Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

„Ärgerlicher Aggregatzustand“

Kulturzentrum am Neumarkt soll nun doch gebaut werden

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Die Geschichte des geplanten Kulturzentrums am Neumarkt ist trotz jahrelangem Vorlauf und einem Architektenwettbewerb bislang alles andere als eine Erfolgsstory. Vielmehr ist der Umgang mit diesem kulturpolitisch und städtebaulich wichtigen Projekt von politischem Hin und Her und offenbar von einer Reihe von „Missverständnissen“ geprägt, als deren vorläufiges Ergebnis lediglich ein „Loch“ zu verzeichnen ist.

Beim Montagsgespräch, zu dem der Bund Deutscher Architekten geladen hatte, erläuterten Oberbürgermeister Schramma und der Bau- und Kultusminister NRW, Dr. Michael Vesper den Stand der Dinge. Zur Diskussion kam aber auch das Alternativkonzept des Verein Loch e.V., das deren Vertreter, der Kölner Architekt Bernd Kniess, vorstellte, um langfristige kulturpolitische und städtebauliche Perspektiven aufzuzeigen.

Nachdem vor zwei Wochen das definitive Aus für das Projekt prognostiziert wurde und sich von städtischer Seite bereits Begehrlichkeiten ob des Loch-Verkaufes regten, erfuhr das Verfahren erneut eine Wendung. Kulturminister Vesper, der bereits seit seinem Amtsantritt hartnäckig den Neubau vorangetrieben hatte, und den Baustopp als einen „ärgerlichen Aggregatzustand“ bezeichnet, schaltete sich erneut ein. Sein Votum für das Kulturzentrum und die Zusage der Landesmittel für den Museumsneubau in Höhe von 18,9 Millionen Euro, wirkte.

Von Oberbürgermeister Schramma wurde das bislang wenig geliebte Projekt kurzer Hand zur Chefsache erklärt. Die weiterhin strittige Frage der Betriebskosten delegierte er allerdings pragmatisch an die Kulturdezernentin, wohl wissend, dass deren Etat erst im Mai um 14 % gekürzt wurde.

Kritiker des Projektes befürchten nun, dass der Betriebskostenanteil bei anderen Institutionen gekürzt wird.

Dennoch scheinen sich alle Politiker einig zu sein: Das von den Braunschweiger Architekten Schneider + Sendelbach geplante Kulturzentrum soll zwar in der ursprünglichen, jedoch optimierten Form realisiert werden. Optimiert heißt vor allem, die Reduktion des umbauten Raumes. Gedacht wird an den Wegfall des so genannten Basisgeschoss. Dort hätten Flächen für die Kunsthalle und Wechselausstellungen, die VHS-Foren und das Café entstehen sollen. Statt dessen bekommen Kunsthalle und Wechselausstellungen nun den Platz im Erdgeschoss, der ursprünglich für den Kölnischen Kunstverein vorgesehen war, der jedoch mittlerweile sein neues Domizil in der Brücke gefunden hat.

Der Verein Loch e. V., größter Kritiker des Neubaus, formierte sich aus der privaten Initiative, die sich noch für den Erhalt des Josef-Haubrich-Forums eingesetzt hatte. Seine Vertreter bezweifeln, daß das geplante Museum den zeitgemäßen Anforderungen eines Kunstzentrums angemessen ist und schlagen selbst Modelle vor, die aus der Kultur-Misere führen sollen. Vor allem müsse über diesen zentralen Standort der Innenstadt neu nachgedacht werden, bevor „das Loch“ mit heißer Nadel gestopft würde.

Zur urbanen Entwicklung Kölns und besonders um das Areal am Neumarkt wurde als zentraler Baustein des Konzeptes das „neues forum köln“ eine „europäischen Kunsthalle“ definiert.

Im Verbund mit „weiteren Orten kultureller Produktion“, gedacht wird z.B. an die Kunst- und Museumsbibliothek, das Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels und die Artothek, könne als Perspektive für die Zukunft „ein einmaliges Forschungszentrum für moderne und zeitgenössische Kunst entstehen.“

