Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Kleinod des privaten Glücks

Ein Heimaturlaub in Kömpel im Oberbergischen Kreis

Kömpel ist ein Ortsteil von Morsbach im Oberbergischen Kreis. Hier ist es grün, manchmal aber auch – typisch bergisch – eher grau. Obschon nur eine knappe Autostunde von Köln entfernt ist es hier ruhig und beschaulich. Hier lebt jemand, dem es gut ergangen ist im Leben, der glücklich und gesund alt geworden ist und der dies auch zu schätzen weiß. Um seiner Dankbarkeit einen Ausdruck zu geben, entschied er sich eine Kapelle zu bauen und sie der Maria von der Immerwährenden Hilfe (ital.: „Madonna del Perpetuo Soccorso“) zu widmen. Altmodisch klingt das vielleicht, doch ist sein Wunsch nach einem Ort, an dem sich Dankbarkeit und Glaube manifestieren können, überaus zeitgemäß.

 

Man muss sie suchen und ein Stück weit laufen, Kapelle in Kömpel im Oberbergischen Land © Lageplan LHVH Architekten

 

Refugium

Es sollte ein besonderer Ort sein, nicht außergewöhnlich im Sinne von auffällig und exzentrisch, sondern stimmig. Vorgefundenes und Gemachtes, Landschaft und Architektur sollten eins werden, ein Bild für das Gute. Die Verwandtschaft aber auch unvermitteltes Einverständnis über Inhalt und Form der kleinen Baumaßnahme mit Frank Holschbach vom Kölner Büro LHVH Architekten führten zu seiner direkten Beauftragung. Einen geeigneten Platz fand der Bauherr auf eigenem Grund, er liegt im Wald und erfordert einen kleinen Spaziergang, sodass allein die Lage ihn zu einem Rückzugsort macht.

Die 2015 fertig gestellt kleine Kapelle erscheint wie eine Schutzhütte in den Bergen, ihre wahre Größe gibt sie jedoch erst im Vergleich mit dem Menschen als Maßstab zu erkennen. Sie steht auf einem kleinen Plateau am Hang, der ihr mit hohen Nadelbäumen Rückendeckung gibt.

 

Die wahre Größe der Kapelle zeigt sich erst, wenn der Mensch den Maßstab bildet © Schnitt LHVH Architekten

 

Der Weg weitet sich zum Plateau, die Stützmauer wird zu der einen Wand, die das Bauwerk formt © Grundriss LHVH Architekten

 

Der auf ovalem Grundriss stehende Baukörper erscheint in die Landschaft hinein und aus ihr heraus entwickelt worden zu sein. Zuerst stand die Stützmauer, die erst langsam, dann sehr plötzlich an Höhe gewinnt, sich schneckenförmig eindreht und schließlich zu einem Oval schließt. Die Ansicht jedoch wirkt nicht organisch verspielt, sondern behauptet sich mit einer zeitgemäßen Form durch lotrechte Wände und ein flaches Dach. Ein Fremdkörper ist die Kapelle allerdings nicht, denn die Hülle dieser künstlich-künstlerischen Figur vermittelt zwischen dem bewegt Ursprünglichem und dem kontrolliert Konstruierten. Denn das Mauerwerk aus heimischer Grauwacke steht als dicke vielfarbige Steinschicht vor der Betonmauer, lässt den im Grundriss filigranen Baukörper massiv und ortverbunden erscheinen. Die Lagen und Fugen sind perfekt ungleichmäßig, etwas, das die Handwerker erst an einer nun verborgenen Stelle lernen mussten.

 

Die Stützmauer geleitet die Besucher in den Kapelle, bei Einbruch der Dämmerung unterstützt das Licht die Wirkung dieser Geste. Sehr schemenhaft nur schwebt ein in das Glas über der Eingangstür geätzter Engel. © Foto Lukas Roth

 

Die Insignien des Sakralbaus, Glocke und Kreuz, sitzen direkt auf der Wand, die Aussage ist eindeutig, aber nicht überbetont, wie man es früher vielleicht gewollt hätte. Der Turm, der mit 7,5 Metern eigentlich nur ein Stumpf ist, braucht in der Landschaft nicht mehr an Höhe um sich zu erheben.

 

Die Landschaft gibt der Kapelle Rückendeckung, diese wiederum wirkt wie eine Schutzhütte, die Wanderer in den Bergen finden. © Foto Lukas Roth

 

Material und Handwerk

Die Stützmauer leitet die Besucher in den sich trichterförmig verjüngenden Vorraum des Andachtsraumes, der erst mit einer Tür, ein paar Schritte weiter innen an seiner schmalsten Stelle mit einer Gittertür verschlossen werden kann. Die Bogenform der geöffneten Gittertür fügt sich in die Rundung der Wand ein, um nicht zum Hindernis zu werden, für die Schmiede Münks war das von den Architekten als Raumfachwerk entworfene sechs Meter hohe Werkstück eine ungewöhnliche Herausforderung seines handwerklichen Könnens.

 

Durch die gekrümmte Form fügt sich die Gittertür in den Bogen der Wand ein © Foto Lukas Roth

 

Der Andachtsraum der Kapelle hat – konsequenterweise – keinen direkten Bezug nach außen. Die mit dunkelgrauem Kratzputz überzogenen Wände erinnern an die weiche Innenseite der Schalen von Zitrusfrüchten, gehören also eher noch zum Außen als zum Innen. Der Innenraum ist dunkel, die Intimität sofort spürbar. Fenster liegen in Blickrichtung der vier Bankreihen aus Eichenholz hinter dem Altar, sie sind jedoch als raumhohe, dreigeteilte Nischen in die volle Tiefe der Wand eingesetzt. So fällt der Blick aus dem Andachtsraum nicht nach draußen, selbst das Tageslicht zeichnet sich, gefiltert durch die abstrakten Malereien des Glasmalers Gerlach Bente auf den Fenstern, nur schemenhaft in Form bunter Lichtbilder auf den glatten, pulverbeschichteten Metallflanken der Nischen ab. Diese bilden dadurch einen natürlichen Rahmen für das in der zentralen Achse an der Wand hängende hölzerne Kruzifix. Der darunter stehende Altar ist ein glatt geschliffener Zylinder aus Grauwacke. Ganz ohne Schmuck und Konturen ist es allen die Beschaffenheit der Oberfläche, die ihn heraushebt, während die Materialität den Ortsbezug der Fassade wieder aufgreift.

 

Licht und Lichtspiele gestalten den Innenraum auf unaufdringliche, immaterielle Weise © Foto Lukas Roth

 

Die vom Stand der Sonne und von der Tageszeit erzeugten sich stetig wandelnden Lichtbilder ergänzen drei unterschiedliche, von arens faulhaber lichtplanung entworfene Lichtszenarien für Messe, Gebet und Einblick, während der Zeiten, zu denen der Andachtsraum mit dem Gitter verschlossen ist.

Die kleine Kapelle in Kömpel ist ein besonderer Ort. Ein Sakralbau, dessen Funktion wenig Erläuterung bedarf, weil sie spürbar ist. Dazu tragen die verwendeten Materialien bei, die ortsverbunden sind und traditionell verarbeitet wurden, um etwas ganz Zeitgemäßes zu erzeugen. Aber es sind auch die nicht fassbaren Qualitäten, das Spiel des Lichts, die Heranführung und schließlich die Geborgenheit des Innersten.

 

Uta Winterhager

 

© Foto Lukas Roth

 

Alle Fotografien sind von Lukas Roth