Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Deja Vu

Eine Ausstellung im LABOR Ebertplatz

„Die Betonfassade der Kunsthalle, einst entworfen von Ernst Wille, galt vielen als nicht mehr zeitgemäß. Ebenso gehört das Jammern über die Hässlichkeit des Ebertplatzes zum Kölner Selbstverständnis. Doch was, wenn alle sperrigen Betonbauten der 50er bis 70er Jahre verschwinden? Wo bleibt neben dem Respekt vor lebendigen Räumen der Kunst das historische Bewusstsein für die manchmal sperrige Betonarchitektur?“

Mit diesen Worten endet der Pressetext zur aktuellen Ausstellung im LABOR Ebertplatz. Dort zeigt der Kölner Künstler Ion Willaschek die letzte Ausstellung – wirklich, die allerletzte – die in der Josef-Haubrich-Kunsthalle stattgefunden hat. In einer Guerilla-Aktion waren dort Willaschek und zwei weitere junge Künstler auf die Baustelle gestiegen und hatten ihre Werke gehängt. Mitten in den Abriss der Kunsthalle, die an diesem Ort seit 1967 Geschichte geschrieben hatte. Geplant als Ausstellungsort für die Kölner Kultur war sie in einer Zeit entstanden, als Köln der Nabel der Kunstwelt war. Die Identifikation der Kunstszene mit dem später in Josef-Haubrich-Kunsthalle umbenannten Gebäude war groß. Man schätzte diesen unabhängigen Ausstellungsort und es kam zu einer großen Protestaktion, als der Abriss beschlossen wurde. Das Loch – so nannte sich ein Verein, die sich nach den ersten Protesten der Initiative Haubrich-Forum ( KünstlerInnen wie Rosemarie Trockel oder Marcel Odenbach engagierten sich damals lautstark) formierte. Es ist schon erstaunlich, wie sich jetzt die Ereignisse wiederholen.

 

Wir sind gegen…

…die massive Vernachlässigung des Nachdenkens über öffentlichen Raum in Köln, der sich in der Missgestaltung vieler öffentlicher Plätze und Orte manifestiert.

Das Zitat entstammt nicht einer Erklärung der Galerien am Ebertplatz (könnte aber genauso auch von dort kommen), sondern steht auf der immer noch präsenten Website der Initative Anfang der 2000er. Das Engagement  gegen den Abriss der Kunsthalle führte damals übrigens zur Entstehung der European Society for Contemporary Art, aus der später die European Kunsthalle hervorging. Ein  Projekt, das vor ein paar Jahren auch mal am Ebertplatz aktiv gewesen ist. So schließen sich die Kreise. Oder man hat gleich mehrere Deja Vus. Kompliment für die gute Betitelung der Ausstellung an Ion Willaschek. Ihm ist es wichtig, auf die Parallelen hinzuweisen. „Der Abriss der Kunsthalle sowie der jüngste Umgang mit den Ebertplatzpassagen zeigen: Politisch zur Disposition stehen – damals wie heute –gewachsene und funktionierende Räume der Kunst in Köln.“

Gruppenausstellung J-H-Kunsthalle Willaschek Tunger Folgmann Dezember 2002 © Ion Willaschek

Die letzte Ausstellung in der Josef-Haubrich-Kunsthalle

Doch nun zu der damaligen Aktion, von der in der Projektgalerie am Ebertplatz einzelne Fotografien zu sehen sind. Und eine kleine Vitrine, in der Fundstücke von der Baustelle liegen. Inszeniert wie archäologische Fundstücke. Sofort kommt mir das kleine Fassaden-Detail in den Sinn, das an der Außenwand des Römisch-Germanischen Museums zu sehen ist. (Natürlich kennt Ion Willaschek das Relikt!). Schon damals, als die Künstler-Freunde den Niedergang der Kunsthalle am Neumarkt beobachteten, schien das übrig gebliebene Material eine ganz besondere Faszination auszuüben. Der Ort war aufgeladen durch viele bedeutende Ausstellungen und es entstand die Idee auf, sich auf eine gewisse Weise in diese Geschichte einzuschreiben, indem man kurzerhand die eigenen Werke an die noch stehenden Reste der Kunsthalle klebte. “ … mit doppelseitigem Klebeband irreversibel fixiert, sodass sie dem letzten Schritt des Rückbaus zum Opfer fielen. Somit endete die Ausstellungsgeschichte des Haubrich-Forums erst mit dem letzten Schlag der Abrissmaschine.“

Eine mehrteilige Wandmalerei in der Tiefgarage des Komplexes hat Willaschek übrigens mit dem Fluxus-Künstler Wolf Vostell verbunden, der  1970 an genau dieser Stelle eine Arbeit installiert hat: das Thermoelektronische Kaugummi (T.E.K).

