Beim Bau der neuen U-Bahn Wehrhahnlinie in Düsseldorf, die den S-Bahnhof Wehrhahn mit Düsseldorfs Stadtteil Bilk verbindet, hat offenbar alles zusammengepasst. In time, in scope, in budget (fast jedenfalls) – und entstanden sind nicht einfach nur Verkehrsbauwerke, sondern Baukunstwerke, und die werden auch noch international bestaunt. Vor der Lektüre dieses Artikels möchten wir also in Köln eindringlich warnen.
Es gibt da ja grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten. Man baut sich eine U-Bahn, und dann kratzt man Geld zusammen, um auch noch ein bisschen Kunst hinein zu stellen. So macht man das in Köln. 2007 – drei Jahre nach Beginn der Bauarbeiten für die Nord Süd Bahn – fand ein Wettbewerb statt, um die 1,5 Millionen Euro, die die KVB locker machte, unters Künstlervolk zu bringen.
Das Ergebnis? Kölner Sittiche auf Monitoren im Breslauer Platz, ein Aluminiumschild für die Haltestelle Rathaus, der „Geisterzug“ in der Station Heumarkt, den man nur manchmal kommen hört, aber nie sieht, und ein wandgroßes Sprühbild für den Chlodwigplatz.
Das internationale Echo war … ehrlich gesagt, wir erinnern uns nicht, wie es war. In der Düsseldorfer U-Bahn aber tummeln sich, seit dem Eröffnungstermin am 20. Februar 2106, derzeit mehr Leute zum Fotografieren als zum Bahnfahren, so der Eindruck. Was um alles in der Welt hat die Nachbarstadt da anders gemacht, mit der Kunst und mit dem Bau?
Denn auch hier wurde fleißig der Verkehr unter die Erde gelegt, auch hier ist die Stadt seit vielen Jahren Dauerbaustelle – der Unterschied scheint zu sein: Von Anfang an wurde das neue Netz des öffentlichen Nahverkehrs unter intensiver Beteiligung von Künstlern und Architekten entwickelt.
2001, über sieben Jahre bevor man das erste Loch gegraben hat, gab es zu den sechs Stationen, die durch einen 3,4 Kilometer langen Tunnel verbunden sind, einen europaweiten Wettbewerb. Architekten, Ingenieure und Künstler gemeinsam sollten ein Gesamtkonzept erarbeiten.
Gewonnen hat ein junges Team, das Darmstädter Büro netzwerkarchitekten mit der Künstlerin Heike Klussmann aus Berlin.
Kontinuum und Schnitträume
Überzeugt haben sie mit dem Ansatz, den Tunnel als Kontinuum zu verstehen, und die Bahnsteige als Aufweitungen des Tunnels. Die sechs Bahnsteigebenen sind mit einer einheitlichen Oberfläche versehen, deren Gestaltung gedanklich von der Tunnelaußenschale ausgeht. Sie ist aus Tübbings zusammengesetzt, aus Betonfertigteilen, und aus solchen besteht auch die Wandverkleidung der Haltestellen auf Schienenebene.
Heike Klussmann hat ein Muster aus unterschiedlich geformten Rauten entwickelt, die im Tromp-l’Œil Effekt Wölbungen und Einbuchtungen entstehen lassen. Die Elemente sind kleinteilig und ablösbar, falls eine Wandrevision nötig sein sollte.
Die Zugänge vom Stadtraum in den Untergrund definiert das Team als Schnitträume. Sie sind großzügig angelegt, erlauben vielfache Blickbeziehungen und bringen möglichst viel Tageslicht in die Schächte.
Die Gestaltung haben netzwerkarchitekten jeweils in Zusammenarbeit mit einem Künstler entwickelt. Diese wurden in einem zweiten Wettbewerb 2002 ausgewählt, für den Düsseldorfer Kulturinstitute eine Künstlerliste zusammengestellt hatten.
