Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

„It must be tall, every inch of it tall“

Zwei Beispiele der Kölner Hochhäuser aus den Sechziger- und Siebzigerjahren

Die Hochhausentwicklung in Köln ist ein für Europa typischer Fall. Nachdem in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts nur vereinzelte Hochhäuser entstanden waren, belebte sich der Hochhausbau ab etwa 1960 deutlich. Bis zur Mitte der Siebzigerjahre entstanden Hochhäuser in höherer Frequenz als in jedem anderen Zeitraum.[1] Damals erarbeitete auch der Stadtplaner Werner Baecker erstmals ein Hochhauskonzept für Köln. Als er 1966 das Amt als Leiter des Bauaufsichts- und Stadtplanungsamts antrat,[2] wurden bereits vermehrt Hochhäuser gebaut. Durch seine hochhausfreundliche Einstellung, verstärkte er den bestehenden Trend zusätzlich.[3] Sein ‚Innenstadtkonzept‘ sah im Wesentlichen zwei Handlungsprinzipien vor: Hochhäuser sollten einerseits vom historischen Stadtkern ferngehalten und andererseits zur Akzentuierung wichtiger Verkehrsachsen genutzt werden. Köln mit seinem deutlich ausgeprägten Netz von Ring- und Radialstraßen bietet sich besonders für diese Vorgehensweise an. Speziell der Innere Grüngürtel, der an seiner Außenseite von der Inneren Kanalstraße begrenzt wird, sollte von Hochhäusern gesäumt werden, die als Orientierungspunkte dienen und „die moderne, ausgeweitete Stadt ablesbar und damit übersichtlich machen. […] Gelten soll dabei für die Höhe der Bauten das ‚Schlüsselprinzip‘. Im Gegensatz zu den historischen Bauten, die in der Mitte der Stadt im Dom kulminieren, soll die Höhe der modernen Bauten im Kern beschränkt sein und nach außen anwachsen.“[4] Gegen Ende der Siebzigerjahre wurden in Köln kaum noch Hochhäuser gebaut. Grund dafür war einerseits eine Ernüchterung über deren tatsächliches Erscheinungsbild und ein Nachlassen der Begeisterung für diesen Bautyp, andererseits hatten sich auch die Rahmenbedingungen gewandelt: Die Expansionsphase mit ihren großen Bevölkerungszuwächsen und Stadterweiterungen war abgeschlossen. Entsprechend wurde Baeckers Konzept nach Ende seiner Amtszeit, Anfang der Achtzigerjahre, ersatzlos aufgegeben.[5] Insgesamt entstanden im Kölner Stadtgebiet in den Sechziger- und Siebzigerjahren mehr als 25 Hochhäuser mit einer Höhe über 50 Metern.

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Hauptverwaltung der DKV Deutsche Krankenversicherung AG, Ecke Aachener Straße/Gürtel, Köln. © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Das DKV-Hochhaus an der Aachener Straße

Obwohl Baeckers Konzept erst 1973 veröffentlicht wurde, ist bereits das 1970 fertiggestellte Verwaltungsgebäude der DKV das erste Hochhaus, das sich mit seinem Standort an der Kreuzung des Gürtels mit der Aachener Straße merklich danach richtet. Heute wird es dafür kritisiert, dass es eine Sichtachse von der A4 auf den Dom verstellt.[6] Offenbar hat Baecker, dessen Konzept nur Sichtachsen innerhalb aber nicht von außen auf die Stadt berücksichtigte, ein Hochhaus an diesem Standort aber sogar regelrecht erzwungen. In einer zur Einweihung des Gebäudes von der DKV veröffentlichten Broschüre heißt es: „Die zusammenhängenden Büroflächen sollten eine möglichst große Ausdehnung haben, da Kommunikationen horizontal besser funktionieren als bei vertikal geschichteten Arbeitsflächen. Demgegenüber bestand jedoch die Forderung des Stadtplanungsamtes nach Errichtung eines hohen, dominierenden Baukörpers.“[7] In seiner Form ist das 84 Meter hohe, von den Architekten Friedrich Wilhelm Kraemer, Günter Pfennig und Ernst Sieverts entworfene,[8] Gebäude ein typisches Beispiel für einen sogenannten Compound, der sich im Gegensatz zu einem solitären Turm oder einem Scheibenhochhaus aus mehreren Einzelformen zusammensetzt.

