Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Die Wohnlandmarke

Neues und Altes in der ersten Reihe – Teil II: FLOW

Bis in die 1970 Jahre war das Bayenthal vorgelagerte Gustav-Heinemann-Ufer ein lebendiger Bürostandort. Große Konzerne besetzten die begehrten Logenplätze mit repräsentativen Bauten und großen Gesten. Doch seit Jahren verliert das Rheinufer südlich des Rheinauhafens seine Attraktivität als Gewerbestandort zugunsten der kaum einen Kilometer Luftlinie entfernt gelegenen Innenstadt, so dass die eigenwilligen architektonischen Hinterlassenschaften oft jahrzehntelang leer stehen, bis sich jemand an die Nachnutzung heranwagt.

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Zurück zum Rohbau, denn die Struktur trägt noch. © Foto: Christa Lachenmaier, Köln

 

So auch hier geschehen: Das Hochhaus mit den elegant geschwungenen Flanken, das in der ersten Reihe am Bayenthaler Rheinufer steht, war bis 1999 Sitz des Bundesverbandes der deutschen Industrie. Als Bürostandort war das 11-stöckige Hochhaus aus den 1970er Jahren nicht vermittelbar, weshalb das gesamte 2,5 Hektar große Grundstück derzeit in ein Wohnquartier mit einem Anteil gewerblicher Nutzung umgewandelt wird. Nach Plänen von JSWD wird der ehemalige Verwaltungsbau nun unter dem Titel FLOW Tower in ein Wohngebäude mit 132 Wohneinheiten umgewandelt. Die von ASTOC geplante Mantelbebauung FLOW Living, bestehend aus fünf Wohngebäuden und einem Büroriegel an der Uferstraße, wird das Quartier arrondieren.

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Lageplan nach Stand des Wettbewerbs April 2012 © ASTOC Architects and Planners, Köln

 

2012 lobte der damalige Eingentümer, eine Münchner Beteiligungsgesellschaft, einen auf sieben eingeladene Teilnehmer begrenzte städtebauliche Wettbewerb für das damals noch Gustav-Heinemann-Quartier genannte Projekt aus. Die Jury (Vorsitz: Johannes Kisters) empfahl den Beitrag von ASTOC Architects and Planners (Köln) zur weiteren Bearbeitung. (Wir berichteten: Wohnst du schon oder arbeitest du noch? Nachverdichtung und Umstrukturierung am Gustav-Heinemann-Ufer.) Fast könnte man die städtebauliche Neuordnung des Grundstückes als einen Tanz auf dem Bierdeckel beschreiben, der dadurch noch erschwert wird, dass die Mitte der Tanzfläche schon besetzt ist. Und auch die so schon fast erzwungene Mantelbebauung unterliegt strengen funktionalen und gestalterischen Vorgaben. Rheinseitig soll ein gewerblich genutzter Gebäuderiegel den Schallschutz für das gesamte Quartier leisten und ihm – da die Rheinseite auch die Schauseite ist – eine repräsentativer Erscheinung verleihen. Auf der Westseite grenzt das Planungsgebiet an den Stadtteil Bayenthal, an dessen urbane Qualitäten die Auslober gerne anknüpfen möchten. Dazwischen galt es im Schatten des Hochhauses ansprechende private und halböffentliche Freiräume zu gestalten.

 

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Rheinseitige Ansicht des Hochhauses mit Wohnfassade © Entwurf: JSWD Architekten Köln, CORPUS SIREO REAL ESTATE, Köln / ON3Studio, Hamburg

 

FLOW Tower

Das von dem Münchner Architekt Claus Winkler in den frühen 70er Jahren entworfene Hochhaus wurde vollständig entkernt. JSWD Architekten konnten die kupferfarben bedampfte Fassade zwar nicht erhalten, interpretieren aber ihre starke horizontale Betonung mit weißen Brüstungsbändern der neuen Balkone, die sich an den Längsseiten geschossweise versetzt nach außen wölben. Das Gebäude besteht aus zwei spiegelgleich geschwungenen Scheiben, die über zwei Erschließungskerne miteinander verbunden sind. Um diese werden sich nach der Sanierung in den Regelgeschossen Zwei- bis Vierzimmerwohnungen mit geschwungenen Balkonen gruppieren, deren Grundrisse von der organischen Form des Bestandsgebäudes geprägt sind. In dem neuen Staffelgeschoss, dessen umlaufend auskragendes Dach die Form der darunterliegenden Geschosse aufnimmt, sind vier Penthäuser mit Dachterrassen geplant. Die doppelte Geschosshöhe des raumhoch verglasten Erdgeschosses bleibt erhalten. Als Haus im Haus entstehen hier zwei- bis dreigeschossige Stadthäuser mit eigenem Garten.

 

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Blick in den halböffentlichen Freibereich zwischen Hochhaus und dem direkt an der Rheinuferstraße gebauten Büroriegel. Im Hintergrund die Cologne Oval Offices © Entwurf: ASTOC Architects and Planners Köln, CORPUS SIREO REAL ESTATE, Köln / ON3Studio, Hamburg

 

FLOW Living

Die Mantelbebauung, in der 114 Eigentums- und 73 Mietwohnungen geplant sind, schließt das Grundstück zu einem Block mit städtischen Qualitäten. Dicht umschlossen wird das Hochhaus aus seiner solitären Situation gelöst und im Stadtraum verankert. Die fünf leicht geknickten sechsgeschossigen Wohnbauten nehmen, wie der an der Straße liegende Büroriegel, die dynamischen Formen und die starke Horizontale des Hochhauses und der benachbarten Cologne Oval Offices auf, setzen sie jedoch in hellem Naturstein und geputzten Flächen eigenständig um. Im gesamten Quartier befinden sich mehrere, voneinander unabhängige Tiefgaragen, wodurch die Binnenräume autofrei bleiben und als grüne Spiel- und Erholungsflächen angelegt werden können.

 

Die Nachbarn

Dass sich die Strömungen des Immobilienmarktes auch mit preisgekrönter Architektur nicht aufhalten lassen, zeigt das Beispiel der Cologne Oval Offices (COO). Kölns erste Green-Buildings stellen mit ihrer Amöbenform und der Sauerbruch-Hutten-Signaturefassade einen zeitgemäßen Bruch in der Silhouette der städtischen Uferkante dar, wurden aber leider am Bedarf vorbei geplant. Zehn Jahre sind hier zwischen dem Wettbewerb und dem Einzug der ersten Mieter vergangen und immer noch läuft die Vermarktung dieser so vorbildlich nachhaltig und flexibel geplanten Immobilie unplanmäßig schleppend. Mit dem nun konkreter werdenden Ausbau der Parkstadt Süd mag sich das in Zukunft vielleicht ändern.

So ist es durchaus zu begrüßen, dass mit FLOW Tower und FLOW Living dringend benötigter Wohnraum geschaffen wird, dies im Fall des Hochhauses sogar in einer angewandten Umbaukultur. Über die extreme Nachverdichtung des Grundstücks und die Umgehung des Kölner Baulandmodells darf man jedoch noch streiten.

 

Uta Winterhager

 

Neues und Altes in der ersten Reihe:

Teil I: Die Villa Köln wird zum Palais du Rhin