Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Bewegte Bürger

Ein Film dokumentiert den Beteiligungsprozess um das Heliosgelände in Ehrenfeld

„Wir haben den Film gemacht, um zu zeigen, dass es diese engagierten Bürger braucht, um einen Prozess anzustoßen“, erklärt der Verleiher Jürgen Lütz bei der Premiere des Dokumentarfilms „Wem gehört die Stadt – Bürger in Bewegung“ im Cinenova in Ehrenfeld. Ein Heimspiel vor 500 Zuschauern an einem verschneiten Sonntagmittag. Geht es in dem Film doch um das Heliosgelände direkt nebenan. Über zwei Jahre hat die junge Filmemacherin Anna Ditges den Prozess der Bürgerbeteiligung begleitet, der schlussendlich dazu geführt hat, dass dort kein Einkaufszentrum des privaten Investors Paul Bauwens-Adenauer gebaut wurde, sondern nun eine Inklusive Universitätsschule geplant wird.

 

Das Publikum bei einer Bürgerversammlung zum Heliosgelände. Foto: Anna Ditges Köln 2014
Das Publikum bei einer Bürgerversammlung zum Heliosgelände. Foto: Anna Ditges Köln 2014

 

Begleitung mit der Kamera

„Ich hatte 180 Stunden Material, daraus sind 90 Minuten Film geworden“, erzählt Anna Ditges bei der Premiere. Bereits zur ersten Infoveranstaltung ist sie mit der Kamera gegangen, hat mit vielen der Beteiligten gesprochen und im Laufe der Zeit ihre Protagonisten gefunden. Hans-Werner Möllmann gehört dazu, der Sprecher der Bürgerinitiative Helios, der Bezirksbürgermeister von Ehrenfeld, Josef Wirges oder die Architektin Almut Skriver. Wer diese Personen sind, erschließt sich allerdings nur demjenigen, der den Prozess mitverfolgt hat, denn sie werden in dem unkommentierten Film weder eingeführt, noch sind ihre Äußerungen so prägnant, dass ihre Positionen von Beginn an klar sind, oder sie gar exemplarisch stehen könnten

 

Paul Bauwens-Adenauer auf dem Golfplatz. Foto: Anna Ditges Köln 2014
Paul Bauwens-Adenauer auf dem Golfplatz. Foto: Anna Ditges Köln 2014

 

Investor auf dem Golfplatz

„Die Protagonisten liefern sich vor der Kamera auch aus, sie bringen einem ein Vertrauen entgegen“, bemerkt Ditges dankbar gegenüber den Mitwirkenden, die alle nach der Premiere auf der Bühne des Cinenova stehen. Als Zuschauer allerdings könnte man auf die Idee kommen, dass die Regisseurin sorglos mit dem Vertrauen ihrer Protagonisten umgegangen ist – kommen sie doch sehr unterschiedlich weg in der Darstellung. Dass Josef Wirges als amüsanter, leicht ungelenker kölscher Kumpeltyp daherkommt, entspricht womöglich seinem Auftreten im realen Leben. Es kann aber kaum Ziel sein, dass ein Bezirksbürgermeister den Film-Kasper gibt und den Saal zum Lachen bringt, sobald er ins Bild kommt. Dass aber Paul Bauwens-Adenauer klischeebesetzt auf dem Golfplatz gezeigt wird, oder bei ihm und den Mitarbeitern des Stadtplanungsamtes auch das Schweigen bei Nicht-Antworten dokumentiert wird, lässt auf eine Parteinahme der Regisseurin schließen, von der man nicht weiß, ob man eher wünschen möchte, dass diese Szenen bewusst eingesetzt wurden, oder dass sie irgendwie reingerutscht sind.

Bezirksbürgermeister Josef Wirges auf dem Heliosgelände. Foto: Anna Ditges Köln 2014
Bezirksbürgermeister Josef Wirges auf dem Heliosgelände. Foto: Anna Ditges Köln 2014

 

Bürgerbeteiligung im O-Ton

Dabei hat Ditges durchaus Zitate einfangen können, die sich selbst entlarven: So beschreibt Bauwens-Adenauer umständlich, wie er überhaupt an das Baugrundstück gekommen ist. Die Kurzform dafür wäre „Klüngel“, wie jeder im Saal sofort schlussfolgert. Auch die gruppendynamischen Prozesse bilden sich in den vielen Originaltönen ab. Wenn sich die „Gruppe Stadtentwicklung“ als „fleißigste Gruppe“ beschreibt, wenn Almut Skriver ihren Ausstieg androht, falls die Bürgerinitiative ernsthaft ein Park auf dem Heliosgelände fordert oder wenn dokumentiert wird, wie das Thema Schule plötzlich den gesamten Prozess kapert und andere mögliche Nutzungen gar nicht mehr diskutiert werden.

