Auf der Suche nach innerstädtischen Flächen für den Wohnungsbau stieß Baudezernent Franz-Josef Höing auf genossenschaftliche Wohnsiedlungen in Köln, viele davon parkähnlich angelegt. Zusammen mit sechs Wohnungsbaugenossenschaften und Wohnungsgesellschaften wurden acht Standorte ausgewählt, meist 50er und 60ger Jahre Siedlungen in klassischer Zeilenbauweise. Sechs Monate lang, bis November 2015, wurde eine Entwurfswerkstatt durchgeführt, zu der insgesamt 26 Architekturbüros geladen waren.
Eine Umsetzungsverpflichtung ergab sich aus dem Verfahren nicht. Beim letzten Montagsgespräch des BDA präsentierten die Büros nun ihre Ergebnisse – fast zwei Jahre nach Beendigung des Verfahrens. Das heißt aber nicht, dass sie ihre Pläne aus den Schubladen hervorkramen mussten. Nur eins der acht Projekte ist „vom Tisch“: Der Beitrag für die Bergstrasse in Mauenheim, der Ausbau einer Hofanlage, wurde als unrealistisch eingestuft. Drei Projekte werden derzeit konkret vorbereitet, und auch für die restlichen vier gibt es Absichtserklärungen. Und das ist der Grund für die vorsichtige Veröffentlichung: 60 Bestandswohnungen werden abgerissen, die Bewohner sollten es nicht aus der Zeitung erfahren.
Nur Eichhörnchen im Park
Was euphemistisch mit „Nachverdichtung“ bezeichnet wird, lässt sich oft umgangssprachlich mit „Zubauen“ übersetzten. In den meisten Siedlungen herrscht allerdings eine merkwürdige, seit der Nachkriegszeit konservierte Leere der Freianlagen. Die Grünflächen rund um die Häuser waren das Pendant zum Spitzendeckchen unter der Blumenvase: Niemand wäre auf die Idee gekommen, sie zu nutzen.
„Es ging darum, die Siedlungen weiter zu entwickeln und die Nachbarschaften mitzunehmen, d.h. auch den Bestand zu optimieren“, erläutert Martin Frysch, Vorstand der Gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft Köln-Sülz eG und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Kölner Wohnungsunternehmen e.V. Teil der Konzepte waren dementsprechend alternative Mobilitätskonzepte, eine Aufwertung der Grünzonen und die Schaffung von Barrierefreiheit.
Wohnen plug & play in Holweide – roedig.schop Architekten
Für die Rudolf-Breitscheid-Straße schlagen roedig.schop Architekten aus Berlin Aufstockungen und Anbauten aus Holzbau-Elementen vor, die modular für verschiedene Nutzergruppen zur Verfügung stehen, als Arbeitsplätze, Schlafräume für WG oder als Treffpunkt für Familien. Der Bestand von 468 Wohneinheiten ließe sich bei einer eingeschossigen Aufstockung um 160 Einheiten erweitern, bei einer zweigeschossigen um 320 Einheiten. In Neubauten sollen noch einmal 120 Einheiten entstehen.
„Möglichkeitsräume für die Kinder der Moderne“ – Ludloff + Ludloff Architekten
So nennen Ludloff + Ludloff Architekten ihren Ansatz für die Piccoloministraße, ebenfalls in Holweide gelegen. In der ersten Phase machen sie gedanklich noch einen Bogen um Dachaufbauten, „denn wir dachten, dafür hat man uns sicher nicht aus Berlin hergebeten“, so Laura Fogarasi-Ludloff. Doch dies erwies sich bald als Irrtum, und zusammen mit einer Zeilenverlängerung durch den Kopfausbau und Punkthäusern werden in der Siedlung mit ehemals 400 WE nun insgesamt 600 entstehen. Der Parkplatzschlüssel bleibt erhalten, indem die Garagen ins Untergeschoss verlegt werden. Die Bauvoranfrage ist bereits eingereicht.
