Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Architekturkritik

Isa Genzken, Modelle für Außenprojekte in der Bundeskunsthalle, Bonn

35 Modelle zeigt die Bundeskunsthalle derzeit in einem einzigen großen Saal. Auf den einheitlichen weißen Sockeln wirkt der Aufbau der ebenfalls weißen Hausminiaturen uniform und kontrolliert. Doch ist dies nur das Material, das Isa Genzken (*1948) für ihre Außenprojekte vorgefunden hat, Hochhäuser, Galerien, ein Rathaus, eine Stadthalle, Museen, Villen, Galerien, städtische Plätze. Orte mit einer Geschichte, mit Renommee bilden einen Rahmen für ihre Arbeiten, der nicht unbedingt schön sein muss, aber Stoff liefert für Reflexionen und Kommentare. Diese bringt Isa Genzken mit überdimensionalen Antennen auf einem Dach an, spannt sie als Wäscheleine über die Kluft zwischen zwei Hochhäuser, legt sie in Form von Sonnenschirmen auf einen Platz oder streckt sie dem Besucher als Ohr entgegen.

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Isa Genzken, Projekt für ‚Münster 2007/2017 „Macy’s Parade“, 2015, Münster, anlässlich der ‚Skulptur Projekte Münster 2017‘, bisher nicht realisiert, Modell, 2015, Maßstab 1:75, Kunststoff, Acrylfarbe, Metall, Holz, 153 x 50 x 50 cm, Foto: Lothar Schnepf, Courtesy Galerie Buchholz Köln/Berlin/New York © VG Bild-Kunst, Bonn 2016

 

Von Isa Genzkens derzeit in der Bundeskunsthalle gezeigten Modellen realisierter und nicht realisierter Außenprojekte waren 23 im Jahr 2015 in der zentralen Ausstellung All the World’s Futures auf der Biennale in Venedig zu sehen. Es handelt sich bei allen Ausstelllungsstücken nicht um Arbeitsmodelle, sondern um eigens für die Ausstellung von einem Modellbauer uniform gefertigte Stücke, deren Maßstab je nach Objekt von 1: 50 bis 1 : 250 reicht. Die Bonner Ausstellung, die wie eine kleine Retrospektive der Außenskulpturen anmutet, zeigt darüber hinaus in Form von Fotografien, Zeichnungen, Kataloge und Archivalien Hintergrundinformationen zu den einzelnen Projekten. Genzkens Außenprojekte entstanden immer aus einem konkreten Bezug zu der sie umgebenden Architektur, zu vorliegenden Formen, als eine Spiegelung oder Ergänzung des Ortes oder als ein liebevoller, bisweilen auch humorvoller Kommentar. Ihre Werkzeuge sind die Perspektive, der Maßstab und die Position, ihre Materialien neben Stahl und Beton auch Bilder und Artefakte. Als Modelle einer urbanen Realität sind ihre Interventionen rein formal betrachtet Reflexionen über räumliche Kontexte, die jedoch immer auch einen feinen politisch oder gesellschaftlich gefärbten Subtext enthalten.

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‚Fenster, Venloer Straße 21‘, 1988, Köln, Galerie Daniel Buchholz, realisiert/nicht installiert, Modell, 2015, Maßstab 1:50, Kunststoff, Acrylfarbe, Metall, Acrylglas, Holz, 176 x 50 x 50 cm, Foto: Lothar Schnepf, Courtesy Galerie Buchholz Köln/Berlin/New York © VG Bild-Kunst, Bonn 2016

 

Eines der ältesten Projekte, das in der Ausstellung gezeigt wird, ist das „Fenster, Venloer Straße 21“ aus dem Jahr 1988. Isa Genzken parodierte hier das von O.M. Ungers entworfene Galeriehaus indem sie vorschlug, eines der beiden quadratischen Fenster der dritten Etage auszutauschen. Sie ließ ein Fenster in gleicher Größe wir das Original bauen, verzichtete jedoch auf die Sprossen, mit denen Ungers die Scheibe in neun Quadrate geteilt hatte. Montiert wurde das Fenster nie, da der Architekt es unterband – Kunst oder Spaß – das konnte er nicht zulassen. So wurde das Fenster, das es nunmal gab, als Mahnmal für den Ernst der Architektur in der Galerie an die Wand gelehnt, als hätte man es dort zufällig vergessen.