Am Graf-Adolf-Platz wird es im Untergrund sehr grün. Manuel Franke hat bei seiner Arbeit „Achat“ die Glasverkleidung aus zwei Schichten aufgebaut. Die obere, grüne Schicht ist so bearbeitet, dass sich die hintere, dunkel violette Verkleidung wie ein darunter liegendes Felsmassiv abzeichnet.
Blau hingegen wird es um einen herum, wenn man zur Haltestelle Schadowstraße hinabsteigt. Ursula Damm lässt über eine Videokamera die Bewegung der Passanten an der Oberfläche erfassen, die dann in geometrische Muster übersetzt auf einer riesigen LED Projektionsfläche wiedergegeben werden. „Turnstile“ nennt sie ihre Installation.
„Himmel oben, Himmel unten“
So lautet der Titel für Thomas Strickers Raumstation Benrather Straße. Genoppte Metallverkleidungen, gekippte Wände und sechs große Bildschirme mit Animationen aus ESA- und NASA-Daten simulieren Major Tom Ambiente. Lässt man die Reise der Planeten auf den Screens eine Weile auf sich wirken, so wird man selbst ganz schwerelos für einen kurzen Moment im Dahineilen.
Ralf Bög konzipierte für die Heinrich-Heine-Allee drei Toninstallationen, die von verschiedenen Künstlern und Komponisten genutzt werden können. Enne Haehnle hat poetische Texte geschrieben, kreuz und quer über die Haltestelle Kirchplatz, in leuchtend roten, gebogenen Metallbändern. Heike Klussmann gestaltete die Station Pempelforter Straße mit sich überkreuzenden Bandstrukturen, die die Bewegungsrichtungen aus den Zugängen aufnehmen.
Und oben? Es wäre ja schön gewesen, man hätte mit diesem erfolgreichen Ansatz an der Oberfläche gleich weiter gemacht. Ein durchgehendes Vorhaben für die frei werdenden Flächen gibt es aber (noch) nicht. Zugeschlagen werden sollen die freien Flächen jedenfalls den Rad- und nicht den Autofahrern. Für die Friedrichstraße, den Abschnitt zwischen Kirchplatz und Graf-Adolf-Platz, gab es einen Wettbewerb, dessen Ergebnisse aber noch nicht umgesetzt sind. Die Schadowstraße ist mit dem Projekt Kö Bogen II noch jahrelang Großbaustelle und soll dann in eine Fußgängerzone umgewandelt werden.
Zwei Monate Verzögerung bei einer Planungszeit von 15 Jahren, mit 843,6 Millionen Baukosten wurde das Budget um „nur“ 15 Prozent überzogen – wie haben die das gemacht? Einfach nur so, wie man es machen sollte und anderenorts aus engstirniger Ämteregozentrik nicht tut: Alle Zuständigkeiten waren in einer Hand gebündelt, beim Amt für Verkehrsmanagement. Außerdem hat man in eine vollständige Durchplanung investiert, auch auf die Gefahr hin, dass die Stadt beim Scheitern des Verfahrens auf den Planungskosten sitzen bleibt. Dadurch konnten – nach einmal erteilter Genehmigung – Pauschalausschreibungen vermieden werden.
Es lohnt sich also, nach Düsseldorf zu fahren, für die neue Disziplin U-Bahn Sightseeing, um sich anzuschauen, wie es sein kann, wenn Architekten, Ingenieure und Künstler sich von Anfang an zusammentun, so dass Baukunst entsteht und nicht Bauten, die mit Kunstwerken bestückt sind wie Deko in der Schrankwand. Und wenn man eine Stadtverwaltung hat, die ihr eigenes Projekt so ernst nimmt, dass sie es sogar von Werbeflächen freihält.
Weitere Infos und noch mehr Fotomaterial zu den einzelnen Stationen, findet man auf der eigens zur U-Bahnline gebauten Internetseite
Ira Scheibe