Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Gibt es den idealen Raum ?

Museen bieten heute mehr als nur Ausstellungsräume: Sie sind Tempel der Freizeitgesellschaft und gehören zu den begehrtesten Architekturaufgaben, die eine Gesellschaft zu vergeben …

Ein Museum zu entwerfen verknüpft Herausforderungen an künstlerische und schöpferische, wie auch an funktionale Aspekte der Architektur. Die Interessen von Kunst und Architektur gilt es miteinander zu verbinden, ebenso wie das Einfügen des Baus in städtische Strukturen. Es bedarf einer Autonomie des Gebäudes ebenso wie der Verankerung am Ort und der Relation zum Gefüge der Stadt.

Die letzten zwanzig Jahre haben Europa eine Fülle von Museumsneubauten für die Kunst der Moderne beschert. Kunst wie deren Aufbewahrungsorte wurden popularisiert und vielerorts zum Medienereignis. Eine grundsätzliche Debatte über die Implikationen der zeitgenössischen Museumsarchitektur entwickelte sich.

Die Diskussion um den idealen Ausstellungsraum hat eine lange Tradition und ein breites Spektrum der Museumstypologie hervorgebracht: expressiv die einen, streng und kühl die anderen, behutsam vermittelnd zwischen Alt und Neu die Dritten. Wie sollen die Räume beschaffen sein, in denen Bilder, Skulpturen, Installationen und Videosequenzen der unterschiedlichsten Kunstrichtungen- und formen optimal präsentiert werden können? Wie können kulturhistorische oder gar naturwissenschaftliche und technische Themenschauen präsentiert werden? Enzyklopädische Ausstellungskonzepte in Kabinettmuseen gehören meist der Vergangenheit an. Mit den vielfältigen, oft sehr gegensätzlichen Exponaten thematisch wechselnder Ausstellungen haben sich die Anforderungen an die Orte der Präsentation verändert und sind vielfältig, teilweise auch widersprüchlich geworden. Äußerlich ein Credo des Architekten, sind die Neubauten mehr oder weniger geeignet, die Inhalte zu umhüllen.

Lange galt der neutrale Raum des „white cube“ als angemessene zurückhaltende Hülle, die der Kunst die Priorität gibt. Ein Raum ohne persönliche Aussage des Architekten, in dem aber alles möglich ist, wie ihn Rémy Zaugg in seiner Schrift „das ideale Museum“ proklamiert: „… pure Wände, neutraler Fußboden, ein helles, schlichtes Haus nicht nach der Mode des Tages gebaut, ein Haus das Klarheit und in idealer Proportion wohltuende Ruhe ausstrahlt.“ Ein losgelöster, schnörkelloser Raum als Ideologie der universell nutzbaren Galerie? Das bis zur Abstraktion reduzierte Kunsthaus Bregenz von Peter Zumthor erfüllt alle diese Kriterien, überzeugt jedoch gerade Künstler nicht. Viele Exponate, so der Vorwurf, hielten der radikalen Ästhetik nicht stand.

Anders die bizarren, skulpturalen Gehäuse und Kunstwelten der „Global Players“, Daniel Libeskind und Frank O. Gehry. Sie sehen Kunst nicht in „Schachteln repräsentiert“, sondern fordern Künstler und Ausstellungsmacher auf, sich mit dem Präsentationsort auseinanderzusetzen, den Raum in die Ausstellung einzubeziehen und so die Nahtstelle zwischen Architektur und Kunst zu füllen. Vor allem aber prägen die plastischen Gebilde in Berlin und Bilbao den Außenraum, die Stadtstruktur und erfüllen so den Wusch vieler Stadtväter nach medienwirksamen Attraktionen. Schon mit dem Bau des Centre George Pompidou 1977 in Paris wurde ein ganzes Stadtviertel revitalisiert und neu definiert. Die spektakuläre Kulturmaschine von Renzo Piano und Richard Rogers, deren Ästhetik der außen sichtbaren Haustechnik, richtete den Fokus weg vom idealen Raum hin zur Hülle.

1989 bereicherte Rem Koolhaas’ Entwurf für das Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe den Konflikt zwischen Erlebnis- und Containermuseum um eine neue Dimension. Der adäquate Entfaltungsraum für Medienkunst sollte die verschiedensten Aktivitäten unter einem Dach vereinen: Veranstaltungs- und Ausstellungsort, Treffpunkt für Meinungsaustausch, Ausbildungsstätte und Forschungsinstitut, schließlich ein Museum zum Anfassen.

Das Konzept der neuen Tate Gallery von Herzog & de Meuron in London bezieht den städtischen Aspekt im Innern des Gebäudes mit ein. Die riesige Maschinenhalle des ehemaligen Kraftwerks wurde bis zum Erdboden ausgehoben und so in ihrer ganzen Höhe erfahrbar gemacht. Unter ihrem Dach befinden sich Ausstellungssäle, Zugänge, Vortragssaal und Cafeteria. Das Museum wird als städtischer Raum inszeniert. Weiterführende Inhalte über Architektur und Kunst hinaus versprechen eine Erhöhung der Besucherquote. Damit spiegelt der Museumsbau nicht nur die Veränderungen der äußeren Gestaltung, sondern mehr und mehr auch eine Neudefinition der räumlichen Inhalte und Funktionen.

Wenn Museumsinstitutionen nicht nur Kunst konservieren sollen, sondern Teil des aktuellen kulturellen Lebens sein wollen, müssen sie auf gesellschaftliche und künstlerische Gegebenheiten reagieren. Es entstehen Kunsthallen, die für ständig wechselnde Ausstellungen konzipiert sind, ebenso wie Museumsbauten für bereits vorhandene Sammlungen. Dabei sind innerhalb der Extrempositionen weltweit parallele Entwicklungen zu beobachten. Obwohl auch in Köln zu Beginn des neuen Jahrtausends durch mehrere Neu- und Umbauten die Museumslandschaft neu gestaltet wird, findet hier eine Architekturdebatte über die internationalen Tendenzen im Museumsbau kaum statt. Die spezifische Kölner Eigenart, das Bürgermuseum, oft geprägt durch sakrale Nachbarschaften, wird auch weiterhin bodenständig, ortsbezogen und selten experimentell sein. bs