Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Braunsfeld – zwischen Abbruch und Aufbruch

‚Kölns Wilder Westen‘ – Das Zusammenspiel zwischen privater Initiative und städtischer Planung in Köln-Braunsfeld.

Ein tiefgreifender Strukturwandel durchzieht seit einigen Jahren den Standort zwischen Widdersdorfer und Aachener Straße, Militärring und Gürtel. Im Quartier macht sich eine ambivalente Atmosphäre zwischen Aufbruch und Abbruch breit. Denn in dem zentrumsnahen, zusammenhängenden alten Gewerbe- und Industriegebiet steckt deutliche Dynamik. Seinen Ursprung hat der Wandel in der Abwanderung produzierenden Gewerbes und dem Einzug vieler neuer Büros aus der IT Branche.

Der offensive Titel „Kölns Wilder Westen“ war Slogan und Frage zugleich. Denn geht es in diesem Bereich in baulicher und städtebaulicher Hinsicht wirklich wild zu, zivilisiert oder vielleicht sogar viel zu gewöhnlich?

Architekt Johannes Schilling, der die Veranstaltung moderierte, betonte zu Beginn, „Investitionen und städtebauliche Leitplanung sollten miteinander verknüpft werden jedoch fehle bisher das diskutierbare Leitbild des neuen Quartier.“

Stadtentwicklungsdezernent Klaus Otto Fruhner stellte Perspektiven für die weitere Entwicklung diese Stadtgebiets anhand eines zweifarbig gestalteten Rahmenkonzepts von 1997 vor. Das Prinzip: Brachfallende Flächen werden an Interessenten verkauft, und neue Gebäude als Standorte für Büronutzungen mit technologischem Schwerpunkt gebaut. Ein Beispiel für gelungene Investitionen: das Gründerzentrum an der Eupener Straße. Er betonte, dass „von städtischer Seite der Wunsch besteht, auch das Wohnen zu verdichten. Der Investitionsdruck stelle sich jedoch fast ausschließlich für Büro- und Biotech-Standorte dar.“

Aus der Sicht der Immobilienwirtschaft eine begrüßenswerte Vorgehensweise, all zu konkrete stadtplanerische Vorgaben könnten kontraproduktiv sein. Das jedoch diese Addition von Investments, die unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten funktionieren und sich hoffentlich naht- und lückenlos aneinander reihen, noch keine stadträumliche Identifikation stiftende Situation bilden, verschwieg er.

Dieter Prinz, Professor für Städtebau an der FH Köln, erläuterte nochmals den Wert des Areals, das in der klaren Grundstruktur, der Nachbarschaft zur Innenstadt und Melaten und den derzeit vorhandenen eingestreuten Wohngebieten liegt und mahnte „klar definierte Steuerungssysteme für Planungssicherheit“ von städtischer Seite an.

Sein Thema: das Nutzungsmuster. „Denn die Qualität eines Stadtteil wird bestimmt durch die Summe seiner einzelnen Bestandteile.“ Für ihn bedeutet das, dass kein reiner Technologiepark entstehen dürfe, sondern Funktionsmischungen anzustreben sei: Firmen unterschiedlicher Branchen, Kultur und Menschen, die dort arbeiten und wohnen. Darüber hinaus beinhaltet die Restrukturierung eines neuen Stadtquartiers Fragen nach Radwegen, einem Marktplatz, Kindergärten und Erschließungssysteme die eine kontrollierte Verdichtung gewährleisten. Prinz forderte ideenreiche Impulse von übergeordneter Institutionen und das Einbeziehen der gesamten städtischen Entwicklung. „Wer ist zuständig für die räumliche Kontrolle? Wie kann der Strukturwandel gefördert und positiv beeinflusst werden?“

Damit nicht genug der Fragezeichen. Während Udo Lammerting (Lammerting Industriebau AG) von der Reaktivierung alter Industriegebiete und einem ‚Gewerbepark Vitalisstraße’ schwärmte, setzte sich Stadtkonservator Ulrich Krings für die besonders interessanten Denkmalschutzaspekte dieses Stadtgebietes ein.

Wichtige, historisch gewachsene Grünzüge, Achsen und Trassen, Siedlungskolonien und Industriebetriebe sind hier verankert.

Wie kann wertvoller Gebäudebestand erhalten, integrieren und genutzt werden?

Auf diese und andere Fragen, z.B. was geschieht mit den Industriealtlasten, gab es auf dem Podium wenig bis keine Antworten. Trotz solcher Widrigkeiten und offensichtlicher Defizite – herrschte Optimismus. Im Übrigen könne er die Auslobung von Wettbewerben in Aussicht stellen, teilte Fruhner mit. Bis Mitte nächsten Jahres würden für 5-8 Areale dann auch die Architekten und Stadtplaner gefragt. Angesichts einer seit nunmehr zehn Jahren währenden Bautätigkeit ein doch recht später Zeitpunkt um Konzepte und Planungsinstrumente zu schaffen.

Ein Fazit muss bescheiden ausfallen. Angesicht einer auf Jahrzehnte angelegten Entwicklung ist zum jetzigen Zeitpunkt eine zukunftweisende Prognose kaum möglich. Zu verschieden sind die Interessen und Sichtweisen der am Strukturwandel Beteiligten. Ein unterstützendes Leitbild wie das der IBA Emscherpark „Wandel ohne Wachstum“ ist weit und breit nicht in Sicht.

Es diskutierten:

* Klaus Otto Fruhner, Dezernent für Stadtentwicklung

* Udo Lammerting, Vorstand LIAG Lammerting Industriebau AG

* Prof. Prinz, Architekt und Stadtplaner, Köln

Es moderierte:

* Johannes Schilling, BDA