Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Ganz ohne Rekonstruktion

Das BDA Montagsgespräch am 11. Dezember beschäftigt sich mit dem Weiterbau der Kölner Altstadt

Im Rahmen aktueller Innenentwicklungen werten zahlreiche Großstädte ihre in die Jahre gekommenen Innen- und Altstädte auf. So auch Köln! Der „Masterplan Innenstadt Köln“ von Albert Speer hat dazu 2009 die Grundlage gelegt. Seitdem werden erste Projekte umgesetzt, die Arbeiten an der östlichen Domplatte sind sogar bereits weitgehend fertiggestellt. Prominentestes Bauprojekt ist derzeit das LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln, welches auf und unter dem Kölner Rathausplatz als Kooperationsprojekt von LVR und der Stadt Köln entsteht.

Die Kölner Altstadt wird weitergebaut!

Nach jahrelangen Diskussionen um die Finanzierung, um das Wettbewerbsergebnis, um das Bodendenkmal, um die historische Bewertung der Funde, schließlich um das Raumprogramm und die Kosten mutet es fast wie ein weiteres Kölner Wunder an, dass derzeit zügig gebaut wird. Doch sieben Jahre nach dem Wettbewerb zum Neubau des Jüdischen Museums und der Erweiterung der archäologischen Zone gehen die Planungen von Wandel Lorch nun in die Realisierung. Auch ein griffiger Name ist gefunden: MiQua soll das neue Museum heißen.

Das neue Museum ist dabei Teil einer ganzen Reihe von Neubauprojekten in der Altstadt. Die östliche Domplatte und der Kurt-Hackenberg Platz sind fast fertig, die Erweiterung des Wallraf-Richartz-Museums verzögert sich, die „Historische Mitte“ am Roncalliplatz könnte demnächst beauftragt werden. Bemerkenswert ist, dass anders als in den Innenstädten von Berlin, Potsdam, Frankfurt oder Dresden in der Kölner Altstadt „zeitgenössisch“ und nicht „rekonstruktiv“ gebaut wird.

Wir möchten einen Rückblick in die Geschichte der Altstadt wagen, um zu verstehen, warum Köln sich so eindeutig zum „modernen“ Bauen in der Altstadt bekennt und
uns den Planungs- und Baustand des „MiQua“ vorstellen lassen, in den das Jüdische Museum-Archäologische Zone voraussichtlich Ende 2019 einziehen wird.

Begrüßung und Einführung

  • Prof. Andreas Fritzen, Vorstand BDA Köln, führt in das Thema Altstadt, Rekonstruktion und aktuelle Kölner Projekte ein.

Vorträge

  • Prof. Dr. Hiltrud Kier, frühere Stadtkonservatorin der Stadt Köln beschreibt die historische Entwicklung der Altstadt, insbesondere vor und nach dem zweiten Weltkrieg
  • Dr. Thomas Otten, Gründungsdirektor der Jüdischen Museum-Archäologische Zone, erläutert die Ausstellungsplanung und die Archäologie
  • Prof. Wolfgang Lorch, Wandel Lorch Architekten, Saarbrücken zeigt den aktuellen Planungsstand und erläutert das Architekturkonzept

Podiumsdiskussion

  • Anne Luise Müller, Leiterin Stadtplanungsamt, Köln
  • Prof. Dr. Hiltrud Kier, frühere Stadtkonservatorin der Stadt Köln
  • Dr. Thomas Otten, Gründungsdirektor der Jüdischen Museum-Archäologische Zone
  • Prof. Wolfgang Lorch, Wandel Lorch Architekten, Saarbrücken

Moderation

  • Prof. Andreas Fritzen, Vorstand BDA Köln

Die Veranstaltung ist bei der AKNW als Fortbildung mit zwei Unterrichtsstunden genehmigt. Für die Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung erheben wir vor Ort eine Gebühr von 10 Euro. Für BDA-Mitglieder ist die Bescheinigung kostenfrei

11. Dezember 2017

Domforum
Domkloster 3
50667 Köln

10 Kommentare

köln bekennt sich auch deshalb gegen das rekonstruktive bauen heute, weil es direkt nach dem krieg die kern-altstadt exakt auf demselben zuschnitt wiederaufgebaut hat (und dabei ja auch einiges rekonstruiert hat) wie sie vorher war, während in FFM der altstädtische zuschnitt verworfen und ganz anders überbaut wurde bzw. in dresden um die frauenkirche einfach brache war – dort musste man also mit einem ganz anderen dilemma fertig werden. zu der frage, warum heute rekonstruieren, was 70 jahre lang nicht mehr steht, finde ich kölns haltung klasse: auch weil man in köln weiß, dass es so viele echte und kunsthistorisch wichtige alte denkmäler gibt (die romanischen kirchen aber auch andere kirchen und denkmäler in der altstadt sowie die mittelalterlichen stadtmauerreste), dass eine handvoll disney-land-häuser qualitativ keinerlei mehrwert hätten – und schon gar nicht eingang in die kunstführer der stadt fänden, die dick genug sind! tatsächlich existiert fast jede sehenswürdigkeit auf den vorkriegsstadtplänen in irgendeiner form auch heute wieder – das wird bei all dem köln-bashing gerne vergessen. der wiederaufbau in köln war eigentlich, sieht man von den großen strassen ab, ziemlich konservativ…

