Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Feindliche Näherungen

Der Architekturfotograf Rainer Mader im Porträt

 

 

Wie kamen Sie zur Architekturfotografie?

Ich habe das nicht forciert. Anfänglich habe ich so manche Architekturmodelle fotografieren müssen. Für mich war es auch ein Müssen. Ich hatte wenig Zeit und Konzentration in dieser Richtung, da mich die Werbefotografie lange Zeit beschäftigte und ernährte. Stefan Wewerka titulierte mich „Kodaknutte“. Das war nicht nett, traf aber meine damalige Situation im Wesentlichen. Als dann einige Architekturmodelle real gebaut wurden und ich sie fotografieren durfte, bekam ich auch eine andere Einstellung zu meiner damaligen Arbeit und sah vieles in der Werbewelt mit ADs, CDs nicht mehr unkritisch.

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Rainer Mader

 

 

Bilden Sie Architektur ab, oder übersetzen Sie das Gebaute in eine Bildsprache?

Eine Bildsprache oder Interpretation ist schon wichtig für mich. Nur dadurch kann überhaupt ein Foto mit Sinn und Seele entstehen. Leider nähere ich mich immer negativ, unter Anspannung, ja fast feindlich an den Bau heran. Denn am Anfang sehe ich nur was meine Umsetzung behindert. Kann ich das Objekt im Verlauf dann in der dritten Form ansprechen und ein Dialog entsteht habe ich meistens für mich und den Auftraggeber einen gute Job gemacht. Es gibt natürlich Gebäude, die Gebäude bleiben und keinen Dialog entstehen lassen. Da bin ich sehr flexibel, aber Shit bleibt Shit. Da gibt es beispielhaft diese Bankfilialen-Architektur. Ich kenne diese Büros nicht und ich denke die brauchen mich auch nicht.

 

Wie nähern sie sich dem architektonischen Konzept eines Hauses? Sprechen Sie mit den Architekten und Bauherren oder machen Sie sich selbst ein Bild?

Ich denke Bauherr, Betreiber oder Investor behindern eine freie Umsetzung der Architektur in eine Bildsprache. Sie sehen nur, was sie sehen können. Die haben ihr Ding im Kopf „gebrannt“ und Architektur ist für sie nur ein Instrument von vielen. Daher auch der Begriff Brand Image. Grundlehrgang Werbepsychologie: „Das Brand Image ist ein in der Psyche relevanter Bezugsgruppen fest verankertes Vorstellungsbild von einem Bezugsobjekt“. Insofern hat ja Architektur die Aufgabe diesen vernagelten Vorstellungen neue Impulse und Visionen zu geben. Daraus folgt: Meistens ist der Architekt mein Ansprechpartner. (Die Karawane folgt sowieso).

 

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Die Wolke. Cloud 2 von smo architektur © Rainer Mader

 

Wie viele Bilder braucht man, um ein Haus zu verstehen und welche sind das?

Das kann ich nicht pauschal beantworten. Wenn das Gebäude als Skulptur vor mir steht brauche ich nur einen Mainshot, den ich aus mehreren Einstellungen auswähle. In unseren Köpfen hat sich die Villa Savoye von Le Corbusier auch mit einem Foto eingeprägt. Denn sie erklärt sich mit nur einem Foto von selbst. Das funktioniert natürlich nur bedingt bei größeren Zweckbauten. Ich denke, bleibt das Gebäude ein Bau und ich kann es nicht in der dritten Dimension ansprechen, bekomme ich keinen Bezug zum Bau. Dann brauche ich mehrere Fotos, um es darzustellen. Dennoch versuche ich einen Mainshot für die Historie zu realisieren.

 

In den letzten Jahren sieht man auch in den Architekturzeitschriften belebte Bilder. Eine Tendenz, die Sie begrüßen?

Ich habe diese Tendenz immer begrüßt, aber in der analogen Fotografie war dies sehr schwierig zu realisieren. Die Möglichkeiten der digitalen Fotografie geben uns jetzt einen größeren Freiraum. Rudelweise Menschen in der Postproduktion einzubringen lehne ich aber ab.

 

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Der Kristall. Institut für theoretische Physik Köln. Heinle Wischer und Partner © Rainer Mader

 

Ist die digitale Fotografie gegenüber der analogen Fluch oder Segen für Sie?

Weder noch. Das wäre schwarzweiß gedacht. Es ist nur eine kostspielige, technische Wandlung, die mir viel Schlepperei erspart, aber viel vom Abenteuer Fotografie weggenommen hat. Die Spannung bei einer schwierigen Produktion vom Belichten bis zum Leuchtisch im Labor ist leider verschwunden. Auch fehlt mir dieser Fotolabor-Marktplatz fürs Geschnatter. Hier trafen sich gezwungenermaßen die ganzen sozial unverträglichen Steppenwölfe/innen, die sich Fotograf titulieren. Heute bleibt uns nur noch der Rechner. Da können wir dann rumbasteln. Mir macht das nicht sehr viel Spaß und ich versuche schon beim Fotografieren die Postproduktion nicht ausufern zu lassen.

Sicher sehen das viel Kollegen/innen anders. Wirtschaftlich gesehen hat es vielen (auch mir) sehr geschadet, da ja jetzt Produktionen vom Office aus weltweit betreut und direkt kontrolliert werden können. Natürlich alles super günstig. Das betrifft allerdings nicht die Architekturfotografie.

 

Welche Lichtsituationen schätzen Sie besonders?

