Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Chancen für Architektur

Kaspar Kraemer wurde zum Präsidenten des Bundes Deutscher Architekten BDA gewählt.
koelnarchitektur.de sprach mit dem neuen Präsidenten über Grundsätze, Schinkel und die gesellsch…

Muss man Idealist sein oder Visionär, um Präsident des BDA zu werden.

KK: Ohne Idealismus geht es sicher nicht, aber damit alleine kommt man nicht durch.

Um Entwicklungen anzustoßen und um zu überzeugen, braucht man Prinzipien und Grundwerte und die Fähigkeit, diese zu transportieren.

Welche Prinzipien sind das? Und für welche Grundbegriffe stehen Sie?

KK: Vor allem die Verdeutlichung der Notwendigkeit von Gestaltung und von Ästhetik. Der Architekt als ganzheitlich arbeitender Lebensveränderer im Sinne von Schinkels Überzeugung, daß, „der Architekt der Veredler aller menschlichen Verhältnisse ist“. Architektur ist Schönheit in baulicher Form und Schönheit wiederum ein Synonym für Ordnung und Struktur. Es gibt allgemeingültige Kriterien, an denen sich Schönheit bestimmen lässt. Diese Kriterien der Gestaltung gilt es zu kommunizieren und bewusst zu machen, um auch von der Gesellschaft einen Mehrwert an substanzieller Planung zu fordern

Wie transformiert man diese architektonische Haltung ins aktuelle Zeitgeschehen?

Oder anders gefragt: Wie labeln Sie Schinkel?


KK: Schinkel today? Karl Friedrich, wie soll es weiter gehen?

In Berlin wird derzeit der Wiederaufbau der Bauakademie diskutiert. Wie stehen Sie dazu?

KK: Sie wieder aufzubauen, wäre eine große Herausforderung und ein wichtiges politisches Zeichen, denn die Zerstörung war völlig ungerechtfertigt. Ich wohne selbst in einem wieder aufgebauten Haus, dieses Amalgam zwischen Alt und Neu bewirkt eine ganz spezifische Atmosphäre. Mit dem Aufbau der alten Hülle und einer inneren, vollkommen neuen Aufteilung könnte auch bei der Bauakademie dieses Charisma erzeugt werden. Die Diskussion um die Authentizität teile ich nicht. Die Idee ist der Plan und nicht die Materie.

Was fasziniert Sie an den Gebäuden Schinkels?

KK: Es ist die Einfachheit der Mittel, die eine Würde besitzen und uns bewegen. Gebaut wurde mit wenigen Materialien: Mörtel, Backstein, Glas, Metall und Holz, aber welche großartigen Bauten sind daraus entstanden. Qualität ist eben nicht nur eine Frage des Geldes oder des Einsatzes einer unsäglichen Materialvielfalt, sondern vor allem des architektonischen Konzeptes aus einem geistigen Prinzip heraus. Diese Botschaften muss man im 21. Jahrhundert vermitteln, auch darin sehe ich meine Aufgaben als Präsident.

Welche aktuelle Architektur erfüllt diese Kriterien, wo fühlen Sie sich wohl?

KK: Es ist nicht immer die große Architektur, die mir am nächsten kommt und mich berührt. Wenn ich die Magazine durchblättere fallen mir oft kleine Holzhäuser auf, die puristisch und ganz klar in der Aussage sind. Auch vieles, was aus der Schweiz kommt. Peter Zumthor muss man da natürlich nennen. In diesen Häusern ist etwas, was mich sofort bewegt. Aber auch die Reduktion, wie man sie in Räumen von Rudolf Schwarz findet, wie dort das Licht auf eine gekelkte Wand fällt. Mir fällt auf, dass gerade viele jüngere Architekten in sehr klaren Strukturen und mit präzisen Details denken und arbeiten.

Weil jeder der am Bau Beteiligten qualitätvolle Architektur anders definiert, lassen sich im Bauprozess aber auch in der Vermittlung nach außen häufig Kommunikationsstörungen beobachten.

KK: Das liegt im wesentlichen an den Architekten selbst, weil sie einen radikalen Intellektualismus betreiben. Vokabeln wie ‚hart’ und ‚spröde’ oder der ‚selbstbewusste Kubus’ konfrontieren und verärgern eine unvorbereitete Öffentlichkeit. Dabei ist die Interessenlage, aller am Bau Beteiligten häufig identisch. Die Stadt will ein schönes Gebäude, der Architekt will ein schönes Gebäude liefern und der Investor will das Gebäude verwerten. Um diese Ziele zu koppeln muss Dialogbereitschaft und –fähigkeit vorhanden sein.

