Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Unsere Besten II

Das sagte die Jury über die Preisträger des kap 2014

In den kommenden Tagen möchten wir die Preisträger des diesjährigen Kölner Architekturpreises noch einmal mit der Bewertung der Jury vorstellen. Denn wir wollten genauer wissen, wie sie die Bauten erlebt haben und welche Qualitäten sie darin erkannt und honoriert haben.

 

Ausgezeichnet mit dem kap 2014:

 

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Die harte Schale der Baugruppe Baufreunde. Foto: Habermann und Foehr

 

Baugruppe Baufreunde

Das Wohnbauprojekt der Baugruppe umfasst insgesamt 18 Wohnungen für verschiedene Haushaltstypen, vor allem Familien mit Kindern. Über einen Zeitraum von 3 Jahren entstand nach über 100 Gruppentreffen mit Hilfe des Architekturbüros office 03 ein Konzept für eine Wohnanlage, die sich den Wohnwünschen der 67 Bewohner so unterordnet, dass die individuellen Wohneinheiten den unterschiedlichen Ansprüchen gerecht werden und dennoch eine einheitliche Gesamtwirkung der beiden Gebäuderiegel mit ihren verbindenden Grünflächen entsteht. Dieses Ziel ist auf beeindruckende Weise durch sorgfältige und kluge Gestaltung von Innen- und Außenräumen erreicht worden. Die Häuser sind im Inneren vielfältig gegliedert, wobei sich die Wohnungen vertikal über zwei oder drei Geschosse erstrecken, aber auch eingeschossige Wohnungen enthalten. Jede Wohnung hat einen zugehörigen Garten oder eine großzügige Dachterrasse. Diese privaten Außenräume tragen durch die Gestaltung, Bepflanzung und Pflege zu einem facettenreichen gemeinsamen Innenhof bei, ohne dass dieser blockhaft geschlossen sein müsste.

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Grafik: office03

 

Im Kinderheimquartier, das in sieben Viertel aufgeteilt und von unterschiedlichen Bauherren oder Bauträgern mit völlig verschiedenen Wohnkomplexen bebaut worden sind, bildet die Anlage der Baufreunde das überzeugendste Beispiel für eine offene und nutzerorientierte Bebauung, bei der Individualisierung und einheitliche Gesamtwirkung nicht im Widerspruch zueinander stehen. Hier wird ein Beispielfür den Mehrwert gegeben, den im Unterschied zu den benachbarten Lösungen ein Gruppenprozess mit Architekten, die diesen aufzunehmen und weiterzuführen verstehen, zum Ergebnis haben kann. Dieses Beispiel, eingebettet in ein kluges städtebauliches Konzept, zeigt auch, wie städtisches Wohnen jenseits von Schematismus und Regellosigkeit heute aussehen kann.

 

Projekt Wohnbebauung für die Baugruppe „Baufreunde“ auf dem ehem.

Kinderheimgelände in Köln-Sülz

Architekt: office03 // waldmann & jungblut gbr, Dipl.-Ing. Dirk Waldmann, Dipl.-Ing. Berthold Jungblut

Bauherr: Baugruppe „Baufreunde“ WEG, vertreten durch Dr. Jan Scholzen

Fotograf: Habermann und Foehr

 

 

 

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Die GAG-Siedlung Buchheimer Weg. Foto: Jens Willebrand

 

Siedlung am Buchheimer Weg

Die Siedlung ersetzt eine locker gegliederte Zeilenstruktur der 50-er Jahre und interpretiert diese eigenständig. Die neu entstandene Zeilenstruktur am Buchheimer Weg erhöht die Bebauungsdichte im Quartier und schafft zeitgemäße Wohnungsgrößen und Grünräume. Neben sozialem Wohnungsbau bietet die Siedlung Raum für diverse nachbarschaftliche Funktionen.