Die Stadt braucht ein Forum für die Kultur

„Die Kunsthalle ist ein kastenartiger Bau des Architekten Franz Lammersen, das auffälligste Element ein Relief an der Fassade – alles zusammen schön hässlich.“ So schrieb der Spiegel in einem Interview  mit Udo Kier, der sich damals auch für den Erhalt der Kunsthalle eingesetzt hat. Gemeinsam mit dem VHS-Forum und der Zentralbibliothek hatte man in den 60er und 70er Jahren hier zentral am Neumarkt ein kulturelles Forum entstehen lassen, dessen einzelne Gebäude als Ensemble geplant waren. Jetzt ist alles „fragmentiert“, wie Ulrich Krings es beschreibt. Franz Lammersen war angestellter Architekt beim Städtischen Hochbauamt und hatte den Kunsthallenbau für Ausstellungszwecke pragmatisch gestaltet. Teil des Ensembles war auch der Kölnische Kunstverein. Ernst Wille hatte die Gestaltung eines Fassaden-Reliefs mit Beton-Fertigteilen übernommen.

Die erste Ausstellung, die in der neu eröffneten Kunsthalle gezeigt wurde, war übrigens „Die Römer am Rhein“ und erstmals konnten die Kölner das sensationelle Fundstück der Brüder Gens besichtigen: Teile des von ihnen am Chlodwigplatz entdeckten Poblicius-Denkmals wurden hier der Öffentlichkeit präsentiert.

© Ion Willaschek

Deja Vu – eine Ausstellung des Kölner Künstlers Ion Willaschek

Kehren wir nun noch einmal an den Ebertplatz zurück, der einige Jahre nach der Kunsthalle das Licht der Welt erblickte (1977 fertiggestellt). Das Engagement der Kulturschaffenden, die dort mit ihren Galerien und Ausstellungen den öffentlichen Raum beleben, ist wertvoll und unverzichtbar. Und so wirkt die letzte Ausstellung in der dahinschwindenden Kunsthalle auf mich wie ein Statement zur Frage, wem die Stadt gehört. Mit der Ausstellung beschwört Ion Willaschek den Gemeinschaftssinn, macht aber auch deutlich, welche Kraft künstlerische Interventionen entfalten können.

Wenn ich nun durch die LABOR Projektgalerie gehe, dann tue ich das auch im Gedanken an die jüngsten Diskussionen um die Räume dort. Ich stelle mir vor, sie wären bald nicht mehr vorhanden, die Zugänge auf den Platz hier vermauert. Mein Blick fällt dann auf das Foto mit der angefressenen Fassade der Kunsthalle. Das versetzt mir einen Stich. Von diesem erhole ich mich dann aber beim Anblick der mitten in einer Abriss-Szene sitzenden Künstler. Die Gesichter der Sonne entgegen. So schwingt diese Ausstellung zwischen Erinnerung und Mahnung. Zwischen Traurigkeit und Hoffnung.

© Ion Willaschek

Künstlergespräch zur Finissage in der LABOR Projektgalerie

Wer noch mehr über den Künstler Ion Willaschek erfahren möchte, dem sei das Gespräch mit ihm ans Herz gelegt, welches die Kunsthistorikerin Maria Linsmann-Dege am 2. März um 19.00 Uhr führen wird. So lange läuft auch die Ausstellung. Wer also zwischendurch mal schnell aus der U-Bahn hoch über den Ebertplatz laufen möchte, der sollte das auf jeden Fall tun. Die Galerie ist Freitag und Samstag jeweils von 17.00 bis 19.00 Uhr geöffnet.

 

Anke von Heyl

Der Text erschien zuerst auf der Internetseite DIE BRUTALISTEN der Initiative Brutalisten im Rheinland. Vielen Dank für die Zweitveröffentlichung.

Anke von Heyl ist Kunsthistorikerin, Museumspädagogin und Autorin. Als experimentierfreudige Kulturschaffende ist sie Spezialistin für partizipative Methoden und Social Media in der Kultur und bloggt in ihrem Blog Die Kulturtussi über Kunst und Kultur, Museen, Ort und Landschaften.