Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Guiding Architects @Home

Die leere Stadt – was tun die Guiding Architects, wenn sie Zuhause festsitzen?

Was tun Guiding Architects, wenn sie zu Hause festsitzen? Klar, wir alle in unserem weltweiten Netzwerk für Architekturtouren, denken über virtuelle Touren nach, entwickeln neue Programme für die nächste Saison, aktualisieren unser Präsentationsmaterial, arbeiten neue Ideen aus….
Aber so schlimm die Situation auch ist, sie bietet uns doch ein paar Chancen  – etwa, unsere Städte einmal mit anderen Augen zu sehen.

Alle zwei Wochen berichten wir über unsere Eindrücke und Erlebnisse in der Krise. In der zweiten Folge der neuen Interviewreihe teilt Ira Scheibe von koelnarchitektur.de ihre Beobachtungen aus Köln.

 

1. Leer
Für gewöhnlich sind viele attraktive Plätze und Gebäude von Einheimischen und Touristen überlaufen, und wir neigen daher dazu, sie aus unserem Alltag auszublenden. Doch nun sind unsere Städte plötzlich leer.

Welche architektonisch und städtebaulich interessanten Orte würdest Du nun bei Euch am liebsten erkunden?

Ira Scheibe: Die menschenleere Domplatte. Ganz allein stehe ich vor diesen steil aufragenden Steinmassen. An der Ecke, die sonst umtobt ist vom Stadtverkehr, Touristengruppen, WDR Mitarbeitern, Bimmelbahn und Bussen, sitzt ein Paar und staunt so still wie ich. Welcher Film wird hier gedreht? Oder träume ich? Diese Zeit macht uns auch Geschenke.

Die leere Stadt, die leere Domplatte und die Domschweizer warten auf Besucher. © Foto: Barbara Schlei

 

2. Virtuell
In Zeiten der Quarantäne können wir vom Mobiltelefon aus binnen weniger Sekunden rund um den Globus reisen und dank detaillierter Luftbilder und Straßenaufnahmen ungeahnte Einblicke erhalten.

Kannst Du ein Beispiel nennen für eine durch die Sicht vom Himmel determinierte Architektur an Deinem Standort?

IS: Oswald Mathias Ungers hat Architektur konsequent gedacht und gebaut. Deshalb ist das Dach des Wallraf Richartz Museums einen Besuch wert. Es ist tatsächlich die fünfte Fassade des Gebäudes. Das Nachbargebäude im Süden hingegen hat gar kein Dach. Die Ruine von St. Alban ist ein Mahnmal gegen den Krieg.

3. Revitalisiert
In vorangehenden Krisen hat stets die ältere Generation unseren Jungen helfen müssen. Jetzt ist es genau umgekehrt.

Wie geht man in Deiner Stadt mit alter, brachliegender oder verlassener Bausubstanz um?

IS: Aus der Bevölkerung und Architektenschaft gibt es ein riesengroßes Interesse, solche Stätten zu erhalten. Doch das Potential unserer Verwaltung setzt Grenzen, und solche Projekte dehnen sich oft in die Endlosigkeit. Auf dem Gelände der ehemaligen Gummifabrik Clouth gibt es ein schönes Beispiel für privates Engagement: Den Baugruppen wurde ihr Grundstück an der Nordostecke des Areals nur zugestanden mit der Auflage, ein altes Pförtnerhäuschen zu erhalten. Es dient heute als Gemeinschaftsraum für die beteiligten Familien.

 

4. Versteckt
Als Guiding Architects warten wir sehnsüchtig auf den Moment, ein dem wir erneut die geheimen Orte unserer Städte besuchen und mit unseren Gästen teilen können.

Kennst Du ein Projekt in Deiner Stadt, das man auf den ersten Blick nicht wahrnimmt.

IS: Es ist wenig bekannt, dass wir in NRW und schwerpunktmäßig in Köln den weltweit größten Bestand an Kirchen der Moderne haben. In Kölner Norden gibt es einen besonders wichtigen Kirchenraum aus den 1930er Jahren, bei dem erstmalig in unseren Breiten Beton für ein sakrales Bauwerk verwendet wurde: St. Engelbert von Dominikus Böhm. Beton kann ja sowas von sakral sein!

Ausblick aus Kolumba in die Stadt © Foto: Barbara Schlei

 

5. Wertvoll
Plötzlich sind wir gezwungen, innezuhalten und auf alles Unnötige zu verzichten. Unsere Umwelt bekommt eine Verschnaufpause, und wir können uns endlich auf das Wesentliche konzentrieren.

Kannst Du ein Projekt in Deiner Stadt vorstellen, das auf besondere oder ungewöhnliche Art mit dem Thema Nachhaltigkeit umgeht?

IS: Ach, auch wenn es wenig originell ist und die meisten es schon kennen, aber das erzbischöfliche Museum Kolumba von Peter Zumthor ist wirklich DAS Paradigma für Nachhaltigkeit, in Hinblick auf Ressourcen, auf den Energiehaushalt, auf das künstlerische Konzept und die Historie. Aber das alles zu erläutern, dazu fehlt mir hier der Platz – demnächst live und in Farbe, hoffentlich!

 

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