Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Bonner Papiertiger

Drei neue Entwürfe für das unmögliche Beethoven-Festspielhaus

Vor genau drei Jahren (Kleine Stadt ganz groß) haben wir zuletzt über die Bonner Mühen ein Beethoven Festspielhaus zu bauen berichtet. Zwei Entwürfe (der Diamant von Zaha Hadid und die Welle von Valentiny) standen nach einem Wettbewerb zur Diskussion, doch scheiterte ihre Realisierung an Geld und Grund und es sah so aus, als müsste Beethovens 250. Geburtstag in seiner Geburtsstadt ohne das Festspielhaus gefeiert werden. Doch nun hat die Deutsche Post DHL als einziger verbliebener Hauptsponsor erneut ein privatrechtliches Architektenauswahlverfahren initiiert und Ende Oktober drei von zehn Entwürfen vorgestellt, die bis Ende des Jahres weiter ausgearbeitet sollen. Mit 30 Mio. € will die Deutsche Post DHL das Festspielhaus sponsern und sucht nach weiteren Sponsoren, um die inzwischen auf 70 Mio. € beschränkten Baukosten zu decken. Immer noch hat Bonn 1,6 Mrd. € Schulden, verzweifelt kürzt die Stadt ihre Ausgaben, schließt Schwimmbäder, Trauerhallen und Stadtteilbibliotheken, verkleinert das Orchester und streicht die Zuschüsse für Museen und Theater. Dass hier noch irgendwo Geld für den Betrieb des Festspielhauses zu finden ist, erscheint unmöglich. Doch die Befürworter des Projektes halten hartnäckig daran fest, dass „Beethoven jeden Euro zurückzahlen wird“.

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Heute steht die Beethovenhalle noch als Solitär am Rheinufer. Foto: Uta Winterhager

 

 

Die Standortfrage konnte indessen geklärt werden: Das neue Festspielhaus soll neben der Beethovenhalle stehen und das direkt am Rheinufer gelegene Gelände zu einem Musikcampus mit unterschiedlich nutzbaren Einzelspielstätten ausbauen.

 

 

Wellen, Muschel oder Stapelloggien – als Kanonenfutter viel zu schade

Die 27köpfige Jury unter Vorsitz des Staatssekretärs Engelbert Lütke Daldrup empfahl die Entwürfe von Chipperfield (London), Kadawittfeld (Aachen) und Valentiny hvp (Luxemburg) zur weiteren Bearbeitung.

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Grafik: Valentiny hvp, Luxemburg
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Die große Geste der Welle stellt ihr Umfeld in den Schatten – oder scheint das nur so? Grafik: Valentiny hvp, Luxemburg

 

Valentiny hat seine Welle noch einmal neu aufgelegt und sie den funktionalen Anforderungen des neuen Standortes angepasst, doch die große Geste stellt die bescheidene Eleganz der Beethovenhalle schlichtweg in den Schatten. Denn die wellenförmige Bronzehaut, die an den Längsseiten bis zum Boden heruntergezogen wurde, richtet den Baukörper auf die Längsachse zwischen Rhein und Stadt aus und macht ihn zu einem Solitär. Schuppenförmig liegen die breiten Streifen der Dachkonstruktion übereinander, lassen durch die Zwischenräume Tageslicht in die Tiefe des Baukörpers dringen und ermöglichen nur eine vorsichtige Öffnung zur Beethovenhalle. Ein Ensemble entsteht so nicht. Unter dem großen Schwung der Welle liegt der innen mit hellem Holz verkleidete Konzertsaal (eine Mischung aus Shoebox und Vineyard), der sich wie gefordert bei Bedarf von 1500 Plätzen auf 800 verkleinern lässt, unter dem kleinen Schwung schließt sich das Foyer an. Die großen Glasfronten der Stirnseiten versprechen, die Inszenierung des Konzertbesuchs bereits im Foyer bzw. auf der rheinseitigen Freitreppe beginnen zu lassen.