Ist die Vermittlung dieser Interessen auch ein Selbstverständnis Ihres Amtes?

KK: Diesen Moderationsprozess möchte ich in Gang setzten. Ich möchte die Kräfte, die Partner identifizieren, die an diesem Weltverwandlungsprozess beteiligt sind und in einen Dialog einbringen, so dass sie im Sinne einer gestalteten Umwelt effizienter werden. Unser Thema ist doch die Welt umzubauen, mit dem Ziel sie benutzbarer, schöner, angenehmer, sozialer und ökologischer zu machen. In diesem Prozess müssen auch die Architekten einen Teil der Verantwortung übernehmen, um die „Säulen des Herkules“ ein Stück in Richtung Schönheit zu verschieben. Und man muss der Gesellschaft deutlich machen, das man hierfür der richtige Partner ist. Wir Architekten beanspruchen „design leadership“, aber nicht aufgrund von Arroganz oder Anmaßung, sondern weil wir es wirklich am besten wissen.

Auf dem Baukulturkongress schlug Karl Ganser vor, eine Stiftung für Baukultur ins Leben zu rufen, die eine Bestandsaufnahme der Architektur und Stadtplanung betreibt. Stichwort Agenda setting: Sollte es ein gesellschaftliches Ziel werden, eine schöne Stadt zu bewohnen?

KK: Ein sehr spannender Prozess und ein ganz zentrales Thema, hier gilt es Ansprüche zu formulieren und Qualität immer wieder einzuklagen. An vielen Stellen gibt es hervorragende Beispiele und Ansätze, es ist ja nicht so, das unsere Städte nur gruselig sind. Trotzdem muss man sich fragen, was sind die Ingredienzien, was die Grammatik einer Stadt, in der sich Menschen wohl fühlen? Was mich erschüttert: die Thematik des Bauens unterliegt einem solchen Verschleißprozess, dass zum Schluss kaum mehr Qualität übrig bleibt. Das ist sicher auf unsere Wirtschaftsordnung zurückzuführen, hat aber auch mit der mangelnden Vermittlungsfähigkeit auch unseres Berufsstandes zu tun.

Was tun Architekten für die ästhetische Bildung und ist die Breitenbildung ein ureigenes Interesse des BDA?

KK: Die Vermittlung ästhetischer Kriterien ist enorm wichtig, denn nur in einem gebildeten Umfeld lässt sich über Architektur kommunizieren. Auch deshalb ist der Statusbericht von Gert Kähler wichtig, der die Bedeutung der Bildung herausstellt.

Das Thema Architektur in der Öffentlichkeit zu platzieren ist eine 100 jährige Tradition des BDA. Z.B. mit vielen Architekturpreisverleihungen. Auch die Initiative Architektur und Baukultur war ein ureigenes BDA-Thema. Diese Meinungsführerschaft hat der BDA immer gehabt und sollte er auch weiter beanspruchen, aber eben im partnerschaftlichen Sinne.

Welche Instrumente hat der BDA-Präsident, um Dinge in Bewegung zu setzen?

KK: Keine – nur das Potenzial, der Präsident einer hundertjährigen Elitevereinigung zu sein. In Deutschland gibt es 110 000 in den Kammern akkreditierte Architekten, davon arbeiten 40 000 freiberuflich und davon sind im BDA 4500 organisiert. Also knapp 4% aller Planenden sind im BDA, die gestalten aber 50% des Baugeschehens. Deshalb sind wir wichtige Gesprächspartner für die Verbände, die Kommunen und die Regierung. Hier geht es um die Thematisierung unserer Anliegen, um das Entwickeln von Netzwerken und darum, Inhalte im politischen Raum festzumachen. Dabei kommt es natürlich darauf an, wie die Person des Präsidenten agiert und in der Lage ist Themen zu vermitteln und auf die Tagesordnung zu setzten.

Das wesentliche zur Zeit ist die Werbung für den 21. UIA Weltkongress in Berlin vom 22. – 26.07 unter dem Titel „Ressource Architektur“. Dieser Kongress ist eine unglaubliche Chance für uns Architekten, unsere Ziele – die ja die der Gesellschaft sind – darzustellen. Die Werbung und Vorbereitung, auch mit den Landesvertretungen, für diese wichtige Veranstaltung wird einen Großteil meiner Arbeit in den kommenden Monaten beanspruchen.

Mit Kaspar Kraemer sprachen Thomas Hebler und Barbara Schlei.