Diese Momente sind leider zu selten, verlieren sich in der Sammlung von Ausschnitten mit der die Regisseurin die gesamte Entwicklung in ihrer Kleinteiligkeit abbilden möchte. In ihrer Begeisterung für den beispielhaften Bürgerbeteiligungsprozess gelingt es ihr nicht, sich zu fokussieren und eine Dramaturgie zu entwickeln. Die Premierenbesucher im Cinenova stört das nicht, man lobt sich selbst, die Bürgerbewegung, ist begeistert vom Ergebnis – und vom Film. Wie gut, dass die beteiligten Bürger nicht immer so leicht zufrieden zu stellen sind.

Vera Lisakowski

 

 

Der Film „Wem gehört die Stadt – Bürger in Bewegung“ läuft ab 19. Februar 2015 im Cinenova und bundesweit in ausgewählten Kinos.

Die nächste Veranstaltung der Bürgerinitiative Helios findet am 18. April 2015, 16 Uhr im Atelier Colonia statt.

 

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4 Kommentare

Die Dokumentation hat die ganzen Vorzüge und Versprechungen für Bürgerbeteiligung sehr gut herausgearbeitet und gleichzeitig deren Grenzen aufgezeigt. Bürgerbeteiligung als Spielwiese für intellektuelle Mittelschichtler, die über ausreichend Kenntnisse und Hintergründe (und auch über, wenn oft auch nur geringe, Finanzmittel) verfügen, um mit Investoren, Politkern und Verwaltungsleuten wenigstens auf intellektueller Augenhöhe reden zu können. Wenn man dann erlebt, wie dieses „Milieu“ in Windeseile Expertenstatus bekommt ohne monatliche Gehälter/Renten/Pensionspunkte und ohne „Apparat“ in Anspruch nehmen zu können, dann wird auch klar, wie dünn die Brühe ist, die uns oft vorgesetzt wird. Auch das wird in demFilm deutlich, wenigstens für die, die solche Situationen kennen.
Die kurze Einschätzung der Tischlerin über den ganzen Vorgang war deshalb die beste Zusammenfassung, fast schon genial in ihrer Treffsicherheit und Kürze.

Der Film hinterließ bei uns den intensiven Eindruck der gegenseitigen Wahrnehmung der Protagonisten, die sich im Verlauf zunehmend ernsthafter mit den Argumenten der jeweiligen Gegenseite befassen. Während der Investor zunächst in dem Areal Brachland sah, das es zu bebauen gilt, so wirkte er zum Schluß zumindest nachdenklicher über dessen Verwertung und auch die Verwaltung wurde sensibilisiert für die Belange der Anwohner.

Schön fanden wir die Bildwirkung, die die Menschen und ihr Sosein in den Vordergrund rückt. Die Kamera ist „unauffällig“ dabei, berichtet aus der Beobachterposition.

Im Prinzip könnte die Thematik in jeder größeren Stadt so laufen.

Es ist schon äußerst merkwürdig, dass ein Architektur Portal bei dem HOCHTIEF & Co. Sponsoren sind kritisch über eine Sache schreibt die ganz normal, schön und gebraucht ist. Sie ist sogar erstrebenswert. Wieviele Ihrer Nachbarn kennen Sie Frau Lisakowski? Wenn es möglich ist dass Nachbarn zusammen stehen um ihre Heimat zu gestalten und zwar so wie sie sich wohlfühlen, dann denke ich erhöht das wohl die Lebensqualität. Ich halte Bildung als nicht schlechter als Konsum. Wenn Sie nicht ins Fitness Studio gehen würden dann könnte ich Sie dort wohl auch nicht filmen. Falls Sie nicht mehr für rein Profit orientierte Interressensgemeinschaften schreiben wollen, melden Sie sich gerne bei mir. Ich denke diese Filmkritik lohnt nicht.

Es handelt sich bei diesem Text nicht um eine Kritik am Bürgerbeteiligungsprozess (den ich auch in anderen Zusammenhängen immer wieder als beispielhaft hervorhebe) oder an seinem Ergebnis, sondern um eine Kritik am Film. Dass man darüber unterschiedlicher Meinung sein kann, erwähne ich sogar im Beitrag, Sie sehen es aber auch an den beiden obigen, sehr differenzierten, Kommentaren.
Über die Finanzierung des gemeinnützigen Projektes koelnarchitektur können Sie sich hier informieren: https://www.koelnarchitektur.de/projekt. Ich fürchte, Sie überschätzen die Höhe der Summe, die Sponsoren in ein solches Projekt stecken – wenngleich wir für jeden noch so kleinen Beitrag dankbar sind!
PS: Auch wenn mir der Bezug an dieser Stelle unklar ist: Mich in einem Fitness-Studio zu filmen, dürfte Ihnen in der Tat nicht gelingen.