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Grafik: David Chipperfield, London
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So viel Höhe braucht Chipperfields Festspielhaus in der niedrigen Bonner Stadtsilhouette gar nicht. Grafik: David Chipperfield, London

 

David Chipperfield entwarf ein Festspielhaus, das die noble Handschrift des Architekten mehr geprägt hat als seine Funktion, denn die vier unterschiedlich großen, versetzt gestapelten Quader könnten vieles sein. Die Konsequenz und Taktung der überschlanken Betonstützen vor den umlaufenden Glasfassaden, verleihen der schlichten Grundform eine „gewisse Virtuosität“, verzichten jedoch auf die Allüren einer Ikone. Rundum und auf verschiedenen Niveaus entstehen Terrassen und Loggien, die das Gebäude in alle Richtungen öffnen. Der Konzertsaal (Shoebox) liegt im Zentrum der beiden unteren Ebenen und wird auf beiden Höhen erschlossen. Hier riet die Jury an, die Technik aus dem obersten Geschoss an einer anderen Stelle unterzubringen und das Gebäude in der Höhe zu reduzieren, um es der Stadtsilhouette anzupassen.

 

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Grafik: Kadawittfeld, Aachen
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Warum das neue Bonner Wahrzeichen nicht unbedingt hoch sein muss, zeigt das muschelförmige Festspielhaus von Kadawittfeld. Grafik: Kadawittfeld, Aachen

 

Kadawittfeld rücken mit ihremmuschelförmigen Baukörper recht nah an die Beethovenhalle heran, doch stehen sich hier zwei gleichwertige Partner gegenüber, die mit dem Organischen Bauen auch ein gemeinsames Thema zu haben scheinen. Sehr zaghaft noch Siegfried Wolskes frühe Ansätze von 1959, sehr expressiv aber dennoch harmonisch die geschliffene Form von Kadawittfeld. Ein umlaufendes Fensterband öffnet die helle Natursteinfassade und erlaubt Einblicke in das ebenerdig gelegene Foyer. Beiden Bauten verbindet eine gemeinsame Rheinterrasse, die über Sitzstufen zum Ufer hinunterführt, wo eine Außenspielfäche angelegt werden soll. Der äußeren Form folgend gräbt sich der Konzertsaal wie ein Amphitheater in das Gelände, die hier gewählte Vineyard-Form erlaubt es, die Zuschauerränge fast spielerisch um die Bühne herum anzuordnen.

Nach der Überarbeitung der Entwürfe, der Überprüfung von Funktionalität sowie Akustik und einer marktbasierten Kostenschätzung möchten die Auslober im kommenden Frühjahr in einem konsensuellen Verfahren (wohl durch die Hauptbausponsoren und den Jury-Vorsitzenden in Abstimmung mit weiteren Partnern) zu einer Entscheidung kommen. Weil jedoch das Projekt wirtschaftlich auf solch tönernen Füßen steht und in der Bonner Bürgerschaft äußerst umstritten ist, planen die potentiellen Bauherren verschiedene break-options in den Prozess ein, um das Risiko öffentlich zu Scheitern so weit es geht auszuschließen.

 

 

Uta Winterhager

 

Bis zum 16. November sind die Pläne und Modelle aller zehn Teilnehmer täglich von 10-18 Uhr in der Post Tower Lounge zu besichtigen oder hier.

 

Das Teilnehmerfeld des Architektenauswahlverfahrens setzt sich aus fünf Büros zusammen, die direkt gesetzt wurden, sowie fünf weiteren Teilnehmern, die durch ein ergänzendes Präqualifikationsverfahren ermittelt wurden. Folgende Büros sind nach Abschluss dieses Verfahrens durch ein Auswahlgremium ausgewählt und zur Teilnahme eingeladen worden (in alphabetischer Reihenfolge):

• David Chipperfield, London

• GMP, Aachen

• Zaha Hadid, London

• Hermann & Valentiny, Wien / Luxemburg

• Arata Isozaki, Tokyo

• JAHN Architecture Inc., Chicago / Berlin

• kadawittfeld, Aachen

• Architekturbüro Schommer, Bonn

• Snøhetta, Oslo

• UNStudio, Amsterdam