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Grundriss des vierten Obergeschosses der DKV Hauptverwaltung an der Aachener Straße

 

Es besteht aus sieben Gebäudeteilen, deren Grundrissfigur jeweils auf einem gleichseitigen Dreieck basiert. Die Höhe der einzelnen Gebäudeteile variiert stark. Am höchsten ist der in der Mitte der Gesamtanlage gelegene Teil, von dort ausgehend stufen sich die anderen Gebäudeteile mit zunehmender Entfernung ab. Die Eckbereiche der einzelnen Gebäudeteile sind oft als fensterlose Türme ausgebildet, deren Grundrissfigur diejenige der sieben beschriebenen Gebäudeteile im Kleinen wiederholt. Diese Türme unterstützen den Eindruck des aus vielen Einzelteilen zusammengesetzten Ganzen, indem ihre Höhe wiederum von derjenigen der jeweils angrenzenden Gebäudeteile abweicht. Während diese Türme mit grünem Maggia-Granit verkleidet sind, wurde am restlichen Gebäude eine Vorhangfassade aus Aluminium mit verspiegelten, bronzefarbenen Fenstern verwendet.[9] Die Fassade ist jedoch an einigen Stellen jeweils für ein Geschoss unterbrochen; dort tritt dann eine umlaufende Loggia an ihren Platz. Diese Lösung, die auch für das oberste Stockwerk des höchsten Gebäudeteils gewählt wurde und dort das Gebäude zu einem Abschluss bringt, trägt weiter zur Segmentierung des Gebäudes bei. Die durch Loggien äußerlich unterschiedenen Geschosse werden auch anders genutzt: Sie nehmen Besprechungs- und Sozialräume, sowie Teeküchen und Toiletten auf, so dass die übrigen Etagen vollständig als Großraumbüros genutzt werden können. Die Geschossflächen der einzelnen Gebäudeteile sind dabei miteinander verbunden, so dass sich bis einschließlich ins sechste Stockwerk die Großraumbüros über fünf Gebäudeteile erstrecken. Dabei weisen die mittleren Bereiche der einzelnen Gebäudeteile Distanzen von bis zu 13 Metern zur nächsten Außenwand auf.[10] Durch Forschungsarbeiten der Ingenieure Fazlur Kahn in den USA und Hubert Beck in Deutschland wurde es Anfang der Sechzigerjahre möglich, die Brandschutzwände, die um Erschließungskerne von Hochhäusern ohnehin notwendig sind und die meist in Stahlbeton ausgeführt werden, auch zur Aussteifung heranzuziehen. Speziell in Deutschland führte die 1958 veröffentlichte Arbeit von Hubert Beck dazu, dass Hochhäuser bevorzugt als Stahlbetonkonstruktionen gebaut wurden und die bis in die Fünfzigerjahre gängigen Stahlskelette kaum noch verwendet wurden.[11] So handelt es sich auch beim DKV-Gebäude um ein Hochhaus mit Stahlbetonskelett. Es verwendet ein regelmäßiges Stützenraster, das von Stahlbetonpfeilern mit sechseckigem Querschnitt gebildet wird, auf denen Pilzdecken ruhen.[12] Die Pfeiler bilden dabei die Eckpunkte eines Mosaiks von gleichseitigen Dreiecken und spiegeln so die Grundrissfigur der einzelnen Gebäudeteile im Kleinen wieder. Ihre Querschnitte sind entsprechend der aufzunehmenden Lasten dimensioniert: Im höchsten Gebäudeteil sind sie deutlich dicker, als in den flacheren Gebäudeteilen.