Der Erlenweg in Bickendorf – Urmetzer und Schiefer
Auf vielfältige Wohnungstypen und einen Erschließungsmix setzt Thomas Schiefer von Urmetzer und Schiefer aus Köln. Die gängige Genossenschaftswohnung ist circa 60 qm groß, hier im Kölner Westen sollen aber auch 4-Raum-Wohnungen mit bis zu 105 qm entstehen. Private Eingänge direkt auf den Quartiersplatz sollen Belebung bringen. Zum Bestand von 58 Einheiten kommen 32 hinzu; der Bauantrag wird vorbereitet.
Langhaus Braunsfeld – Damrau Kusserow Architekten
In der Scheidtweiler Straße planen Damrau Kusserow Architekten aus Köln. Das Projekt unterscheidet sich von den bisher gezwigten, denn es geht um einen 130 Meter langen Baukörper entlang einer belebten Geschäftsstraße. Aus drei Einzelgebäuden wird ein durchgängiger Gebäudeköper. Der „urbane Sockel“ im Erdgeschoss fasst Gewerbeeinheiten und zwei Nachbarschaftshöfe. Darüber türmen sich verschiedene „Wohncharaktere“, die an der Fassade ablesbar sind: das klassische Familienwohnen, Senioren-WG, usw. Das 58 Wohneinheiten umfassende Projekt soll auf jeden Fall realisiert werden, derzeit wird das geeignete Verfahren diskutiert.
Schweizer Stöckli in Sülz – Duplex Architekten
Auf dem Eckgrundstück an der Palanter-/Marsiliusstraße muss das Gebäude von 1928 aufgrund einer Bodensenkung abgerissen werden. Duplex Architekten aus Zürich sehen hier eine adäquate Verdichtung des Bestands in der Erhöhung um ein Vollgeschoss und in Einbauten im Innern des Blocks. Die Hofräume werden als Familiengarten und Werkhof aktiviert. Markante Hofeinfahrten sorgen für identifizierbare Adressen und eine Belebung des Quartiers. In Themenhäusern entstehen bedarfsorientierte Wohnmodelle, inspiriert unter anderem vom Schweizer Stöckli, dem Auszugshaus oder Altenteil neben dem Haupthaus.
Kompakt, effizient und serienmäßig in Zollstock – Atelier Kempe Thill, Rotterdam
Für die Schwalbacher Straße liegt ein Entwurf vor vom Atelier Kempe Thill aus Rotterdam. In sehr einfacher Schottenbauweise sollen Neubauten vom Typ Laubenganghaus entstehen. Oliver Thill und André Kempe haben sich einen Namen gemacht mit kostensparendem, aber hochwertigem Wohnraum: „Wir arbeiten mit viel Vorfertigung, aber anti-Existenzminimum und für hedonistische Wohnfreude,“ drückt Oliver Thill das Credo des Büros aus. Solcherart sind bereits viele internationale Referenzprojekte entstanden, z.B. sozialer Wohnungsbau in Paris Montmartre – für die 45 neuen Wohnungen in Zollstock liegt aber leider noch keine Planungsbeauftragung vor.
Wohnen im Baumbestand – Hild und K Architekten
In Porz in der Röntgenstraße werden die zweigeschossigen Häuser aus den 50er Jahren wegen Baufälligkeit abgerissen. Hild und K Architekten aus München schlagen hier je zwei drei- und viergeschossige Häuser mit Durchgängen und leicht geschwungenem Grundriss vor. Hier könnten statt der bisher circa 50 Einheiten 100 neue Wohnungen entstehen – besonders attraktiv begrünt durch den alten Baumbestand auf dem Grundstück. Das weitere Vorgehen der Gewog ist aber noch unklar.
Insgesamt könnten in den Siedlungen bis zu 500 Wohnungen unterschiedlicher Größe neu entstehen, der Bestand wird bautechnisch und funktional modernisiert. Der Wettbewerb, der unter dem Motto „Zukunft Wohnen“ lief, sollte unbedingt Schule machen. Es wird sich langfristig auch für die Genossenschaften auszahlen, denn gute Architektur sorgt von alleine für gute Mieter.
Ira Scheibe