 

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Struktur der Siedlung am Buchheimer Weg vorher (links und nachher (rechts). Grafik: ASTOC

Die Jury würdigt den konsequenten und sorgfältigen Umgang des Projektes mit dem städtebaulichen Erbe der Nachkriegszeit. Mit einfachen gestalterischen Mitteln wie Abknickung der einzelnen Zeilengebäude, einheitlicher Farbgestaltung in verschiedenen Schattierungen von lindgrün und skulpturaler Volumetrie wurden eigenständige Räume zwischen den Gebäuden geschaffen. Die Freiräume dienen der Orientierung und Adressbildung im Quartier. An die Stelle herkömmlich anonymer Grünflächen tritt eine Raumfolge abwechslungsreicher, gut nutzbarer Freiräume mit teilweise privatgartenähnlichen, teilweise parkähnlichen Qualitäten, die es vermag die Bewohner der Anlage zusammenzubringen. Trotz begrenzten Budgets entstand am Buchheimer Weg ein lebendiges städtebauliches Ensemble, das als beispielhaftes Projekt für städtische Nachverdichtung in die Jahre gekommener Nachkriegsstrukturen gesehen werden kann, und das dennoch seinen modernen Kontext nicht leugnet.

 

Projekt: Siedlung Buchheimer Weg, Köln. Ersatz-Neubau einer 50er-Jahre Wohnsiedlung

Architekt: ASTOC Architects and Planners, Köln

Landschaftsarchitekt: urbane gestalt johannes böttger landschaftsarchitekten, Köln

Bauherr: GAG Immobilien AG, Köln

 

 

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Kleines Haus Blau, BeL Foto: Veit Landwehr

 

Umbau und Erweiterung eines Einfamilienhauses in Hürth-Hermülheim

„Wir verstehen das kleine taubenblaue Haus auf den ersten Blick nicht wirklich. Wir finden es aber sofort sehr sympathisch. Vieles an dem Haus scheint uns vertraut und sehr normal zu sein. Erst bei längeren Hinschauen wird klar: hier hat jemand sehr sorgfältig und sehr geistreich aus einem kleinen Einfamilienhaus aus den 50er-Jahren ein geräumiges und zeitgemäßes Wohnhaus gemacht. Und genau deshalb soll dieses Haus eine Auszeichnung bekommen. Der prämierte Entwurf zeigt uns nämlich exemplarisch, dass Umbauen und Weiterbauen zeitgemäße und architektonisch vollwertige Strategien sind. Oftmals ist es übrigens auch ökonomisch und ökologisch besser, das Vorhandene weiterzuverwenden als alles neu zu machen.

So war es auch beim blauen Haus in Hürth. Das bestehende Gebäude wurde bis auf den Rohbau zurückgeführt und von dort aus neu aufgebaut und erweitert. So kamen Vordächer, Dachgaube und Treppenhaus dazu. Und auf der Gartenseite wurde dem bestehenden Massivbau eine ganze Raumschicht als ausgefachter Stahlskelettbau hinzugefügt. Die neue Raumaufteilung im Innern zeugt vom klaren architektonischen Willen, Ordnung zu schaffen. Die Architekten sprechen denn auch von einer „Ertüchtigung zur Klassik“. Und tatsächlich trägt die beinahe klassizistische Klarheit und Regelmäßigkeit der Räume dazu bei, dass wir uns vorstellen können, dass hier die Räume für alle möglichen Nutzungen brauchbar sind. Diese Qualität wird es den Bewohnern erlauben, die Benutzung und Einrichtung ihrer Zimmer im Laufe der Zeit immer wieder zu ändern. Es gibt nicht nur eine Art, das Haus zu möblieren und zu bewohnen. Das ist im besten Sinne nachhaltig.

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Isometrie, Kleines Haus Blau, Grafik: BeL

 

Architektonisch kann man das umgebaute Haus wie ein Collage oder wie eine Komposition verstehen. Alle konstruktiven Teile sind sehr sorgfältig zueinander in Beziehung gesetzt. Jedes Element, sei es noch so klein, ist präzise gefügt und erzählt eine kleine Geschichte; zum Beispiel davon, wie es früher einmal war, und was heute daraus geworden ist, oder davon wie wir uns bewegen und wie wir die Dinge anfassen und benutzen. Die großen Fragen der Architektur lassen sich auch an kleinen Bauaufgaben erfolgreich behandeln. Der Entwurf von Anne-Julchen Bernhardt und Jörg Leeser zeugt in beeindruckender Weise davon.“