 

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Kölner Ringturm, Theodor-Heuss-Ring 1 / Riehler Straße © HOWI – Horsch, Willy

Der Ringturm am Ebertplatz

Der vom Gerling Konzern erbaute und von der hauseigenen Gerling Baukunst Architekturgesellschaft entworfene Ringturm am Ebertplatz ist hingegen ein typisches Beispiel für ein Turmhochhaus. Der kompakte Grundriss des 1973 fertiggestellten Gebäudes beschreibt ein gleichseitiges Siebeneck. Die Gebäudehöhe beträgt mit 109 Metern mehr als das Fünffache seines Durchmessers von 20,5 Metern. Der Ringturm weist also eine große Schlankheit auf, die durch die Fassadengliederung zusätzlich unterstützt wird: Die Fenster und Brüstungsfelder treten hinter spornpfeilerartige Lisenen zurück, wie sie sich auch an vielen Bauten im Gerling-Quartier rund um den Gereonshof – wenn auch nicht am dortigen Hochhaus – finden. So betonen die Lisenen nicht nur die Vertikalität und den Turmcharakter des Ringturms, sondern stellen auch eine Familienähnlichkeit her, die ihn als Gerling-Bau ausweist. Zwar ist dem Ringturm im Norden ein fünfgeschossiges, ursprünglich als Parkhaus genutztes, und im Osten ein dreigeschossiges Nebengebäude angefügt, in der Gesamtwirkung dominiert jedoch stets der Turm.

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Schwierige Grundrisse im Heptagon: Ringturm am Ebertplatz

 

Die Nebengebäude schließen sich jeweils an eine Seite des Turms an, die übrigen fünf Seiten – davon vier zur Straße weisend – bleiben über die gesamte Höhe des Turms frei. Eine klassische Dreiteilung in Sockel, Schaft und Spitze ist nur dezent angedeutet: Eine Sockelzone lässt sich allenfalls anhand der beiden Nebengebäude ablesen. Das Erdgeschoss unterscheidet sich lediglich durch den an zwei Seiten des Siebenecks als unauffällige Loggia ausgebildeten Eingang von den darüber liegenden Geschossen. Das Penthouse-Geschoss ist überhöht, das darüber liegende Technikgeschoss als Staffelgeschoss zurückgesetzt. Auch beim Ringturm handelt es sich um eine Stahlbetonkonstruktion, die jedoch nicht in ein Skelett mit Punktstützen aufgelöst ist. Stattdessen nehmen massive Wandscheiben die auftretenden Lasten auf. Ursprünglich befanden sich in den unteren zehn von insgesamt 26 Etagen Büros, die oberen Stockwerke beherbergten von Beginn an Wohnungen. Im Rahmen eines 2011 begonnenen Umbaus wurden die ehemaligen Büroetagen zu Wohnetagen umgenutzt, sodass es sich nun um ein reines Wohnhochhaus handelt. [13]

Die beiden hier exemplarisch vorgestellten Gebäude gehören zu den prominenteren Kölner Hochhäusern der Sechziger- und Siebzigerjahre. Sie bilden nur die Spitze eines Eisbergs, der das Kölner Stadtbild vielerorts bestimmt und mit dem sich doch die Wenigsten je bewusst auseinandersetzen – meist ernten diese Bauten allenfalls Ablehnung. Ich hoffe, dass mehr Kölner die architektonischen Qualitäten dieser Hochhäuser entdecken und sich mit ihnen anfreunden können.

Felix Feldhofer

 

Dieser Artikel basiert auf meiner Masterarbeit „‘It must be tall, every inch of it tall‘: Studien zu Kölner Hochhäusern der Sechziger- und Siebzigerjahre“ am Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln. Der Volltext der Arbeit ist unter diesem Link verfügbar.

