Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Kirchengeschichten: St. Johannes XXIII

Analoge Recherche

Zu Ostern haben wir einen kleinen Text zur Kirche der Katholischen Hochschulgemeinde veröffentlich, der – so entnehmen wir nicht zuletzt auch der Resonanz auf facebook – auf großes Interesse gestoßen ist. Im Herbst dieses Jahres soll der Text in unserem Architekturführer erscheinen, in dem wir jedes Projekt mit einem Plan und einem (bauzeitlichen) Foto vorstellen. Bei zeitgenössischer Architektur ist das in der Regel kein großes Problem, schwierig ist es jedoch, wenn wir auf eine analoge Recherche zurückgreifen müssen, die Verfasser verstorben sind und sich die Unterlagen nicht da befinden, wo wir sie vermuten würde.

 

Pläne, Archive und Telefonbücher

Der Fall von Johannes XXIII erwies sich als ein genau solches Problem. Die Gemeinde besitzt außer einer Broschüre, die anlässlich des 60. Geburtstags von Josef Rikus veröffentlicht wurde, keinerlei Material über den Bau. Auch das Historische Archiv des Erzbistums Köln konnte keine Unterlagen in seinen Beständen finden. Und dies erklärt möglicherweise auch, warum St. Johannes XXIII eine von drei Kirchen ist, die in der zweibändigen Ausgabe „Neue Kirchen im Erzbistum Köln 1955 – 1995“ ohne Plan aufgeführt wurde. Ein Nachlass des Bildhauers Josef Rikus war nicht zu finden, wohl aber ein Eintrag unter dem Namen Buchmann im Telefonbuch von Dinslaken.

Dort sprach ich mit der Witwe von Hans Buchmann, der vor 10 Jahren verstorben ist. Sie hat den Nachlass ihres Mannes an das A:AI (Archiv für Architektur und Ingenieurbaukunst NRW der TU Dortmund) gegeben, damit es dort verwahrt und zugängig gemacht werden kann. Ich schickte ihr noch ein Foto der Kirche in ihrem heutigen Zustand, damit sie es zu den anderen Kirchen ihres Mannes hängen kann und den link zu koelnarchitektur. Nach einer Woche schrieb sie mir eine Email, in der sie mich darum bat, die Geschichte noch einmal zu korrigieren, denn der eigentliche Schöpfer der Kirche sei nicht Herr Rikus. Nun möchte ich an dieser Stelle noch einmal wiedergeben, was Frau Buchmann mir geschildert hat.

 

Schnitt der Kirche St. Johannes XXIII, aufbewahrt im A:IA, Dortmund

 

Ton, Papier und Wettbewerb

Das Bauamt der Diözese Köln hatte für den Bau von zwei Studentenheimen, einem Gemeinschaftshaus und einer Kirche für die katholische Studentengemeinde einen Wettbewerb ausgelobt, an dem auch ihr Mann teilgenommen hat. Bei einer Ortsbegehung traf er den Pfarrer der Studentengemeinde, Herrn Dr. Nissen. Unter den Studenten herrschten kontroverse Meinungen für und gegen das Projekt, vor allem gegen den Bau der Kirche. Herr Dr. Nissen brachte den Bildhauer Josef Rikus aus Paderborn ins Gespräch, mit den ihn eine lange Freundschaft verband und bat Buchmann darum, ihn mit in die Diskussion einzubeziehen.

Buchmann zeichnete und Rikus brachte ein Stück Ton mit, aus dem nach langem Probieren, die ersten äußeren Formen der Kirche entstanden. Nach der Gestaltung der äußeren Form, stellte sich die schwierige Frage, wie der Innenraum zu konstruieren sei – wie der sakralen Raum, das Innere in die äußere Hülle einzubringen sei. Wie konnten die Fragen der Statik und der Tragfähigkeit gelöst werden? Frau Buchmann, die häufig an den Diskussionen teilgenommen hat, berichtete, dass es oft schwierig war, dem Bildhauer die Möglichkeiten der Architekten zu „übersetzen“. So sei die Form des Stammes oder der Wurzel Jesse entstanden. Dieser Stamm habe auch das Problem der Tragfähigkeit gelöst.

Grundriss der Kirche St. Johannes XXIII, aufbewahrt im A:IA, Dortmund

 

Mit dem Entwurf für das gesamte Ensemble, bei dem vor allem die Kirche überzeugte, hat Hans Buchmann den Wettbewerb gewonnen, Josef Rikus aber immer mit einbezogen. Leider habe sich Herr Rikus etwas später dann als Urheber der Kirche ausgegeben, von Herrn Dr. Nissen aus alter Freundschaft unterstützt. Ihr Mann, sagte Frau Buchmann, habe darauf verzichtet, in den Veröffentlichungen die wirkliche Entstehung der Kirchenform zu berichtigen, da Herr Dr. Nissen erkrankte und starb.

Inzwischen sei auch Herr Rikus verstorben und seine Frau habe, als sie das Gesamtwerk ihres Mannes posthum öffentlich präsentierte, immer auch die Kirche in den Vordergrund gestellt. Hans Buchmann selbst habe sich dazu nie schriftlich  geäußert, weil er dieses nach dem Tode der beiden Herren als nicht angebracht ansah.