 

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„Spiegel“, 1992, Bielefeld, Willy-Brandt-Platz, Wettbewerb für die künstlerische Gestaltung der Stadthalle, realisiert, Verzinkter Stahl, 3000 x 2000 x 3900 cm, Modell, 2015, Maßstab 1:200, Kunststoff, Metall, Acrylfarbe, Holz, 140 x 70 x 50 cm, Foto: Lothar Schnepf, Courtesy Galerie Buchholz Köln/Berlin/New York © VG Bild-Kunst, Bonn 2016

 

Der Architektur den Spiegel vorhalten. Was sich doch als künstlerisches Programm reichlich platt anhört, war für Isa Genzken die Idee zu dem Projekt „Spiegel“, mit dem sie den Wettbewerb zur künstlerischen Gestaltung der Stadthalle Bielefeld gewonnen hat. Ihr Projekt wurde 1992 realisiert. Die 30 Meter hohe Stahlskulptur, die wie ein überdimensionaler Rasierspiegel (jedoch ohne Bild) vor der Stadthalle aufgebaut wurde, überragte ihr Gegenüber sogar noch, macht es klein, fordert kritische Selbstbetrachtung. Noch so ein Affront gegen die Architekten, gmp in diesem Fall, die auch prompten Abbau verlangten, doch der kritische „Spiegel“ steht bis heute.

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Wäscheleine für Frankfurt‘, 1991, Projekt für Frankfurt, zwischen zwei Hochhäusern, als Beitrag zu ‚Der Öffentliche Blick‘, Jahrbuch für Moderne Kunst, hrsg. von Kasper König und Hans Ulrich Obrist, nicht realisiert, Modell, 2015, Maßstab 1:500, Kunststoff, Metall, Acrylfarbe, Holz, 145 x 50 x 50 cm. Foto: Lothar Schnepf, Courtesy Galerie Buchholz Köln/Berlin/New York © VG Bild-Kunst, Bonn 2016

 

Nicht realisiert wurde dagegen die „Wäscheleine für Frankfurt“, ein 70 m langes Stahlseil mit einem 4 x 8 Meter großen Kleidungsstück aus Epoxidharz, die Isa Genzken 1991 zwischen dem Commerzbank Tower und dem Hochhaus der Hessischen Landesbank spannen wollte, um die Dichte der Hochhäuser in der Frankfurter Innenstadt zu thematisieren. Dies war nicht als Angriff auf die kapitalen Bauten geplant, sondern als eine neu hinzugefügte, humorvolle Betrachtungsebene ihrer Ansicht.

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‚OIL‘ (Öl), 2007, Venedig, Deutscher Pavillon, 52. Biennale Venedig, realisiert, Metall, Kunststoff, Maße variabel, Modell, 2015, Maßstab 1:100, Kunststoff, Metall, Acrylfarbe, Holz, 140 x 50 x 50 cm. Foto: Lothar Schnepf, Courtesy Galerie Buchholz Köln/Berlin/New York © VG Bild-Kunst, Bonn 2016

 

Mit ihrem Projekt „OIL“ vertrat Isa Genzken Deutschland 2007 auf der Biennale in Venedig. Sie rüstete den umstrittenen Pavillon ein und umhüllte ihn mit orangefarbenem Baunetz. Nur schemenhaft war der Bau noch zu erkennen, den sie nicht nur verhüllt, sondern mit kontext- und stilfremden Repliken von Rundbildern (Tondi) der französischen Renaissance geschmückt hat. Sie zeichnete hier ein Deutschlandbild als Baustelle, kündigt Großes an, das letztlich doch nur Dekoration war. Mit dem Titel des Projektes holte Genzken noch weiter aus. OIL sei das, worum es auf der Welt gehe, um Öl und um Energie, das müsse man einfach verstehen.

In über vierzig Jahren hat Isa Genzken viele dieser ihr eigenen Kommentare im öffentlichen Raum platziert, die Geschichten erzählen und Haltung fordern. Das jüngste in Bonn gezeigte Projekt ist „Macy’s Parade“, die so plant es die Künstlerin, einmal nicht nur in New York sondern in Münster stattfinden soll. Und allein die Vorstellung, wie die riesigen Ballonfiguren in den engen Gassen des historischen Stadtkerns steckenbleiben, ist großartig.

 

Uta Winterhager

 

 

Das Begleitbuch zur Ausstellung erscheint im Verlag der Galerie Buchholz Köln/Berlin/New York, herausgegeben von der Bundeskunsthalle und der Galerie Buchholz; geplantes Erscheinungsdatum ist Ende März 2016.

 

Bundeskunsthalle Bonn

Dauer der Ausstellung: 15. Januar bis 17. April 2016