Alle wollen wohnen. Aber wo und wie? Welche Flächen stehen in Köln zur Verfügung, um den benötigten Wohnraum zu erstellen? Und welche städtebaulichen und architektonischen Lösungen entsprechen unserer individualisierten Gesellschaft? Auf der grünen Wiese wird die anstehende Verdichtung jedenfalls nicht allein stattfinden können, sie betriftt mehr oder weniger alle Kölner Stadtviertel. Dies war das Fazit bei der Eröffnung der Ausstellung „Alle wollen wohnen. Gerecht. Sozial. Bezahlbar“ am 13. September in der Halle 18 auf dem Clouth-Gelände in Köln-Nippes.
Wachstum wird zum Problem
Der Ausstellungsort ist nicht zufällig gewählt. Das M:AI (Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW) plant seine Ausstellungen häufig in Gebäuden, die einen direkten Bezug zum Thema haben. So wird der Ort selbst zum Gegenstand der Ausstellung. Dies ist auch bei Ausstellung „Alle wollen wohnen“ der Fall. Das Clouth-Areal, das ehemalige Gelände der Gummifabrik Clouth, ist mit rund 1000 geplanten Wohnungen das momentan größte Wohnungsbauprojekt der Stadt Köln. Wo ließe sich das Thema des gerechten und bezahlbaren Wohnungsbaus besser diskutieren? Um dem in den nächsten 15 bis 20 Jahren in der Stadt Köln erwarteten Bevölkerungszuwachs gerecht zu werden, wird Bauland in der 70fachen Größe des Clouth-Areals benötigt. Und auch bei anderen Städten in NRW stehen in den nächsten Jahren die Zeichen auf Wachstum, selbst Ruhrgebietsstädte wie Duisburg verzeichnen steigende Bewohnerzahlen.
Themenhäuser
Wie ist diesem Wachstum zu entgegnen? Bei der Podiumsdiskussion am 13. September waren sich die Diskutierenden einig, dass es keine Pauschalrezepte gibt. Und genau das liefert auch die Ausstellung nicht. Das ist symphatisch und ehrlich. Stattdessen wirft die Ausstellung relevante Fragen auf, die um fünf Themenblöcke rund ums Wohnen kreisen. Die Ausstellungsmacher gaben diesen Ausstellungsthemen jeweils ein Dach über den Kopf, indem sie fünf in sich funktionierende Raumeinheiten kreierten.
Die Kubatur dieser Themenhäuser ist so amorph und vielfältig wie die Themen selbst: Dargestellt werden die veränderten gesellschaftlichen Wohnbedürfnisse, die Rolle der am Bauprozess Beteiligten, rechtliche Rahmenbedingungen des Bauens sowie städtebauliche und architektonische Lösungen. Eine der zentralen Fragen der Ausstellung ist, ob und wie trotz steigender Baustandards, einer Vielzahl von Normen, einer zunehmenden Wohnfläche pro Kopf und schwindenden Baulandreserven günstiger Wohnungsbau möglich ist.
Innovation zulassen
Die Ausstellung spürt alten und neuen Ideen nach wie zum Beispiel einer maßvollen städtebaulichen Nachverdichtung oder wegweisenden Wohnkonzepten. Bei den dargestellten Stadthäusern in Amsterdam-Osdorp sind die Fassaden- und Grundrissgrößen beispielsweise so ausgereizt, dass ein ökonomisch und energetisch optimierter Wohnungsbau entstand. Auch innovative soziale Konzepte regen zum Nachdenken an, wie zum Beispiel die neuen Cluster-Typologien im genossenschaftlichen Wohnungsbau. Auf dem ehemaligen Industriegebiet Zwicky bei Zürich werden flächenmäßig minimierte private Kleinstwohnungen durch gemeinschaftlich genutzte Erschließungsbereiche ergänzt und ermöglichen das Zusammenleben in neuen sozialen Strukturen, die über die klassische Familie hinaus gehen.
Bei dem Rundgang durch die Ausstellung wird deutlich, dass für die aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen das Standardmuster Zimmer, Küche, Diele, Bad häufig nicht mehr funktioniert. Der Wunsch nach individuellen Wohnformen, die zunehmende Mobilität und die angestrebte Verzahnung von Arbeit und Freizeit sowie eine älter werdende Bewohnerschaft rufen nach neuen Lösungen. Dabei lohnt nicht nur der Blick ins Ausland, sondern auch ein Blick in die Geschichte.
Die gerechte Gesellschaft
Denn wie andere Großstädte besitzt auch Köln herausragende Beispiele des Wohnungsbaus aus allen Jahrzehnten. Gerade in den 1920er Jahren wurde durch stattliche Förderprogramme vorbildlicher Massenwohnungsbau realisiert, Stadtplaner und Architekten erstellten neue Konzepte für eine gerechtere Gesellschaft. Auch die Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg führte zu kreativen Lösungen mit Ansätzen wie Selbsthilfe, Mehrgenerationenwohnen und Partizipation. Auch heute ist die Frage nach gerechtem Wohnen wieder hoch aktuell. In NRW soll das Wohnraumförderungsprogramm 2014-2017 einen wichtigen Beitrag leisten. Für die Stadtplaner und Architekten bleibt die Herausforderung, trotz des vorhandenen engen Regelwerks kreative und innovative Lösungen für einen gerechten, sozialen und bezahlbaren Wohnungsbau zu finden.
Katja Hasche
Alle wollen wohnen. Gerecht. Sozial. Bezahlbar.
Ort: Clouth-Gelände (Halle 18), Köln-Nippes
Laufzeit: 14. September bis 30. Oktober 2016
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr, Sa, So von 11 – 18 Uhr; Do 11 – 19 Uhr
Ausstellungsarchitektur: n/ t/ k/ nowakteufelknyrim GmbH
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