Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Stadtrhythmus

Riesen Ansturm, lange Schlange, begeisterter Applaus: Der Abend mit dem dänischen Stadtplaner und Architekten Jan Gehl zeigte, wie es ist, wenn ein Mensch wirklich eins mit dem ist, was er tut.

Dann kommt etwas dabei raus. Unter den ersten zehn Städten, die das Magazin Monocle 2014 zu den lebenswertesten der Welt gekürt hat, sind sechs, die Gehl Architects mit Projekten begleitet haben. Woher kommt der Erfolg von Jan Gehl?

Wie damals überall wurde ihm an der Uni modernistische Stadtplanung gelehrt, zur Produktion von Wohnmaschinen und „Restflächen“ drumherum. „Und dann habe ich eine Psychologin geheiratet.“ Und die fragte ihn wieder und wieder, warum sich Architekten eigentlich nicht für Menschen interessieren.

 „Copenhagenization“

In Kopenhagen stellten sich offensichtlich eine ganze Menge Leute diese Frage, früher als anderswo. Heimlich, still und leise ließ die Stadt jedes Jahr mehr Parkraum verschwinden. „Und eins ist bewiesen: Wenn die Leute nicht parken können, werden sie nicht fahren.“ Der Rest ist Geschichte, „Copenhagenization“ ist heute so etwas wie ein Heilsversprechen für Stadtentwicklung.

„We are a walking amimal, and we love to meet people.“ Stadtqualität bemisst sich für Jan Gehl daran, wie viele Leute auf der Straße sind, insbesondere junge und alte. Eine Stunde natürliche Bewegung am Tag – Gehen oder Fahrrad fahren – verlängere das Leben um 7 Jahre. Die Art und Weise, wie unsere Städte zu Bewegung und Begegnung einladen, wirkt sich unmittelbar auf die Gesundheit und das Befinden aller Bewohner aus. Städte werden nicht mehr für eine Geschwindigkeit von 5 km/h gebaut, sondern von 60 km/h – oder in Städten wie Dubai für 100 km/h. Das Ergebnis: Übergewicht. Was kann man tun?

herald square before and after_1

Vorher – nachher: Harald Square Broadway: 90 % des Raums für 10 % der Leute… …und umgekehrt: „If I can make it there, I’ll make it anywhere….“ Foto: DOT

Jan Gehls Waffe gegen Phlegma und Autolobby sind – Daten! „We only measure what we care about.“ Verkehrsstatistiken haben lange Zeit nur KfZ erfasst. So wurde das Falsche optimiert, der Nutzen einer Minderheit. Die Gehlsche Methode erhebt das Verhalten von Passanten beim Gehen und Verweilen – den eigentlichen Rhythmus einer Stadt. Diese Erkenntnisse dienen dann als Basis für Interventionen im öffentlichen Raum.

2007 kam eine Abordnung aus New York nach Kopenhagen und fuhr Fahrrad. Kaum zurückgekehrt, fingen sie am Montag darauf an, die Stadt umzugestalten: „Das sind Amerikaner, die fackeln nicht lange.“ Mittlerweile gibt es sogar in der Bronx Fahrradwege, und keine Autos mehr auf dem Broadway. Dort kann man sich jetzt im Liegestuhl die Stadt und die Leute angucken. „It’s only an experiment,“ soll Bloomberg seine Bürger beruhigt haben.

„It is very cheap to be nice to people in terms of city planning,“ sagte Jan Gehl zum Abschluss. Dass die Stadt selbst ihn mit eingeladen hat, können die Optimisten unter uns als Zeichen der Hoffnung verbuchen.

Ira Scheibe

Weitere Infos:

Die fünfteilige Reihe „Kölner Perspektiven: der öffentliche Raum“ von IHK Köln, „KAP Forum und dem Baudezernat wird noch mit zwei weiteren Terminen fortgesetzt: