Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

4 Jahre für 4’30

Wie der West ART-Beitrag über das Kranhaus 1 gedreht wurde

Strahlend scheint die Sonne über dem Rheinauhafen an diesem Septembertag. Doch Claudia Kuhland steckt ihren Kopf unter eine schwarze Strickjacke. Nur so kann sie das Bild auf dem Monitor erkennen, das Kameramann Freddy Waldner gerade 15 Meter über ihr dreht. Der steht im Korb eines Steigers und filmt die Außenfassade des Aufzugturms von Kranhaus 1. „Das ist ein tolles Bild, aber wenn der Aufzug fährt, sieht man nur einen kleinen Anschnitt davon“, spricht Regisseurin Kuhland in ihr Funkgerät. Steigerfahrer Udo Schmitz bewegt den Korb weiter nach links und nun stimmt der Bildausschnitt.

Claudia Kuhland unter ihrer schwarzen Strickjacke - "ein bewährtes Utensil". Foto: Vera Lisakowski
Claudia Kuhland unter ihrer schwarzen Strickjacke – „ein bewährtes Utensil“. Foto: Vera Lisakowski

 

Vier Jahre warten

„Wenn die Sonne scheint“, freut sich Claudia Kuhland, „haben wir hier draußen sofort das Bild. Das ist untypisch für die West ART Meisterwerke, im Museum brauchen wir manchmal zweieinhalb Stunden für eine Einstellung.“ Angesichts der langen Zeit, die seit der Planung genau dieses Drehs vergangen sind, schränkt sie aber sofort lachend ein: „OK, hier warten wir schon vier Jahre auf die Einstellung.“ Die Idee, die Kranhäuser in die Enzyklopädie der NRW-Kulturhighlights des WDR aufzunehmen, entstand bereits mit der Fertigstellung des letzten der drei Gebäude im Jahr 2010. Verhindert wurde der Dreh zunächst von einer Baustelle direkt nebenan, dann war das Wetter an mehreren disponierten Terminen schlecht, danach gab es wieder eine Baustelle, dann war es wieder das Wetter.

„Gestern war ich, glaube ich, zu meiner zehnten Vorbesichtigung hier“, erzählt Claudia Kuhland. Auch der Kameramann hat den Drehort vorab besichtigt – und doch entstehen viele Ideen erst beim Dreh selbst. „Wir müssen Probleme oft vor Ort lösen, weil die Bildideen erst vor Ort entstehen, aber wir sind ein eingespieltes Team.“ Seit 10 Jahren gibt es die Sendung West ART Meisterwerke, die jeden Dienstag nach dem Kulturmagazin West ART im WDR Fernsehen Kunstwerke und Architektur präsentiert, und genauso lange ist Claudia Kuhland bereits eine der zwei Autorinnen des Formats. Auch Kameramann Freddy Waldner ist von Anfang an dabei. Steigerfahrer Udo Schmitz ist zwar später hinzugekommen, hat sich aber als Multitalent bewiesen und wird vielseitig eingesetzt, auch wenn gar kein Steiger benötigt wird.

Kameramann Freddy Waldner (l.) und Steigerfahrer Udo Schmitz in der Kabine. Foto: Vera Lisakowski
Kameramann Freddy Waldner (l.) und Steigerfahrer Udo Schmitz in der Kabine. Foto: Vera Lisakowski

 

Die Wetterfrage

So auch auf dem Dach des Kranhauses: Mit dem Kameramann soll er in die Wartungskabine, die in schwindelnder Höhe über die Fassadenkante gehoben wird. Sein besonderes Händchen für ruckelfreies Anfahren soll die guten Bilder sichern. Momentan ist es aber eher das Wetter, das die guten Bilder verhindern könnte: Es zieht sich zu. Besorgt ruft Claudia Kuhland beim Wetterdienst an um die Vorhersage für die nächsten Stunden zu erfragen. Es soll am Nachmittag noch einmal aufklaren, aber die Prognose für den nächsten Tag, den zweiten geplanten Drehtag, ist inzwischen schlecht. Regnen soll es. Die für den frühen Morgen geplante Fahrt entlang der Südfassade rückt in weite Ferne – ohne diese Bilder geht es aber nicht.

Auf dem Dach des Kranhauses wird also weiter geplant: Wie werden die Personen in der Kabine gesichert? Wie lang ist das Kabel zum Monitor? Wie genau fährt die Kabine über die Dachkante und entlang des Hauses? Und wie lange benötigt sie, um von einer auf die andere Seite des Hauses zu fahren? Die Frage, wie man verhindert, dass einzelne Mitarbeiter in den Büros im Haus die Jalousien runterlassen und so das Bild stören, ist schnell geklärt: Sie können zentral gesteuert hochgefahren werden. Freie Sicht für die Kamera – wenn denn nicht die Sache mit dem Wetter wäre.

