Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Zwischenspiel

Auf dem Grund des alten Barmer-Viertels entsteht zwischen Hallen und Bahn die MesseCity

Die Koelnmesse, deren Geschichte mit der Werkbundausstellung 1914 beginnt, ist heute – mit jährlich mehr als 80 Messen und Kongressen – ohne Zweifel ein wichtiger Faktor für den Wirtschaftsstandort Köln und den Stadtteil Deutz. Bis 2030 sollen noch einmal 600 Millionen Euro (aus eigener Finanzkraft) investiert werden, um das sechstgrößte Messegelände der Welt baulich und funktional zukünftigen Bedürfnissen anzupassen. Die planerische Grundlage für den Masterplan Koelnmesse 3.0 bildete ein Entwurf von ASTOC aus dem Jahr 2014, das darauf aufbauende Wettbewerbsverfahren konnten JSWD im März diesen Jahres für sich entscheiden.

 

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Zwischen Bahn und Messehallen – Lageplan MesseCity. Grafik © ASTOC Architects & Planners

 

Zwischenstadt, Vorstadt oder Stadtstaat?

Durch ihre innerstädtische Lage profitiert die Koelnmesse von einem großen Standortvorteil, liegt sie doch äußerst präsentabel mitten in der Stadt und profitiert von der hier vorhandenen Infrastruktur. Doch die Integration einer so großen und hochkomplexen Messemaschine in die Stadt und ihre direkte Nachbarschaft ist eine planerische Herausforderung, die mit dem Bau der MesseCity beantwortet werden soll. Um die Fläche zwischen den südlich gelegenen Messehallen und den Gleisanlagen hinter dem Bahnhof Deutz zu gewinnen, wurde das alte, zum Teil denkmalgeschützte Barmer Viertel trotz heftigen Protestes abgerissen. Die neue „atmende“ Bebauung soll nun die Messe wieder in die Stadt integrieren, indem sie einen harmonischen Übergang von der großmaßstäblichen Struktur der Messe zu den kleinteiligen Deutzer Veedeln jenseits der Bahn bildet. Grundlage für den seit 2013 rechtskräftigen Bebauungsplan ist der städtebauliche Entwurf von ASTOC. Dieser sieht auf dem 5,4 Hektar großen Planungsgebiet sechs sieben- bis sechzehn geschossige städtische Blöcke vor, deren Kontinuität an drei markanten Stellen durch Hochpunkte akzentuiert wird. Die Schauseite des neuen Quartiers wird dem Deutzer Bahnhof zugewandt sein, hier sollen rhythmisch gegliedert Gebäudefronten Präsenz zeigen und eine individuelle Adressbildung ermöglichen. Auf der Messeseite dagegen werden die geplanten Neubauten in einer kontinuierlichen Bewegung erscheinen, die ihrem Gegenüber entspricht. Die Schnittstelle der beiden Universen Stadt und Messe bildet der öffentliche Platz im Zentrum der MesseCity ab. Dieser um ein Geschoss angehobene und unterbaute Messebalkon ist nicht nur Kreuzungspunkt aller Wegeverbindungen, sondern auch ein großzügiger Freiraum, der alle, die hier arbeiten, ebenso wie die Messebesucher und Touristen mit dem obligatorischen Domblick und gastronomischen Angeboten erstmals zum Verweilen einladen wird.

 

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Hier noch ohne Firmenlogo: Der Zurich Versicherungskonzern wird drei Gebäude der MesseCity, darunter auch ein 60 Meter hoher Turm, beziehen. Insgesamt sollen in der neuen Zurich Zentrale rund 2.700 Mitarbeiter arbeiten, die heute noch auf mehrere Standorte in Bonn und Köln verteilt sind. Grafik © KSP/SRE/ECE/HH-Vision

Jeder in seiner Sprache

Anfang März wurde der Fassadenwettbewerb für die MesseCity entschieden. Unter Vorsitz von Kaspar Kraemer empfahl die Jury die Entwürfe von KSP Jürgen Engel Architekten (Braunschweig), gmp von Gerkan, Marg und Partner (Hamburg), Max Dudler Architekt (Berlin) sowie Ortner & Ortner Baukunst (Köln/Berlin) als Grundlage für die Umsetzung des Großprojekts. Nach Ansicht der Jury zeichnen sich die Siegerentwürfe durch eine klare und aussagekräftige Architektursprache aus, die den Genius Loci des Ortes aufnimmt. Jeder für sich spreche eine eigenständige Sprache, dennoch fügen sich alle Entwürfe harmonisch zu einem Gesamt-Ensemble zusammen.

Geplant ist die Realisierung des Konzepts von KSP für den westlichen Teil des Quartiers, für den die Zurich Gruppe Deutschland im Mai den Mietvertrag unterzeichnet hat. Dass dieser Bereich ein wenig an das Gerling Quartier erinnert, ist demzufolge vielleicht auch kein Zufall. Das Hotel im Zentrum der MesseCity wird nach einem Entwurf von gmp entstehen, das benachbarte Hochhaus nach Plänen von Max Dudler. Für den östlichen Bereich der MesseCity empfahl die Jury für den Entwurf von Ortner & Ortner. Darüber hinaus vergab sie eine Anerkennung an ASTOC Architects and Planners (Köln) und HPP Architekten (Düsseldorf), die zusammen angetreten waren, sowie einen Sonderpreis an Molestina Architekten (Köln).

 

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Fassadenentwurf für das Hochhaus am Messebalkon von Max Dudler. Grafik © Max Dudler/SRE/ECE

Filetstückchen

Interessant ist an dieser Stelle die Wertschöpfung dieses bislang kaum wahrgenommenen, nur eingeschränkt nutzbaren und seit dem Abbruch des Barmer-Viertels brach liegenden Streifchen Lands, das von der Wirtschaftsdezernentin Ute Berg nun plötzlich als „Filetstückchen“ bezeichnet wird. Auch Baudezernent Franz-Josef Höing begeistern die Entwürfe und ihr Potential für den Ort: „Sie versprechen einen markanten architektonischen Auftritt und ein überzeugendes Statement für die moderne Arbeitswelt in der Innenstadt“. Von dieser Art Flächen gibt es in Köln noch so einige!

Sehr schade ist, dass wir an dieser Stelle nur eine sehr kleine Auswahl von Bildern zur Veröffentlichung bekommen haben und wir die Entwürfe demzufolge nicht detaillierter besprechen können. Eine Ausstellung aller beim Wettbewerb eingereichten Arbeiten war zeitnah geplant, wurde bislang jedoch noch nicht öffentlich angekündigt. Noch 2016 soll mit dem Aushub der Baugrube erfolgen. Die Fertigstellung der ersten Gebäude ist für 2019 geplant, hoffentlich müssen wir nicht bis dann warten, um weitere Ansichten zu bekommen.

 

Uta Winterhager

1 Kommentar

Aus dem Nichts? Früher war dort das „Barmer-Viertel“ eine intakte Nachbarschaft mit günstigen Wohnungen. Jetzt wird daraus ein steriles Büroviertel wie derzeit überall. Bringt Steuerein-nahmen, die garantiert nicht für halbwegs preisgünstige Wohnungen genutzt werden. Köln auf dem Weg zur 08/15 Profitopolis.