 

Kirche, Konzil und äußere Form

Frau Buchmann bat mich nun darum, die Kirche aus architektonischer wie aus künstlerischer Sicht als Gemeinschaftsarbeit anzusehen und zu würdigen. 45 Jahre ist die Kirche St. Johannes XXIII nun alt, für einen Sakralbau also noch recht jung. Bis heute hat sie eine unglaubliche räumliche wie atmosphärische Wirkung. Sie ist äußerst modern und der Mut ihrer Schöpfer, Neues zu wagen und Traditionen in Frage zu stellen, ist bis heute präsent. Um ein solches Projekt zu realisieren braucht es mehr als einen Kopf. In diesem Fall ist es wohl dem äußerst konstruktiven Zusammenwirken der Herren Buchmann, Rikus und Nissen zu verdanken, dass die Form nicht nur erdacht, sondern auch konstruiert und realisiert werden konnte.

Es ist ein äußerst eigenwilliger und kirchenpolitisch relevanter Bau, der den Namen eines mutigen Mannes trägt. Mit der Heiligsprechung des Konzilpapstes im April diesen Jahres wurde nun auch der Name der Kirche offiziell in „Kirche der KHG – St. Johannes XXIII“ geändert.

Mein großer Dank gilt Regina Wittmann, die nach längerer Suche im A:AI fündig geworden ist und mir das Planmaterial schicken konnte. Und wie es der Zufall wollte, tauchen auch im Bistumsarchiv noch Unterlagen auf.

 

Uta Winterhager

 

 

A:AI Archiv für Architektur und Ingenieurbaukunst NRW

 

3 Kommentare

Sehr geehrte Frau Winterhager,
eher zufällig fand ich Ihren Text. In meiner ZP habe ich mich mit der Kirche auseinandergesetzt, es ging um eine kunsthistorische Fragestellung im Vgl. zu Fritz Wotruba(Kirche Hl. Drefaltigkeit Wien). Nach Auswerung u.a. der Bauakten im Erzb. Archiv, Archivalien von Dr. Wilhelm Nyssen und des Stadtarchivs Paderborn ist die Aussage Herr Buchmann sei gleichsam der „Schöpfer“ nicht zutreffend. Auch der Oberbauleiter und leitende Ingenieure des Baues kommen zu anderen Ergebnissen. Bitte beachten Sie auch das die Fenster keineswegs von Thonett stammen, ein Briefwechsel und ein Eintrag im Baubuch weisen auf die Urheberschaft von Josef Rikus hin. Bitte prüfen Sie das sehr genau.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas van Nies M.A.

Sehr geehrter Herr van Nies, vielen Dank für Ihren Kommentar. Wie es scheint, sind Sie doch tiefer in die Thematik eingestiegen als ich. Was ich in diesem Text widergegeben habe, ist der Inhalt des Schreibens von Frau Buchmann. Natürlich hat sie als Witwe des Architekten eine ganz eigene Perspektive. Was ich aber nun verstanden habe, ist, dass die Urbehberschaft bei dieser Gemeinschaftsarbeit im Nachhinein nie eindeutig kommuniziert wurde und jede Partei eine eigene Auffassung davon hat. Insofern fände ich es sehr interessant, wenn ich Ihre Arbeit, einmal lesen könnte – haben Sie sie veröffentlicht?
Mit freundlichen Grüßen, Uta Winterhager

Sehr geehrter Herr van Nies,
sehr geehrte Frau Winterhager,
es handelt sich hier um eine in der Tat einmalige Kirche, deren eingefangene Kreativität
sicher ausreicht, mehreren Schöpfer die gebührende Achtung zu erweisen.
Frau Winterhager hat versucht dies angemessen zu berücksichtigen, und ich glaube auch Verstorbene können damit leben.
Ich finde es allerdings durch Unkenntnis geprägt, wenn H. van Nies eine Position bezieht, die Schwerpunkte setzt, wo kein Gewicht hinter steht.
Tatsache ist dich wohl unbestritten, dass mein Vater, damals in Köln unbekannt, einen großen Wettbewerb gewonnen hat, eben mit ersten Gedanken zum Kirchenbau. Ein schöpferischer Akt, der prämiert wurde.
Unbestritten ist ebenfalls, dass es ausgerechnet mein Archiv ist, aus dem ich der Uni Dortmund Pläne überlassen habe (sh.oben) deren entwurflicher Charakter doch wohl klar erkennbar ist.
Ich halte es für angemessen, dieses Werk als das zu bezeichnen, was es war : eine Teamarbeit im besten Sinne.
Für das Bauwerk jedenfalls wäre es wesentlich wichtiger, etwas für die Bausubstanz zu tun,
als einen unlösbaren Konflikt zu pflegen.
Die vielleicht genaueste Zeugenschaft ist jedoch eine, besser als jeder Oberbauleiter,die 47 Jahre beteiligt war an allem. meine!
Stefan Buchmann, Dipl. Ing., Architekt