Hallo,

Ich bin nicht aus der Branche, gehe allerdings mit offenen Augen durch die Stadt….
tut mir leid, aber selbst mit guten Willem und eloquent vorgetragener Verteidigung….
Grausam

Wieder dieses Rekonstruktionen-Totschlag-Argument „disney-land-häuser“. Was ist denn, bis auf die historischen Architekturbauten, an der „Visualisierung Museumsneubau“ klasse zu nennen? Da ist, baukünstlerisch betrachtet und inklusive Freiraum, so ziemlich alles verunglückt. Für mich Ausdruck frustrierender Langeweile.
Jede Epoche hat rekonstruiert, sonst gäbe es viele Baukunstwerke einfach nicht, wie den freistehenden Turm auf dem Markusplatz in Venedig. Wer spricht von den Aber-Millionen Touristen denn dort von „Disneyland“? Oder soll man die durch den IS zerstörten Tempelanlagen von Palmyra deswegen nicht wiederaufbauen, nur um ein „Disneyland“ zu vermeiden? Es ist rückwärtsgewandt, sich gegen die massiv zunehmenden Forderungen nach Rekonstruktionen in den kriegszerstörten Städten auszusprechen. U. a. auch Köln bekennt sich nur deswegen gegen das rekonstruktive Bauen heute, weil die Modernisten ihre Felle davonschwimmen sehen.

Der einzige Grund um überhaupt rekonstruktiv zu bauen ist doch, dass modernes Bauen so unglaublich lieblos und enttäuschend ist.

Ich (und viele andere), hätten nichts gegen moderne Gebäude, wenn diese ein Minimum an Aufenthaltsqualität und Ästhetik bieten könnten.

Der Historismus hat sich jedenfalls munter an allen möglichen Epochen und Stilen bedient, der Art Deco hat das alles über den Haufen geworfen und neu erfunden und trotzdem: Diese Stile sind nach wie vor begehrt, weil sie ästhetische Aspekte in den Vordergrund rückten.

Die klassische Moderne aber, lässt ihre voll Kälte dadurch entstehen, dass sie reine Funktionalität als „Gott“ sieht und jegliches Ornament als „Verbrechen“ (Adolf Loos, „Ornament und Verbrechen“).

So ist die Moderne – auch in Köln – zum Scheitern verurteilt.

Hallo erna erika.
Schön dass sie hier die Vorzüge von Kölns architektonischem Selbstverständnisses, wie es seit der Nachkriegszeit abseits der kleinen Altstadtinsel vorherrscht, ehren. Man könnte direkt glauben, die Mission des BDA bestehe darin, Köln zu einem Sehnsuchtsort an architektonischer Schönheit zu verwandeln. Doch halt! Warum überkommt mich beim Stadtspaziergang regelmäßig das Schaudern angesichts der Neubauten, die sich meist am Vorbild des grauen Würfels orientieren??
Doch vielleicht, aber nur vielleicht wird man in 50 oder 100 Jahren mit Überzeugung sagen können, die Bürger der Städte Dresden, Potsdam, Frankfurt usw. hatten Recht in dem was sie taten. Genauso wie wir es heute von denen sagen, die ihre Städte unmittelbar nach dem Krieg der Tradition verschrieben haben.

Sehr schade, dass ganz auf Rekonstruktion verzichtet wird und dieser Verzicht mit Stolz und in Abgrenzung zum Vorgehen anderer Städte vorgetragen wird. Rekonstruktionen sind auch eine Antwort auf die städtebauliche Ödnis, die – mit wenigen Ausnahmen – unsere durch die Nachkriegsmoderne geprägten Städte kennzeichnet. Ästhetische Kategorien sind in den letzten Jahrzehnten weitgehend zurückgetreten zugunsten einer Baumaxime, die durch reine Funktionalität geprägt ist. Schönheit und städtebauliche Identität werden nicht als relevante Kategorien betrachtet, es zählt als Qualität nur das Neue an sich. Mit den trostlosen Ergebnissen dieser Vorgehensweise sind wir jeden Tag vielerorts konfrontiert.
In allen Epochen wurde architektonisch rekonstruiert und es gibt unzählige Beispiele dafür, wie wichtig und gelungen diese Rekonstruktionen sind (das Bespiel Markusplatz in Venedig wurde schon genannt). In Polen wurden die im Krieg zerstörten Altstädte historisch rekonstruiert und üben heute eine große Identität stiftende und ästhetische Anziehungskraft aus. Wie sieht es demgegenüber in vielen deutschen Städten wie Hannover, Bielefeld, Gießen, etc., und leider auch an vielen Orten in Köln aus? Für Köln wäre es ein großer Gewinn gewesen, wenn nicht nur die romanischen Kirchen wiederaufgebaut und rekonstruiert worden wären. Leider ist mit den aktuellen Bauvorhaben in der Altstadt eine wichtige städtebauliche Chance vertan worden.

Ich mach’s kurz: Ohne Rekonstruktionen (am besten alles) kein Glanz. Aus gestalterischer Sicht und aus Sicht des Wohlfühlens nicht diskutabel.

Es ist doch interessant – ich schaue mir die Visualisierung an, und finde auf Anhieb das historische Gebäude auf der linken Bildseite „schön“. Liegt die Antwort vielleicht nicht in der Rekonstruktion aber in einem Ende der vehementen Ablehnung historischer oder traditioneller Bautypologien und Formensprache?