Die Suche nach dem richtigen Bild

Das zeigt sich jetzt wieder gnädig, deshalb wird schnell am Boden weiter gedreht. Noch mal die Aufzugschächte. Die Kamera im Steiger soll mit dem Aufzug abwärts oder aufwärts fahren. Es gestaltet sich schon schwierig, den Bildausschnitt so einzurichten, dass sowohl der Aufzug, als auch die Spiegelung im Glas zu sehen sind, sich die Kamera aber nicht spiegelt. Jetzt aber darauf zu warten, dass der Aufzug in die richtige Richtung fährt, ist eine Geduldsprobe, auf die sich hier niemand einlassen möchte. Kurzerhand wird die Autorin dieser Zeilen, zunächst mit Handy, dann mit Funkgerät in den Aufzug geschickt, um auf Kommando rauf und runter zu fahren. Das Gelächter der zusteigenden Büroangestellten ist groß, die Bilder aber mit dieser Methode recht schnell im Kasten.

Wie kann die Aufzugfahrt am besten eingefangen werden? Foto: Vera Lisakowski

 

Weiter geht es bei den alten Hafenkränen nördlich der Kranhäuser. „Das ist mein Einstiegsbild“, ist sich Claudia Kuhland sicher, „um zu erklären, was es mit den Kranhäusern auf sich hat.“ Auch hier ist das Finden des Bildausschnittes schwierig, denn die Kräne liegen im Schatten. Für die vorbeigleitende „Rheinperle“ hat keiner im Team mehr einen Blick, konzentriert wird die Steigerkabine zentimeterweise bewegt, die Kamera vor und zurück geschoben, bis alle mit dem kunstvollen Schwenk über den Kran-Ausleger auf die Kranhäuser zufrieden sind. „Bei den Architekturdrehs probiert Freddy gerne rum“, zeigt sich Udo Schmitz begeistert, „da ist es schön, neue Einstellungen zu entdecken.“

Und wieder warten

Die sind – für heute – alle abgedreht. Eine Frage, die gar nichts mit den Bildern zu tun hat, treibt Claudia Kuhland aber noch um: „Wie erkläre ich die Tragkonstruktion in zwei Sätzen?“ Trotz der langen Vorbereitung und mehrerer Drehtage – die West ART Meisterwerke sind nicht einmal fünf Minuten lang. Für lange Erläuterungen ist da kaum Zeit, ist doch das Konzept, vor allem die aufwändig gedrehten Bilder der kulturellen Meisterwerke wirken zu lassen, und die Informationen quasi nebenbei zu liefern.

Fahrt mit der Wartungskabine, trotz schlechten Wetters. Foto: Vera Lisakowski

 

Der nächste Drehtag beginnt schlecht: Es regnet. „Wir sitzen im Café und hoffen, dass es nachher noch etwas aufklart“, berichtet Claudia Kuhland am Telefon, „der Wetterbericht sagt, in einer, anderthalb Stunden soll es noch mal aufreißen.“ Im Verlauf des Vormittags hört der Regen zwar auf und der Blick vom Dach des Kranhauses auf die durch die Wolken blitzende Sonne ist spektakulär, aber die Fassade ist nur trüb beleuchtet und die Farbe des Himmels lässt sich später im Schnitt so gar nicht mit der vom Vortag kombinieren. Trotzdem klettern Freddy Waldner und Udo Schmitz in die Wartungskabine und probieren, welche Einstellung funktioniert, ob eine ruckelfreie Anfahrt überhaupt möglich ist und wie lang eine Fahrt entlang der Fenster dauert. Auch wenn es sie sehr amüsiert, auf dem Monitor die Reaktionen der Angestellten in den Büros auf die vorbeifahrende Kamera zu sehen – zufrieden ist Claudia Kuhland noch nicht mit dem von Beginn an schwierigen Dreh der Kranhäuser: „Wir haben gestern zwar viel gedreht, aber nicht alle Bilder, die ich brauche. Ich denke nicht, dass das reicht.“

Epilog

Monate später erklärt Claudia Kuhland: „Wir haben dann noch mal einen Tag gedreht, wir hatten einfach zu wenige Bilder.“ Auch die Autorin dieses Textes ist gespannt auf das Ergebnis. Zu sehen am 24. Februar, 23.10 Uhr im WDR Fernsehen.

Der Dreh des Kranhaus 1 war übrigens einer der letzten für die West ART Meisterwerke. Es werden im Jahr 2015 keine neuen mehr produziert, und wenn die letzten neuen abgesendet sind, gibt es nur noch Wiederholungen.

Vera Lisakowski