Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

„Quo vadis, Wohnbau?“

Die 9. JUNG Architekturgespräche in der Fritz-Thyssen-Stiftung

Architekturgespräche können die Welt nicht retten. Auch wenn nach der Einführung von Boris Schade-Bünsow, Chefredakteur der Bauwelt, diese Hoffnung irgendwie im Raum stand. Flott und unterhaltsam brachte er dem Publikum die nicht neue, aber immer wieder erschreckende Erkenntnis nahe, dass immer mehr und immer ältere Menschen in Städten wohnen werden.

So war es nachvollziehbar, dass Johannes Ernst von steidle architekten sich in „eine Art Prüfungssituation“ versetzt fühlte. Einfach „nur“ gute Architektur reicht vielleicht nicht als Antwort auf die Ewigen Fragen des Städtebaus. Aber es war genug Inhalt für einen spannenden Abend mit kompetent präsentierten Projekten.

„Wir sind die Architekten, die gleichzeitig die günstigste und die teuerste Wohnung in der Stadt gemacht haben, und das mehrfach“ – wichtig und entscheidend sei dies für die Belebung der Stadt, so Johannes Ernst. Sechs verschiedene Gebäudetypen sind in den Lenbach Gärten von steidle architekten entstanden, darunter auch 51 Einheiten im sozialen Wohnungsbau.

Lenbach Gärten, München
Drei Wohntypen und Büronutzung in Einem von steidle architekten in den Lenbach Gärten, München. Rechts im Bild das ehemalige Uni-Gebäude aus den 50er Jahren, das wie die drei unteren Geschosse des Neubaus vom Condé Nast Verlag genutzt wird. Abbildung: Stefan Müller Naumann

 

Im „Loft Wohnen“ stehen drei Wohnkonzepte zur Verfügung: das Haus-in-Haus-Wohnen auf vier Ebenen, das Loft-Wohnen auf zwei Ebenen und das Flat-Wohnen mit 90 qm auf einer Ebene. Flexibilität beweist der Entwurf sogar durch die Integration einer Büronutzung: ein Drittel des Gebäudes wird vom Condé Nast Verlag genutzt, ohne daß Eingriffe in die Gebäudestruktur oder die Fassade nötig gewesen wären.

Vom besonderen Engagement einer Gruppe bestimmt ist das Haus der Baugemeinschaft R50 in Berlin-Kreuzberg von ifau und Jesko Fezer | HEIDE & VON BECKERATH das Tim Heide vorstellte. Es war wenig Geld da, so wählte man eine schlichte Stahlbetonkonstruktion mit reduzierter und teilweise offen verlegter Infrastruktur und standardisierte den Ausbau.

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Außenansicht R50 – Haus als Stadt: 19 individuelle Wohnungen und öffentliche Bereiche für die Hausbewohner, z.B. die geschossweisen Umgänge; Fotos: Andrew Alberts

 

Ein zweigeschossiges, großzügiges Foyer, eine Waschküche, eine Werkstatt und eine Dachterrasse mit Sommerküche stehen allen Bewohnern zur Verfügung. Die Räume sind 10% kleiner als üblich. So konnten die Baukosten inklusive des Grundstückspreises auf 2.200 Euro pro Quadratmeter begrenzt werden.

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Innenansicht R50: Helle Räume durch eine eigens für dieses Haus entwickelte modulare Holzfassade mit unterschiedlichen Öffnungselementen; Fotos: Andrew Alberts

 

Als sehr stark verortete Gebäude beschreibt Claudia Meixner ihre Entwürfe. Aus dem Ort und der Aufgabe entwickelt sie besondere Lösungen, die auch den Menschen mit diesem Ort verknüpfen und damit Heimat schaffen wollen. Das Wohnhochhaus an der Europaallee spiegelt seine jeweilige Nachbarschaft.

 

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Das Wohnhochhaus an der Frankfurter Europaallee zeigt seine urbane Seite als Hochhausblock – Im Inneren gibt es viele Freiflächen und begrünte Bereiche. Reihenhäuser schließen den Riegel. Abbildung: MSW Architekten/cadman

 

Zum Blockrand hin ist es Hochhaus, niedrigere Flanken leiten zu Reihenhäusern über, die auf der Rückseite den Block schließen. Der urbanen Seite zur Stadt hin entspricht eine begrünte Innenseite mit Loggien, Terrassen und Balkonlandschaften.

Am Ende des Abends waren zwar weder Rettung noch Vision erkennbar – aber immerhin vielleicht der Grund, woran es scheitert: „Der ganz großen Innovation verschließen sich die Menschen,“ sagte Johannes Ernst. Zimmer Küche Bad, möglichst im Eigenheim mit Garten, bleiben eben doch das Maß allen Wohnens.

 

Ira Scheibe