 

Lesen Sie zum Thema auch: Früher war alles bunter – ein Plädoyer für die Farbe in der Stadt

 

 

Literatur

 

  • BAECKER, Werner et al.: „Köln Innenstadt. Das Konzept einer detaillierten Flächennutzung wird zur Diskussion gestellt“, Köln, 1974.
  • CURDES, Gerhard; ULRICH, Markus: “Die Entwicklung des Kölner Stadtraums. Der Einfluß von Leitbildern und Innovationen auf die Form der Stadt”, Dortmund, 1997.
  • GROHMANN, Manfred; KLOFT, Harald: “Tragwerke”, S. 96-115 in: EISELE, Johann (Hg.); KLOFT, Ellen (Hg.): „Hochhaus Atlas“, München, 2002.
  • HAGSPIEL, Wolfram: „Architektur in Köln. Anfänge der Gegenwart“, Köln, 1978.
  • KLOOS, Michael et al.: „Unabhängiges Gutachten zur ‚Stadtbildverträglichkeitsuntersuchung zu Hochhausplanungen in Köln‘“, Aachen, 2005.
  • PRECHT VON TABORITZKI, Barbara: „Bleibt der Dom der Kölner Hochhauskomplex par excellence?“, S. 154-170 in: RODENSTEIN, Marianne: „Hochhäuser in Deutschland. Zukunft oder Ruin der Städte?“, Stuttgart, 2000.
  • RÜTER, Jörg: „Bank- und Versicherungsgebäude“, S. 269-277 in: HALL, Heribert (Hg.): „Köln. Seine Bauten 1928-1988“, Köln, 1991.
  • SCHÄFKE, Werner (Hg.): „Kölner Stadtbaumeister und die Entwicklung der städtischen Baubehörden seit 1821“, Köln 2007.
  • „DKV-Neubau Aachener Straße“, herausgegeben von der Deutschen Krankenversicherung AG, Köln, ohne Jahresangabe [ca. 1971].
  • „Ringturm (Köln)“, URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Ringturm_(Köln), abgerufen am 29. Mai 2016.

[1] Vgl. KLOOS, Michael et al.: „Unabhängiges Gutachten zur ‚Stadtbildverträglichkeitsuntersuchung zu Hochhausplanungen in Köln‘“, Aachen, 2005, S. 13.

[2] Vgl. SCHÄFKE, Werner (Hg.): „Kölner Stadtbaumeister und die Entwicklung der städtischen Baubehörden seit 1821“, Köln 2007, S. 286.

[3] Vgl. PRECHT VON TABORITZKI, Barbara: „Bleibt der Dom der Kölner Hochhauskomplex par excellence?“, S. 154-170 in: RODENSTEIN, Marianne: „Hochhäuser in Deutschland. Zukunft oder Ruin der Städte?“, Stuttgart, 2000, S. 157.

[4] BAECKER, Werner et al.: „Köln Innenstadt. Das Konzept einer detaillierten Flächennutzung wird zur Diskussion gestellt“, Köln, 1974, S. 52.

[5] Vgl. CURDES, Gerhard; ULRICH, Markus: “Die Entwicklung des Kölner Stadtraums. Der Einfluß von Leitbildern und Innovationen auf die Form der Stadt”, Dortmund, 1997, S. 239.

[6] Vgl. CURDES, S. 239.

[7] Vgl. „DKV-Neubau Aachener Straße“, herausgegeben von der Deutschen Krankenversicherung AG, Köln, ohne Jahresangabe [ca. 1971], S. 6.

[8] Vgl. RÜTER, Jörg: „Bank- und Versicherungsgebäude“, S. 269-277 in: HALL, Heribert (Hg.): „Köln. Seine Bauten 1928-1988“, Köln, 1991, S. 276.

[9] Vgl. HAGSPIEL, Wolfram: „Architektur in Köln. Anfänge der Gegenwart“, Köln, 1978, Objektnr. 17 [Seitenzahlen fehlen].

[10] Vgl. „DKV-Neubau Aachener Straße“, S. 8-18.

[11] Vgl. GROHMANN, Manfred; KLOFT, Harald: “Tragwerke”, S. 96-115 in: EISELE, Johann (Hg.); KLOFT, Ellen (Hg.): „Hochhaus Atlas“, München, 2002, S. 98.

[12] Vgl. HAGSPIEL, 1978, Objektnr. 17 [Seitenzahlen fehlen].

[13] Vgl. „Ringturm (Köln)“, URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Ringturm_(Köln), abgerufen am 29. Mai 2016.