Kniess` Planungen, die dafür eintreten, das Scheitern des Neubaues als Chance zu begreifen und programmatisch formulieren „das Loch müsse für Köln noch größer werden“, beziehen das gesamte Areal bis zum Neumarkt über die Cäcilienstrasse hinweg mit ein. Die Überlegungen gehen jedoch weit über die Füllung des klaffenden Lochs hinaus. Sie sehen eine Stadtreparatur für das gesamte Areal am Neumarkt vor, in dessen urbaner Neuplanung das „neue forum köln“ nur ein Stadtbaustein, neben Wohnen und Arbeiten sein soll. Unter der Prämisse der Stadtentwicklung als Lebensform, soll der gesamte Bereich stadträumlich neu definiert werden, „dabei die fast unüberwindliche Barriere der Cäcilienstrasse“ verändert und die unterbrochenen Achsen wieder hergestellt werden. Dies gilt insbesondere für das Wegenetz zwischen den kulturellen Orten Oper, Schauspiel und Kunsthalle. So würde ein „Stadthybrid“ entstehen mit dem Schwerpunkt der Kunst. Nicht mehr im Zentrum der Planungen das RJM. Teil des Konzepts soll die Stärkung des jetzigen Standorts am Ubierring, durch Erweiterung und Umbau sein.

Zöge man jetzt zu diesem Zeitpunkt die Konsequenz aus den Planungen des Loch e.V., würde es bedeuten ein neues Verfahren einzuleiten. Hier widersprach Vesper deutlich. Er ist nicht gewillt die Preisgerichtsentscheidung zu ignorieren und das bisher erarbeitete Ergebnis in Frage zu stellen. Einen neuen Wettbewerb halte er „für falsch“ aus „verfahrentechnischen Gründen und aus Gründen des Zeitplanes“. Denn die für das Museum bewilligten Mittel stehen zur Verfügung und könnten nicht die nächsten fünf Jahre geparkt werden. Solange würde etwa ein neues Verfahren dauern. Auch machte er deutlich, dass für ihn „das Völkerkunde Museum oberste Priorität hat“. Zumal der Museumsbestand durch eine Maskensammlung bereichert werden solle, deren Schenkung, Kölner kennen dieses Prozedere, an den Neubau gekoppelt ist.

Für den Nicht-Kölner Städtebauer Sievers ist es „völlig normal, das große Projekte in unterschiedliche Konjunkturphasen geraten“ und Veränderungen erfahren, auf die Bauherren und die, leider nicht anwesenden, Architekten reagieren müssen. Auch er ist prinzipiell der Ansicht an bestehenden Entscheidungen fest zu halten. Dem Gestaltungsbeiratsmitglied und Kölner Architekten Johannes Schilling ist es dagegen vor allem wichtig, das der Prozess städtische Projekte transparent abgebildet und diskutiert wird, auch oder gerade wenn dies kontrovers geschieht.

Marcel Odenbach, Mitbegründer der Initiative gegen den Abriss der Josef-Haubrich-Halle protestierte ursprünglich „aus sentimentalen Gründen“, um den Verlust „eines Stückes Heimat“. Jetzt ist ihm Protest wichtig, um das innerstädtische Grundstück überhaupt für die Kultur zu erhalten. In diesem Punkt gibt die Realität der Initiative recht. Es scheint so, als hätte die leidenschaftlich geführte Debatte im Interesse aller Kölner, den Standort kurz vor dem Verlust an einen kommerziellen Investor, für die Kunst gerettet.

Zum gleichen Thema:

->Chance vertan?

->Muß wer A sagt auch B sagen?

->Museum statt Loch?

Barbara Schlei

Redaktion

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abbruch

‚…..als die Abrißbirnen einsetzten waren die Unwägbarkeiten noch nicht bekannt.‘ Oberbürgermeister Fritz Schramma

Foto: Ilka&Andreas Ruby/textbild

ueberbaung

Die Ermittlung der maximalen Kubatur basiert auf der Anwendung des geltenden Baurechts.

Foto: Loch e.V.

statistisches modell

Modellrechnung: die Optimierte Kubatur wurde aus Vergleichswerten europäischer Stadtbausteine abgeleitet und der Situation angepaßt.

Foto: Loch e.V.

Lageplan

Bauliche Optionen

Foto. Loch e.V.

2 Kommentare

Braucht Köln unbedingt eine solch wuchtige Betonkiste,die sämtliche Wegführungen und Blickbeziehungen in diesem Gebiet verstellt?Einen sich selbst verherrlichenden Protzbau, der überhaupt keine Räume mehr zuläßt?Das ko für die umliegenden PLätze und alles öffentliche Leben!!!

Der Betonklotz ist der nächste Schandfleck in der Stadt! Warum nehmen Sie nicht die Architekten, die das neue Museum am Unter-Goldschmied gebaut haben? Das ist ein Schmuckstück für die Stadt. das geplante „Ding“ ist wohl von der Betonindustrie gesponsert!