Aus dem Protokoll der kap-Jury 2014

 

Projekt: Kleines Haus Blau Umbau/ Neubau eines Einfamilienhauses, Hürth

Architekt: BeL Jörg Leeser, Anne-Julchen Bernhardt

Bauherr Sirit und Dirk Breuer

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L.-Fritz-Gruber-Platz (Ecke Kolumba), scape Landschaftsarchitekten (Düsseldorf), Foto: Gereon Holtschneider

 

L.-Fritz-Gruber-Platz

„Mit der Gestaltung des L.-Fritz-Gruber-Platzes haben die scape Landschaftsarchitekten aus Düsseldorf zum Gedenken an den berühmten Fotografen, Sammler und Kurator das Thema Licht und Fotografie überzeugend in ein Bild/eine Inszenierung/eine Szene gesetzt und andererseits einen schönen innerstädtischen Platz den Bewohnern von Köln zur Aneignung gegeben.

Schon die Tatsache, dass Autos und Mülleimer vom Platz entfernt werden konnten, begeistert.

Auf eine zurückhaltende anmutige Art wurde dieser Platz scheinbar fast leer gelassen und die drei 4 m langen weißen steinernen monolithischen Steinbänke am Rande der hellen Fläche laden den sich dort niederlassenden Passanten zum Beobachten, Sitzen und Verweilen ein. Die scheinbar einfache  Platzgestaltung nimmt sich gegenüber den starken, denkmalgeschützten Fassaden der 20er und 60er Jahre sowie der charakteristischen Fassade des Museums Kolumba zurück. Die den Platz umgebende Architektur wird ganz neu wahrgenommen. Auf einer Steinbank sitzend  kann man sich auch Gedanken machen über die Ballung von Hochzeitskleidungsgeschäften, die sich hier in großer Dichte befinden.

Der Platz ist jetzt eine klare, offene Fläche; ein durchgehender Pflasterteppich aus dunklem ortstypischen Basalt-Kleinsteinpflaster, von dem man meint, er sei schon immer da gewesen, umrahmt eine großes eingelegtes helles Rechteck von 34 mal 9 Meter. Dieses leere Rechteck aus weißen Betonplatten mit dem Seitenverhältnis von 6:9, dem Format einer Kleinbildkamera schafft eine Projektionsfläche für die auf die Platzfläche fallenden Schatten. Die leere Bildfläche wird durch das Licht- und Schattenspiel der Bäume sowie der Passanten auf dem Platz gefüllt. Der Platz wird so zum Foto.

Wenn sich abends das Licht in der abgependelten metallisch-spiegelnden Hohlkugel von 120cm Durchmesser langsam aufbaut zu einer hellen, scharfen Theater-Projektionsbeleuchtung, wird der Passant zum Akteur, dessen Schatten wie eingebrannt wirkt in die helle Bodenfläche. Dieser Effekt, die Verwandlung des vorhandenen Dreidimensionalen ins zweidimensionale Abbild auf der hellen Platzfläche, ist eine poetische und raffinierte Bilderfindung als Hommage an den Namensgeber des Platzes.

Detail im Platzbelag des L.-Fritz-Gruber-Platzes: bündig eingelassene Edelstahlbuchstaben

Das Zitat von Man Ray: „Alles kann durch das Licht verändert, deformiert oder eliminiert werden. Es ist genauso geschmeidig wie der Pinsel“, ist in Edelstahlbuchstaben in den Rahmen des Boden belagsbündig eingelassen, als ein weitere Anregung, über das Thema Fotografie oder Licht und Schatten nachzudenken.

Eine schönes und sensibles Detail sind auch die nicht festzementierten  Betonplatten rings um die beiden Bäume herum. Diese losen Platten lassen  den Wurzeln der Bäume Bewegungsfreiheit . Dieses setzt sich auch beim Kopfsteinpflaster im Bereich des Wurzelwerks der Bäume fort. In diesem Bereich sprießt schon das Grün zwischen den Basaltsteinen und so zeichnet sich der Wurzelbereich der Bäume auf der hellen und der dunklen Fläche jeweils auf eine andere Weise ab und man wird sehen, was die Bäume mit diesen Platten machen werden. Diese gesamte rechteckige Platzfläche hat eine Wölbung  die der Dynamik der städtebaulichen Nord-Südachsenausrichtung folgt. So wird die gesamte Bodenfläche des Platzes nicht einfach als ein gepflasterter Boden wahrgenommen, sondern als Skulptur.“

Aus dem Protokoll der kap-Jury 2014

 

Projekt: Neugestaltung des L.-Fritz-Gruber-Platzes in Köln

Architekten: scape Landschaftsarchitekten, Düsseldorf

Lichtplanung: Burkhard Wand Lichtplanung, Hamburg

Bauherr: Stadt Köln – Stadtplanungsamt

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Blick auf die Empore, Foto: Annette Kisling

 

Immanuelkirche

„Der Neubau der Immanuelkirche von Sauerbruch-Hutton Architekten, fasst, als ein Ensemble aus Kirche, Glockenturm und Kapelle einen offenen Platz mit altem Baumbestand im dörflich-vorstädtischen Köln-Stammheim. Aus einem Wettbewerb hervorgegangen, notwendig geworden durch die Zusammen-legung der evangelischen Kirchengemeinden von Flittard und Stammheim, ist der Neubau zu einem Zehntel aus Spendengeldern der Gemeindemitglieder finanziert, ein echter Gemeinschaftsbau also. Realisiert wurde eine reiner Holzbau, der den Innenraum sichtbar strukturiert, dessen Konstruktion aber vor allem die Bauzeit beschleunigte und die Kosten im Rahmen hielt. Für relevant hielten wir bei unserer einstimmigen Juryentscheidung auch den Aspekt der Nachhaltigkeit.

Das Gebäude reinterpretiert das Gebäude den Bautypus der Basilika mit Empore im Sinne einer modernen Gemeinde. Dem Kirchenraum sind die Nutzungen von Gemeinde-, Musikraum und der Sakristei querschiffartig zuschaltbar. Betritt man die Kirche, erlebt man durch den Duft und die Materialität des Holzes den Raum körperlich. Das gleichsam vom Himmel fallende Licht über dem Altar überhöht die durch farbige Holzstäbe gebildete Chorwand, die die Orgel der Vorgängerkirche verbirgt. Es entsteht ein Augenblick der reinen Schönheit und Transzendenz. Die skulptural wirkende Empore wird durch eine große Milchglasscheibe erhellt, durch die man die alten Bäume des Kirchvorplatzes erahnt.

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Detail der Altarwand. Foto: Uta Winterhager

Begeistert wurden wir durch die Subtilität des Materialeinsatzes, der den Pragmatismus angesichts des begrenzten Budgets nur erahnen lässt.Die diagonale Lärchenholzverschalung an der Außenfassade befremdet zunächst, fügt sich aber vor Ort durch die vorpatinierte Farbigkeit selbstverständlich in die Umgebung ein.

Entstanden ist ein besonderen Ort erleben, der uns als Jury durch Formensprache, Materialität und Licht in Andacht versetzte.“

Aus dem Protokoll der kap-Jury 2014

 

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Immanuelkirche. Grafik: sauerbruch hutton (Berlin)

 

Projekt: Immanuel-Kirche

Architekten: Sauerbruch Hutton

Bauherr: Evangelische Brückenschlag-Gemeinde

Bonhoefferstraße 8, 51061 Köln-Flittard/Stammheim

 

2 Kommentare

BAUFREUNDE
Ich kann mich gut an die Veranstaltung im hdak erinnern, bei der das Projekt vorgestellt wurde.
Ich weis, was es bedeutet durch den langen Planungsprozess zu gehen. Herzlichen Glückwunsch und eine gute Zukunft in eurem ZuHause!
Der Stadt Köln wünsche ich weiteres zukunftsorientiertes städtebauliches Engagement, das dann viele weiter Baugruppenprojekte ermöglichen wird. Die Nachfrage der Bürger der Domstadt und der Menschen die gern in Köln leben und arbeiten möchten ist groß.

Jürgen Rausch
Architekt, Wellington – New Zealand