Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Der Architekt, der mit Seifenblasen spielte

Zum Tode des Pritzker-Preisträgers 2015 Frei Otto

Grade erreichte uns die traurige Nachricht, dass am vergangenen Montag (9. März 2015) der große Visionär Frei Otto im Alter von 89 Jahren gestorben ist. Er ist ein Ausnahmearchitekt gewesen, der nicht nur mit seinen biomorphen Entwürfen, seinen Seilnetzen und Gitterschalen seiner Zeit weit voraus war, sondern auch im seinem stets um Nachhaltigkeit bemühten Forschen und Handeln. Am 23. März wird ihm in Chicago nun posthum der 40. Pritzker-Preis verliehen. Diese Ehre wird ihm nach Gottfried Böhm 1986 als zweiten Deutschen zuteil werden.

Kurz nach der Entscheidung Frei Otto mit dem diesjährigen Pritzker-Preis auszuzeichnen, reiste eine Delegation der Jury nach Warmbronn, bei Stuttgart, um ihm die Nachricht dort persönlich zu überbringen. Frei Otto reagierte bescheiden, er freue sich sehr über die Auszeichnung, habe aber nie etwas dafür getan sie zu erhalten. Seine Motivation sei es gewesen, neue Gebäudetypen zu entwickeln, um armen und bedürftigen Menschen insbesondere nach Naturkatastrophen schnell helfen zu können. Er werde in der Zeit, die ihm dazu noch bleibe, genau daran weiterarbeiten, um der Menschheit zu helfen. So sehe die Jury nun einen sehr glücklichen Mann.

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Frei Otto, 2000 Foto © Ingenhoven und Partner Architekten, Düsseldorf

 

Tom Pritzker, Präsident der Hyatt-Foundation, die den Pritzker-Preis seit 1979 vergibt, sagte, die Nachricht des Todes von Frei Otto sei sehr traurig und in der Geschichte des Pritzker-Preises einmalig. Doch die Jury sei sehr dankbar, dass sie ihm die Nachricht der Zuerkennung noch zu Lebzeiten persönlichen überbringen konnte. Bei der diesjährigen Pritzker-Preis Zeremonie am 15. Mai 2015 in Miami solle nun Frei Ottos Leben und zeitloses Werk, das beispielhaft für Generationen von Architekten sei und nachhaltig Einfluss darauf nehmen wird, gefeiert werden.

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Eingangsgebäude für die Bundesgartenschau 1957 in Kön Foto © Atelier Frei Otto Warmbronn

 

Große Vorbilder, große Visionen

Frei Otto, den viele als Utopisten bezeichneten, glaubte fest daran, dass Architektur, die Welt verbessern könne – sein Vorname hat ihm hier vielleicht schon den richtigen Weg gewiesen. Obwohl er zunächst wie sein Vater und Großvater Bildhauer werden wollte, studierte er in Berlin Architektur, musste sein Studium während des Krieges unterbrechen. Als er es nach dem Krieg wieder aufnehmen konnte, erlaubte es ihm ein Stipendium nach Amerika zu reisen, und dort die großen Architekten seiner Zeit (Erich Mendelsohn, Ludwig Mies van der Rohe, Richard Neutra, Frank Lloyd Wright) kennenzulernen. Zurück in Berlin beendete er sein Studium und verfasste seine 1954 erschienen Dissertation „Das hängende Dach“.

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Dach des Olympiastadions für die Olympischen Sommerspiele 1972 in München1968–1972, München Photo © Atelier Frei Otto Warmbronn

 

„Ich habe wenig gebaut. Ich habe viele Luftschlösser ersonnen“

Als junger Architekt  und später am Institut für Leichte Flächentragwerke (IL), das Otto 1964 an der Technischen Hochschule Stuttgart gegründet hatte, vertiefte er seine Studien und experimentierte unter anderem mit Drahtmodellen, die er in Seifenlauge tauchte, um die Geometrie der dabei entstehenden Minimalflächen zu untersuchen und auf mögliche Dachkonstruktionen zu übertragen. So wurde sein Werk zum Gegensatz dessen, was ihn während seiner Kindheit und Jugend in Deutschland umgeben hatte: leicht, offen, licht, demokratisch, kostengünstig, energieeffizient und manchmal auch nur temporär. Bekannt wurde er national wie international mit dem Deutschen Pavillon der Expo in Montreal 1967 und fünf Jahre später mit der Dachkonstruktion für den Münchener Olympia Park (mit Günther Behnisch, Jörg Schlaich u.a.). Doch es hat auch viele kleine Projekte gegeben, deren filigrane Konstruktionen eine ganz neue Eleganz ermöglichten. Und nicht wenige von ihnen sind – trotz oder grade wegen ihrer Einfachheit zu Wahrzeichen geworden. So zum Beispiel die Großvoliere im Tierpark Hellabrunn (mit Jörg Gribl) und das Sternwellenzelt für den Kölner Tanzbrunnen, das Otto anlässlich der Bundesgartenschau 1957 entworfen hatte.

Es ist wunderbar, dass Frei Otto für sein außergewöhnlichen Werk und sein freies Denken nun mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet wird. Umso trauriger stimmt uns sein Tod – gerne hätten wir uns mit ihm gefreut.

 

Uta Winterhager

 

 

In Köln überdachte Frei Otto den Tanzbrunnen mit dem Sternwellenzelt

Sehr zu empfeheln ist der Film „Von Seifenblasen und Zelten“ Porträt über den Archiekten Frei Otto von megaherz