Immer noch die Blue Hour. Nicht nur wegen der Lichtsituation, sondern auch wegen des workflows. Wenn ich früh genug da bin, ist noch nicht alles vermüllt mit Handwerkerautos, Sicherheitsdiensten, Facilitymanagern und anderen Unwägbarkeiten. In und um Großbauten entsteht ja immer ein nicht kontrollierbarer Mikrokosmos.

 

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Die Wohnhöhle. Denzer+Poensgen Architektur © Rainer Mader

 

Gibt es Gebäude, die bei Ihnen eine besondere Leidenschaft auslösen?

Immer noch die neue Nationalgalerie Berlin von „uns Mies“, wie ihn die Berliner nennen. Ist die Halle komplett geräumt, blickt man vom Eingang auf das Ende der Halle. Hier steht mittig eine breite helle Säule, die scheinbar die ganze Halle trägt. Das ist echt eine genial gruselige Irritation. Dieser Effekt ist fotografisch nicht darstellbar. Auf einem Foto wird das nicht so wahrgenommen.

Ja, da habe ich noch ein Gebäude und es hat mich oft beruhigt und ich konnte im Dialog wieder Kraft sammeln. Das klingt pathetisch, war aber so. Meine Ausbildung war geprägt von ständigen Reisen zu günstigen Lokations. Klingt attraktiv, aber ich hatte keine Zeit das auszuschöpfen, denn ich hatte den ganzen Workflow am Bein. Die Kollektionslogistik , die Fotomodelle mit allen menschlichen Bedürfnissen (Irrenhaus), Flugbuchungen, Technik, Locations usw. Nach Abschluss einer Reise war ich meistens in schlechter Kondition. Mein Heimweg führte mich immer über den Schlossplatz in Stuttgart und hier stand und steht es noch. Dieses leicht erhabene, elegant schwebende Etwas. Würdevoll zurückhaltend und unantastbar: Der Landtag von Baden-Württemberg. Wenn alles in meinem Leben bis dahin unaufgeräumt war, so hatte ich doch im Dialog mit ihm ein Gefühl, wie harmonische Aufgeräumtheit und innere Stärke sein kann. Erfreulicherweise arbeite ich heute für das Büro.

 

Woran erkennt man Ihre Bilder?

Dafür sind die Bauten zu unterschiedlich. Ich möchte ein Gebäude einfach und einfach attraktiv darstellen. Ob das schon eine durchgehende Bildsprache ist, müssen andere beurteilen.

 

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Die archaische Grotte. Denzer+Poensgen Architektur © Rainer Mader

 

Wovon lassen Sie sich inspirieren?

Ups, das würde den Blog sprengen. Dennoch hat mir in der Birne sehr gut getan: Niki de Saint Phalle „Starke Weiblichkeit entfesseln“ und für die Demut Fernand Pouilland „Singende Steine“. Wenn manchmal aber so gar nix inspiriert, tauche ich im alten Bad vom Adolf Hitler, der Burg Vogelsang, unter. Oder ich hacke Holz. Sehr inspirierend.

 

Kann Sie Architektur noch überraschen?

Ich habe kein Architekturstudium absolviert. Bin also völlig unbelastet. Insofern kann mich sogar historische Architektur überraschen. In der Moderne überraschen mich gute Konzepte wie Zumthors Kolumba. Denken sie auch an die Renaissance der Materialien wie Beton und Naturstein. Zum Beispiel: Andos babypoposamtiger Beton oder Naturstein der heute auch leicht aussehen kann. Das finde ich einfach wunderbar.

Nebenbei überrascht mich dass in Deutschland überhaupt noch gebaut werden kann. Wenn ich in einem Baucontainer stehe und den Schriftverkehr überfliege der da vom Architekturbüro abgearbeitet werden muss möchte ich nicht tauschen. Da braucht man ja ein Jurastudium mit Architekturausrichtung. Großprojekte sind in der Hand von Anwaltskanzleien, die tendenziell nicht an einer Realisierung interessiert sind. Das ist doch völlig gaga und die Demokratie erreicht ihre Grenzen.

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DAM Frankfurt. Asiaten mit Legosteinen.

 

Zeigen Sie uns ein Bild, das Sie nachhaltig berührt oder inspiriert hat? Warum haben Sie gerade dieses gewählt?

Ein asiatisches Paar vertieft in das Bauen mit Legosteinen. Lokation: Ein Raum mit einer Kiste Legosteine im DAM Frankfurt. (Warum kann ich mich nicht so hinsetzen und gehen lassen. Habe ich / haben wir das verlernt?) Meine Frau hat das mit dem Smartphone fotografiert. Frauen sind einfach sensibler und offener für viele Dinge, die uns Männern noch nicht mal bekannt sind.

 

Die Fragen stellten Barbara Schlei und Uta Winterhager

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Kölner Architekturfotografen im Fokus II
Wer sind die Frauen und Männer hinter der Linse?

Zehn Jahre ist es nun schon her, dass wir unsere erste Porträtserie über Kölner Architekturfotografen gestartet haben. Nun sahen wir die Zeit gekommen diese Reihe fortzusetzen. Denn wir sind sehr glücklich darüber, dass viele Fotografen unsere Arbeit für koelnarchitektur schon seit Jahren mit ihren Fotografien unterstützen. Denn man kann viel über Architektur schreiben, doch wenn die Bilder fehlen, ist es, als bliebe etwas ungesagt. In den nächsten Wochen werden wir in loser Folge Interviews über Licht und Schatten, Inspiration und Intention veröffentlichen.

Ein visuelles Panorama Im Fokus I von 2006