruchsvoll modernisieren, wobei rund 50 Prozent für Wohnnutzung vorgesehen sind. Die neue urbane Lebendigkeit soll weiterhin durch Büros, Gastronomie, ein Sterne-Hotel, Handelsflächen und vielleicht kulturelle Einrichtungen erzielt werden.

Im BDA Montagsgespräch gab Professor Kunibert Wachten Aufschluss über die Diskussionen zweier Workshops zur Zukunft des Gerling Areals. Zunächst fand ein interner Planungsworkshop statt. Im zweiten Schritt waren auch der Investor Frankonia und Architekten beteiligt, um ihre Visionen einzubringen.

Zwei Leitfragen bestimmten die Workshops

Einmal geht es um das Ausloten von Spielräumen, auch um dem neuen Besitzer eigene Akzente und individuelle Ausformungen zu ermöglichen. Andererseits soll der baukulturelle Wert des Ensembles und seine hohe, bis ins Detail reichende Qualität, die ja gerade zum Ankauf motiviert hatte, nicht beeinträchtigt werden.

Die Grundstücksflächen umfassen ca. 47.000 qm, der Baubestand rund 130.000 qm (BGF), wovon etwa 68.000 qm unter Denkmalschutz stehen. Um die Planung handhabbarer zu machen, hat man zunächst sieben Teilbereiche identifiziert, die sich etwa aus der Entstehungszeit, der Lage und eigenen Zugängen ergeben.

Geschützt bis zu den Lampen und Lichtschaltern

Für diese Teile wurden verschiedene Nutzungsperspektiven entwickelt und eventuelle Veränderungsmaßnahmen angedacht. So umfasst der Bereich A das Hochhaus und die gegenüberliegenden Bauten am Gereonshof, die sich für höherwertiges Wohnen anbieten. Details wie Balkone oder Sonnenschutz wären ausschließlich rückwärtig, also im Innenbereich des Friedrich Wilhelm Gebäudes möglich.

B bezeichnet am Gereonswall den Ursprungsbau, das Palais von Langen und die beiden angebauten Seitentrakte, die als Konferenzräumen genutzt werden könnten. An der Christophstraße C könnte man sich Ladenlokale vorstellen. Im Bereich D ergeben sich Gestaltungsspielräume, da die modernen Anbauten an das frühere Stadtarchiv zur Disposition stehen. Allerdings schränkt die unmittelbare Nähe zur Kirche St. Gereon die Planungsmöglichkeiten wieder ein.

Den Sprung in die 1960er Jahre hat der Denkmalschutz noch nicht getan

E markiert den Rundbau aus den 1960er Jahren, der wie auch F, der Hufeisenbau, der den Rundbau mit dem Hildeboldplatz verbindet und das Casino, den großen Speisesaal der Firma beherbergt, nicht unter Denkmalschutz steht. Im Gegensatz zu G, dem Bereich Klapperhof Süd, ist die Unter Schutzstellung jedoch nur deshalb noch nicht erfolgt, weil man über den Zeitraum der 1950er noch nicht hinaus gelangt ist, erklärte Stadtkonservatorin Dr. Renate Kaymer diesen Umstand.

Dass die beiden Trakte E und F grundsätzlich denkmalwert seien, daran ließ sie keinen Zweifel. Doch unterstrich sie ihr Anliegen, sich gegenüber dem Bauherrn gesprächsbereit zu zeigen, was Dr. Wolfgang Conrad als Vertreter der Frankonia begrüßte. Ein Abriss dieser Bauteile sei „allein aus Kostengründen aktuell nicht vorgesehen“.

Der Gereonshof als Piazza Navona

Dann wandte sich Conrad seinen bzw. den Quartiersvisionen des Vorstandsvorsitzenden der Frankonia Uwe Schmitz zu, der sich für den so genannten Ehrenhof, dem Platz gegenüber dem Hochhaus, „so was in Richtung Piazza Navona“ vorstellt.

Prof. Johannes Kister (Kister, Scheithauer, Gross, Köln) hat bereits erste Ideen für den Standort vorgelegt. Diese soll er in einem nächsten Schritt mit weiteren 12 renommierten Architekturbüros weiterentwickeln. Kister rückte den Wechsel der Bewertung der Gerling-Bauten in den Blickpunkt. So begegnen sich nach seiner Meinung Moderne und Klassik in dem Hochhaus und der Axialität der Platzanlage. Noch vor wenigen Jahren hätte man sich höchstens verschämt über die Schönheit dieses Ensembles geäußert, meinte er. Heute gibt es viel offene Bewunderung, trotz des Attributs „Machtarchitektur“. Zudem machte er deutlich, dass er sich eigene Akzente, die auf eine Nachverdichtung abzielen, nicht nur vorstellen kann sondern wünscht.

Wie bekommt die „Kleine Reichskanzlei“ Veedelsqualität?

Dr. Conrad pflichtete ihm dahingehend bei, dass die Flächeneffizienz „wahrlich nicht optimal“ sei. Außerdem gehe es auch darum, die kühle bis einschüchternde Wirkung des Ensembles so zu akzentuieren, dass sie Wärme und eine angenehme Wohnqualität ausstrahlt. Wie das gehen kann, verträglich zu modernisieren und gleichzeitig das Bestehende zu überhöhen, dazu sollen von den eingeladenen Büros Vorschläge entwickelt werden.

„Hochwertig“ und „Premiumqualität“ waren die Worte des Abends. Eigentums- und Mietwohnungen soll es nebeneinander geben, ob größer oder kleiner, beides naturgemäß im gehobenen Segment, damit sich die Investitionskosten amortisieren. Die Talanx hatte der Presse gegenüber angedeutet, beim Kaufpreis hätte es sich um einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag gehandelt.

Touristenmagnet mit Premiumqualität

Ob Sterne-Hotel, Champagner-Bar und Luxusrestaurant Kölns Locations bereichern, wie Prof. Kister vorschlug oder ein Kammermusiksaal oder internationales Versicherungszentrum, wie aus dem Publikum angeregt wurde, die Belebung des Areals ist das vorrangige Ziel. Das Bild der Piazza Navona bekrönte den Abend über das Podium. Touristengruppen mit Pappbechern und Pizzakartons, die auf dem Rand von Arno Brekers Brunnen picknicken? Vielleicht wird man sich an diesen Anblick gewöhnen müssen…

Petra Metzger

Luftbild aus den 1960er Jahren

Gerlings Monumentalarchitektur – eine Dominante im kleinteilig strukturierten Friesenviertel. Aufnahme aus den 1960er Jahren, noch ohne die Bebauung Klapperhof Süd.

Quartiersplan

Sieben Teilbereiche bilden die Planungsgrundlage.

Gerling-Hochhaus

Das Hochhaus wurde 1953 eingeweiht. Den Entwurf von Hentrich und Heuser hatte Hans Gerling maßgeblich überarbeitet.

1 Kommentar

Wer braucht sowas.
Ist Köln nur noch für REICHE Snobs?
Warum fördert eine Stadt sowas?