Bisher führen wenige Wege in und durch das Areal zwischen Deutz-Mülheimer Straße, Hafen und Zoobrücke. Urbane Fläche, und doch irgendwie Niemandsland. Es gibt schöne alte Fabrikhallen, viel freien Raum in Flussnähe und günstige Mietpreise. Und folglich viele ideenreiche und finanzarme Initiativen – die einen wollen einfach nur Spaß haben, andere machen Kunst oder betreiben ein Geschäft, sind hier zu Hause und bringen ihre Kinder zur Welt.
Vor vier Jahren, als Baudezernent Höing noch neu im Amt war, suchte er sein neues Wirkungsfeld systematisch nach Entwicklungspotenzialen ab. Er hat welche entdeckt, und zwar in Mülheim Süd, das er nunmehr zur Chefsache machte. Die ewige Geschichte: „Diese Zeit, in der das Kapital sich noch nicht entschieden hat“, so beschreibt Rainer Kippe von der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim den Istzustand. In dieser Zeit gedeihen Kleingruppeninitiativen jeglicher Couleur. Dann fallen die Entscheidungen, und so mancher Ureinwohner wünscht sich prekoloniale Zustände zurück.
Doch auch in Mülheim lässt sich die Zeit nicht mehr zurückdrehen. Der aus dem Werkstattverfahren hervor gegangene gemeinsame Masterplan der Büros Bolles + Wilson aus Münster und ksg kister scheithauer gross mit dem Duisburger Landschaftsarchitekten Andreas Kipar wird bereits von der Stadt umgesetzt. Auf den 45,5 Hektar entstehen circa 3000 Wohnungen und was sonst noch so dazu gehört. Man will weiterentwickeln, ohne die bestehenden Initiativen zu vertreiben.
Kann das gelingen?
Das war die Frage beim Montagsgespräch des BDA Köln, bei dem vor allem Vertreter aus dem Stadtteil zur Wort kamen. Elke Müssigmann, die Verantwortliche des Stadtplanungsamtes für das Rechtsrheinische, hat keine leichte Aufgabe: „Wir versuchen, keine hochpreisige Entwicklung hinzubekommen, sondern eine, die es den Leuten ermöglicht, zu relativ günstigen Kosten dort zu leben und zu arbeiten. Eine Mischung aus high budget und low budget – das ist die Strategie, aber wir können nicht versprechen, dass sie aufgeht.“
Erfahrungen mit dem Investor CG Gruppe AG hat Christof John, Vorstand des Kunstwerk e.V., dem größten selbst verwalteten Atelierhaus Deutschlands: „Es gibt viele positive Aussagen, aber nichts schriftlich.“ Mit dem 33jährigen Erbpachtvertrag besteht aber noch eine Weile Sicherheit für das Haus.
Seele statt Euro
Auch Eva Rusch, Inhaberin einer Kommunikationsagentur in Mülheim, kennt Christoph Gröner, CEO der CG Gruppe AG. In einem Interview mit ihr legt er Denkansätze an den Tag, die hoffen lassen: Kunst und Geist will er querfinanzieren und die alten Gebäude erhalten sogar über die Vorgaben der Denkmalpflege heraus. Für die Projekte „Cologneo“ 1 und 2 werden aus einem Wettbewerb hervorgegangene Entwürfe von kadawittfeldarchitektur und Schilling Architekten umgesetzt.
Von Mülheim nach New York
Johannes Adams ist auch einer der Pioniere. Seine Vorstellung vom Leben aus der Brache: genau der richtige Ort für ein Design Hotel. Er betreibt das New Yorker Hotel, später kamen die Eventhallen Dock One und Habor Club hinzu. Seine Projekte sieht er in Gefahr, bei den Eventhallen durch die sehr nah geplante zukünftige Wohnbebauung. Das Hotel wird viele Jahre von Baustellen umgeben sein: „Ich weiss nicht, ob wir das überstehen.“
Dennoch will er Mülheim treu bleiben und auch in einer der alten Hallen ein Hotel eröffnen. Adams plädiert dafür, nicht in einem zu großen Maßstab zu bauen, um die Mischung zu wahren und Verödung zu verhindern und den Standort eher langsam und schrittweise zu entwickeln.
Wird es wirklich gelingen, das Ungebürstete im Mülheimer Süden zu bewahren, getreu der Absichtserklärungen der Stadt? Die Erläuterungen von Rainer Kippe festigen die Zweifel: In der „Halle am Rhein“ verkauft die Sozialistische Selbsthilfe Mülheim Gebrauchtmöbel und betreibt Urban Gardening und ein Café. Für einen geplanten Anbau lässt die Baugenehmigung seit Jahren auf sich warten, doch kaufwillige Investoren für das Grundstück, die sich immer mal wieder einstellen, signalisieren, dass sie da kein Problem erwarten.
Das Ungebürstete bewahren
Die Veränderung wird so oder so radika seinl. „2021 würde ich hier durchfahren und weiterfahren,“ sagt Peter Güllenstern, der zusammen mit Jürgen Stollhans die Installation „Afrikahafenfest“ entworfen hat. Es ist der Versuch, eine Realität künstlerisch zu verarbeiten, in der „60 % aller Gespräche sich eigentlich nur noch um die Angst vor dem Heimatverlust drehen.“ Aber noch ist hier „der schönste Ort Kölns und überhaupt,“ sagt Boris Sieverts, der Boulehalle Kugeln rollen lässt. Gibt es kein Paradies, aus dem man nicht früher oder später vertrieben wird?
Ira Scheibe
Weitere Infos
Interview mit Christoph Gröner, CEO CG Gruppe AG im Bereich Hafenkatzen der Internetseite Mülheimer Hafen.
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Abb. „Wirklich schade!“ © Heiko Beck Kos
Der Verein heißt richtig: KunstWerk Köln e.V., so ist der Name als Wortmarke eingetragen.